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Du kannst ein Licht anzünden

Weihbischof in der Mitteldeutschen Zeitung zum Weihnachtsfest


Weihbischof Feige
Weihnachten erweckt manchmal den Eindruck, als sei es ein Mehrzweckfest für gestresste Seelen mit unzähligen Deutungs- und Gebrauchsmöglichkeiten, ein Sammelsurium von Kindheitserinnerungen, Wunschvorstellungen und Gestaltungselementen. Zweifellos hat dieses Fest viele Aspekte; drei, die jedoch nicht oberflächlicher Natur sind, sondern sein tiefgründiges Geheimnis und seine zentrale Botschaft berühren, sind mir in diesem Jahr besonders wichtig.

Zunächst ist es der Realismus dieses Festes. Weihnachten blendet die Wirklichkeit, wie sie ist, nicht aus und bedeutet auch keine Flucht in Traumwelten. Die Geburt Jesu von Nazareth war ja alles andere als idyllisch. Wie die biblischen Texte zum Ausdruck bringen, ereignete sie sich unterwegs; Maria und Josef fanden keine Herberge; die Not war groß; nur wenige nahmen das Ereignis zur Kenntnis; schließlich musste man sogar fliehen, weil Soldaten den Neugeborenen zu töten suchten. Wenn wir heute Weihnachten feiern, geht das auch nicht problemlos ab. Wie viele Schwierigkeiten belasten doch unsere Gesellschaft! Hartz IV ist nur ein Begriff unter anderen. Neulich wurde dieser durch die Gesellschaft für deutsche Sprache aber sogar zum Wort des Jahres 2004 gekürt. Auf den weiteren Plätzen folgen „Parallelgesellschaften“(das hat mit der Integration von Ausländern zu tun), „PISA-gebeutelte Nation“, „gefühlte Armut“ und „Ekelfernsehen“. Wenn das tatsächlich repräsentativ sein soll, erscheinen der Zustand und die Zukunft unserer Gesellschaft recht düster. Finanzielle Kürzungen und soziale Einschnitte bedrohen manche. Abnehmende Solidarität und mangelnde Verständigungsbereitschaft, Erziehungs- und Bildungsprobleme, Niveauverluste und Geschmacklosigkeiten machen uns zu schaffen. Das Miteinander scheint rauer und auch geistloser geworden zu sein. Wie soll man da unbelastet und sogar fröhlich Weihnachten feiern? Geht das nicht nur, wenn man einige Tage oder wenigstens Stunden vieles ignoriert, verdrängt oder bagatellisiert?

„Nein“, sagt der christliche Glaube. Gerade um diese Welt mit ihren Ungereimtheiten, Defiziten und Schattenseiten geht es. Ihr gilt die Weihnachtsbotschaft: Gottes Sohn wird Mensch, das Licht kommt in die Finsternis, mitten in der Kälte blüht eine Rose auf. Der unfassbare Gott neigt sich zur Welt, um ihre Not zu lindern. Wir sind nicht mehr Verdammte dieser Erde, uns selbst überlassen oder ausgeliefert. Der „Himmel“ steht uns offen. Unsere Perspektive wird geweitet. Das Leben ist mehr als nur ein Kampf um die nackte Existenz. Uns wird etwas geschenkt, was wir selbst nicht produzieren können oder verdient haben: die Zusage von Erlösung, Vollendung und ewigem Leben. Daraus kann – und das ist das zweite, was ich mit Weihnachten verbinde – eine große Hoffnung wachsen. Wir haben Zukunft, auch wenn uns manchmal Probleme und Schwierigkeiten niederdrücken. Aus dieser tiefen Hoffnung heraus konnten und können Christen sogar in notvollen Situationen Weihnachten feiern: auch in Krankenhäusern und Gefängnissen, im Krieg und auf der Flucht, fern der Heimat oder angesichts des Todes lieber Mitmenschen. Wer sich von einem Sinn getragen weiß und ein Ziel sieht, vermag manches Unverständliche zu verkraften und den Mut nicht zu verlieren.

Weihnachten – und das ist schließlich das dritte, was ich für bedenkenswert halte – bewegt und drängt dazu, möglichst vielen die Liebe Gottes, die in Jesu Leben und am Weihnachtsfest erfahrbar geworden ist, zu erschließen und durch eigenes Handeln zu bezeugen. „Du kannst nicht die Nacht bekämpfen,“ – so lautet ein weiser Ratschlag – „aber ein Licht anzünden!“ Wie Gott sich mit der Welt in ihrem unheilvollen Zustand nicht abgefunden, sondern sich in ihre Verhältnisse eingemischt hat, stände es uns gut an, sich ähnlich zu engagieren: für mehr Solidarität mit denen, die überfordert sind, an den Rand gedrängt oder ausgeschlossen werden, die Einbußen hinnehmen müssen und einen sozialen Abstieg befürchten, auch für die Verteidigung der Würde des Menschen von der Zeugung bis zum Tod, für eine familien- und kinderfreundlichere Gesellschaft oder noch grundsätzlicher für mehr Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Weihnachten – als Fest göttlicher Einmischung verstanden, wir feiern ja die Geburt Gottes in der Welt – animiert dazu, nicht vom Staat als möglichem „Übervater“ alles zu erwarten oder sich politikverdrossen aus demokratischen Auseinandersetzungen raus zu halten und anderen die Entscheidungen zu überlassen. Zivilcourage und Einsatzbereitschaft sind gefragt, damit es in unserer Gesellschaft wieder lichtvoller wird.

Weihnachten ist ein Hoffnungszeichen, bietet Trost und Freude, fordert aber auch heraus und weist Wege zu Gott und den Menschen. Ich lasse mich gern darauf ein und wünsche auch Ihnen anregende Feiertage.

Weihbischof Dr. Gerhard Feige

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