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Weihbischof über den Dienst am >gerechten Frieden<

Katholischer Soldatengottesdienst am 5. Dezember 2001 in Burg
Predigt über Jes. 2,1-5 und Mt 24, 29-44


Kontroverse christliche Meinungen zum Militärdienst

Es war vor etwa 33 Jahren, als ich mich im Wehrkreiskommando meiner Heimatstadt zur Musterung einzufinden hatte.
Aufgrund meiner Größe schien sich der Einsatz in einem Panzerregiment anzubahnen; für mich aber stand von vornherein fest, dass ich den Dienst mit der Waffe ablehne. Und so wurde ich als Bausoldat anerkannt, musste aber erfreulicherweise, aufgrund meiner beruflichen Entscheidung zum katholischen Priester, niemals zum Dienst in der NVA der DDR antreten.
Ausschlaggebend für meine Entscheidung waren einerseits das biblische Gebot "Du sollst nicht töten" und die Seligpreisungen Jesu mit ihren Idealen der Gewaltlosigkeit, der Feindesliebe und der Versöhnungsbereitschaft, andererseits aber die abschreckende hasserfüllte Ideologie einer letztendlich menschenverachtenden kommunistischen Diktatur.
Nach der Wende habe ich mich manchmal gefragt, ob ich unter den neuen, demokratisch legitimierten Verhältnissen dieselbe oder eine andere Entscheidung getroffen hätte. Ganz sicher bin ich mir da nicht. Aber eines habe ich schon damals nicht beansprucht: meinen Weg als den nach christlichen Maßstäben allein richtigen anzusehen.
Es war meine Gewissensentscheidung, und Freunde von mir trafen eine andere, ohne dass wir uns gegenseitig die Ernsthaftigkeit unserer christlichen Überzeugung absprachen.
Und auch heute gibt es Christen, die sich bewusst beim Militär engagieren, und andere, die ebenfalls bewusst den Zivildienst leisten.
Nicht immer sieht man jedoch beide Wege als christlich legitim an.
Aus der Erfahrung heraus, dass auch in manchen Zeiten die Kirche zum Unfrieden beigetragen, Waffen gesegnet und Kriege gerechtfertigt hat, wird unter Berufung auf Jesu Worte die Forderung erhoben: Christen könnten - um den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen - heutzutage eigentlich nur Pazifisten sein, d. h. unter keinen Umständen selbst Gewalt anwenden und Waffen gebrauchen.
Andere hingegen bezeichnen eine solche Haltung als weltfremd und verantwortungslos.

Woran soll man sich orientieren?
Sicher sind Jesu Liebesgebot, sein Aufruf zur Versöhnung und sein selbstloses Leben Maßstab unseres Handelns.
Wie das aber 2000 Jahre nach ihm in unsere konkreten Verhältnisse umzusetzen ist, erscheint nicht immer ganz klar und lässt manchen Spielraum.
Viele Probleme gab es damals noch nicht, und Jesus wollte auch nicht zu allem und jedem seine Meinung kundtun. Das heißt für uns heutige Christen, dass wir bei aller Treue zur Botschaft Jesu auf manche moderne Probleme auch unsere eigenen Antworten zu finden haben. Und da das Christentum keine Ideologie - d. h. kein geschlossenes System "mit einem Deckel für jeden Topf" - ist, werden wir damit leben müssen, dass in der Frage von Gewaltanwendung nicht nur eine einzige Lösung die eindeutig christliche ist.

Die Herausforderung des Bösen

Auch wenn "Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll", lässt er sich doch nicht per Dekret aus der Welt schaffen.
Es wäre eine Illusion zu meinen, wir lebten jetzt schon im Paradies, und müssten uns nicht immer wieder mit allen Kräften darum mühen, den Frieden zwischen uns zu sichern.
Als Christen machen wir uns im Blick auf den Menschen nichts vor.
Bei Firmungen frage ich immer wieder:
"Widersagt ihr dem Bösen, um in der Freiheit der Kinder Gottes leben zu können?"
Ich habe manchmal schon überlegt, was den Leuten, die da vor mir stehen, wohl bei einer solchen Frage durch den Kopf gehen mag?
Wirkt eine Rede vom Bösen in unserer aufgeklärten Welt nicht verstaubt und antiquiert, ja geradezu lächerlich.
Spätestens seit dem 11. September ist es wieder im Bewusstsein, dass es nicht nur gute Menschen gibt. Manchmal nimmt das Böse durch unseren Willen und unser Handeln Gestalt an - sind wir seine Vollstrecker. Manchmal kommen wir uns aber auch als Opfer böser "Mächte und Gewalten" vor. In diesem Sinn sagt auch Alexander Solschenizyn einmal:
"Allmählich wurde mir offenbar, dass die Linie, die Gut und Böse trennt, nicht zwischen Staaten, nicht zwischen Klassen und nicht zwischen Parteien verläuft, sondern quer durch jedes Menschenherz. Diese Linie ist beweglich, sie schwankt im Laufe der Jahre.
Selbst in einem vom Bösen besetzten Herzen hält sich ein Brückenkopf des Guten.
Selbst im gütigsten Herzen - ein uneinnehmbarer Schlupfwinkel des Bösen."

Dabei geht es uns Christen nicht darum, den Menschen schlecht zu machen, jemanden zu verteufeln oder sich auf das Böse zu fixieren.
Als Realisten sollten wir aber mit diesem Phänomen in und um uns rechnen, es ernstnehmen und dagegen angehen.
So setzt auch die geltende Weltordnung nüchtern den menschlichen Hang zur Gewalt voraus. Sie rechnet damit, dass bei einzelnen Menschen wie bei ganzen Völkern wider alle Vernunft jederzeit Gewalt ausbrechen kann. Daher wurden Mechanismen der Gewaltbändigung und Gewaltvorbeugung entwickelt, um den Frieden zu sichern.
Und wenn man einen bewaffneten Konflikt nicht mehr verhindern kann, hält das Völkerrecht - um Unschuldige, Schwache und Bedrängte wirksam zu schützen - als letztes Mittel sogar Gegengewalt für gerechtfertigt. Solche Einsätze sind jedoch, um nicht noch mehr Leid und Elend zu schaffen, strengen Kriterien unterworfen.
Unter sorgfältiger Abwägung aller Umstände kann auch unsere Kirche sich Fälle vorstellen, wo es erlaubt oder sogar geboten erscheint, sich für Gegengewalt als das kleinere Übel zu entscheiden.

Das christliche Leitbild vom "Gerechten Frieden"

Aber das kann doch wohl nicht alles sein!
Hat Kirche nicht mehr zu vertreten als dieses notgedrungene Zugeständnis an die Unberechenbarkeit der Menschen?
Der Prophet Jesaja hat uns heute in der Lesung eine wunderbare Vision vor Augen gestellt; sie findet sich in ähnlicher Weise auch beim Propheten Micha:
Es wird einmal eine Zeit kommen, da üben die Völker nicht mehr für den Krieg und verzichten darauf, gegeneinander zu kämpfen, da schmiedet man Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Winzermessern um, da sind alle von Gott so fasziniert, dass sie gar nicht mehr anders können, als wirklichen Frieden zu suchen und sich von Gott damit beschenken zu lassen.
Ein solcher Friede aber ist mehr als ein Waffenstillstand; er setzt Gerechtigkeit, Solidarität und Vertrauen voraus und ist nicht ohne menschliches Mitgefühl und die Achtung vor der Würde jeder Person möglich.
Als Kirche träumen wir nicht nur von einer solchen Glückseligkeit, wir sehen uns auch dazu beauftragt, inmitten der gesellschaftlichen Diskussion um die Zukunft immer wieder die Vorstellung eines gerechten Friedens als Leitbild hochzuhalten und selbst daran zu arbeiten, ein überzeugendes Werkzeug dieses Friedens zu werden.
Nicht einen gerechten Krieg zu verteidigen, ist unser spezifisches Anliegen, sondern einem gerechten Frieden den Weg zu bahnen.
Dazu gehören intensive Versöhnungsarbeit und weltweite Entwicklungshilfe, zivile Friedensdienste und militärische Sicherungsmaßnahmen, die ökumenische Bewegung und der Dialog zwischen den Religionen sowie ein wachsendes Verständnis für Fremde und mehr Gerechtigkeit gegenüber Frauen.
Dazu gehören aber auch eine umfassende Erziehung zur Friedfertigkeit und zur Bereitschaft, Konflikte möglichst gewaltfrei auszutragen.
Solcher Dienst an einem gerechten Frieden - und da haben wir keine Illusionen - erfordert Mut und Beharrlichkeit. Oftmals gerät man dabei sogar zwischen die Fronten. Und manchmal wird man als Friedensstifter ausgelacht und für verrückt erklärt.
Als Christen glauben wir aber, dass sich solches Engagement lohnt und Gott uns dabei nicht allein lässt.
Als Christen glauben wir, dass "gerechter Friede" nicht nur eine Zukunftsverheißung ist, sondern tatsächlich schon jetzt unter uns Wirklichkeit werden kann, wenn wir uns darum mühen.
In diesem Sinn möchte ich Ihnen, liebe Soldaten, ganz herzlich für Ihren Dienst zur Verhinderung von Kriegen, zur Bewältigung von Konflikten und zur Sicherung des Friedens danken, für alle Einsatzbereitschaft und Flexibilität.
Zugleich möchte ich Sie ermuntern und ermutigen, immer Ihrem Gewissen zu folgen und die Achtung vor der Würde eines jeden Menschen als Abbild Gottes ganz großzuschreiben.

Möge Gott Ihnen jederzeit nahe sein, Sie behüten und Ihr Leben mit Freude erfüllen.

Gerhard Feige

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