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Mission und geistige Weite

Predigt in der Theologischen Fakultät Erfurt

Wie kann christlicher Glaube ansteckend bezeugt und weiter vermittelt werden?
Das ist eine drängende Frage, die uns nicht nur in Deutschland bewegt.

Weitergabe von Religion

Religionswissenschaftlern und Soziologen zufolge soll es grundsätzlich vier verschiedene Arten geben, wie religiöse Vorstellungen und Praktiken verbreitet wurden und werden – hier oder anderswo in unserer Welt:
Am selbstverständlichsten geschieht dies innerhalb von Abstammungsgemeinschaften. Kinder übernehmen die Weltanschauung ihrer Eltern. Eine Generation vermittelt der anderen ihre Werte. So aber scheint es bei uns nicht mehr zu laufen. Diese Art von Glaubensvermittlung ist gestört; Abbrüche sind zu verzeichnen, Hilflosigkeit macht sich breit.
In manchen Zeiten spielten politische Machtzusammenhänge und Gewalt eine entscheidende Rolle, um Menschen religiös zu überzeugen oder gefügig zu machen. Blutige Kämpfe und Gesinnungsterror konnten aber nicht wirklich überzeugen und werden von uns heute zu Recht als unmenschlich verworfen.
Sympathisch und einladend erscheint dagegen, was Religion in Kultur hinterlässt. Und davon ist Europa reich. Auch in anderen Kontinenten stoßen wir auf christliche Spuren in Architektur, Musik und bildenden Künsten, in Literatur und Sprache, in Wertvorstellungen und Lebensweisen – alles: mögliche Anregungen, tiefer als nur über menschliche Leistungen ins Nachdenken zu kommen.
Und dann ist da noch die Mission. Dahinter steht ein Sendungsbewusstsein, das die Menschheit als Ganze in den Blick nimmt. Dahinter steht die Überzeugung, dass die Botschaft, der man glaubt, allen Menschen gut tun kann, dass sie auch dann Leben verheißt, wenn die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. In diesem Bewusstsein haben sich unzählige Christen durch zwei Jahrtausende hindurch für die Verbreitung des Evangeliums eingesetzt. Und auch heute stehen wir unter dem Auftrag des Herrn, buchstäblich aller Welt seine frohe Botschaft zu verkünden. Aufs neue sind entschiedene Glaubenszeugen gefragt!
Lösen wir mit solchen Tönen aber nicht Irritationen aus? Wer möchte schon missioniert werden? Viele sind skeptisch und denken vielleicht an neue Zwänge. Im Osten Deutschlands und Europas ist die marxistisch-leninistische Agitation und Propaganda auch noch nicht ganz vergessen. Und die bewusste Täuschung mancher Werbefachleute, Versicherungsagenten und Glücksversprecher macht fast alle vorsichtig oder misstrauisch. Viele haben Angst vor neuen Vereinnahmungen, lassen sich auf nichts mehr ein, ziehen sich ins Private zurück und folgen höchstens ihrer selbst zusammengestellten individuellen Weltanschauung. Wie kann angesichts solcher Entwicklungen christlicher Glaube noch Zukunft haben?
Vieles liegt nicht in unserer Hand; da sind wir entlastet und dürfen ganz auf Gott vertrauen. Oftmals kommt es aber auch darauf an, wie wir uns verhalten und wahrgenommen werden.

Offenheit für Gott

In der Oration haben wir heute – vielleicht mit Bewunderung und Sehnsucht – darum gebetet, Gott möge uns die Weite des Geistes schenken, die den heiligen Bischof Albert ausgezeichnet hat.
Wenn auch niemand unter uns wie Albert der Große das ganze philosophische und naturwissenschaftliche Wissen der Zeit beherrscht, so reizt uns doch der Begriff der geistigen Weite! Eine solche Haltung scheint wünschens- und erstrebenswert! Wird uns nicht manchmal gerade vorgeworfen, dass es uns daran fehle! Die Fenster seien geschlossen, unsere Maßstäbe hoffnungslos verstaubt und unsere Möglichkeiten sehr begrenzt.
Und in der Tat: Was landet auf dem Schreibtisch eines Bischofs oder in Redaktionen von Kirchenzeitungen doch auch für engstirnige und kleinkarierte Post! Wie oft wird nicht wirklichkeitsgerecht differenziert, sondern grobschlächtig schwarz-weiß-gemalt! Manche können ganz einfach nicht über ihren Schatten springen oder ihr „Kirchturmdenken“ überwinden.
Wenn wir im Blick auf den heiligen Bischof Albert für uns die Weite seines Geistes erbeten, geht es ausdrücklich jedoch erst einmal um die Erkenntnis Gottes und die Möglichkeit, in seine Nähe zu gelangen. Für Albert war das das höchste Ziel der menschlichen Vernunft und diese die vornehmste Kraft des Menschen. Wissen und Glauben müssen sich nicht widersprechen, und in der Wissenschaft fortzuschreiten bedeutet keinesfalls automatisch, sich von Gott zu entfernen. Weit bleibt der menschliche Geist dann, wenn er sich nicht von vornherein selbst beschränkt und eine Erkenntnis Gottes definitiv ausschließt.
Mit einem weiten Horizont zu leben, der noch Sinn ermöglicht und Hoffnung weckt, wo alles am Ende scheint – kann das nicht anregend, vielleicht sogar faszinierend sein, anderen Mut machen und Zugang zum christlichen Glauben erschließen?

Menschliche Weite

Bei der Weite des Geistes geht es aber nicht nur um unseren Gotteshorizont; auch unser Umgang mit Christen und Nichtchristen tritt in den Blick. Gewiss hat Matthäus beim Bild vom Fischfang im heutigen Evangelium auch die Mission im Sinn. Wie Jesus – ungeachtet der Forderung nach einer „reinen und heiligen Gemeinde“ – sich allen zuwendet: Gerechten wie Sündern und Pharisäern wie Zöllnern, sollten wir ebenso Gutes und Schlechtes unge-chieden nebeneinander bestehen lassen und nicht voreilig Säuberungsaktionen einleiten und Richter spielen.
Menschlich ist unser Wunsch nach klaren Verhältnissen verständlich; evangeliumsgemäß aber kommt es allein Gott zu, endgültig zu beurteilen, wer zum Heil gelangt oder es verfehlt. Er, der erstaunlicherweise seine Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen lässt, wird erst am Ende der Zeiten die Verworrenheit menschlicher Schicksale und Verhaltensweisen auflösen.
Es ist nicht leicht, in dieser Spannung zu leben und sich zurückzuhalten, vorschnell und übereifrig andere aufzugeben, auszugrenzen oder zu verurteilen. Von Jesu Botschaft, Vorbild und Einladung überzeugt, schmerzt es uns manchmal sehr, wie sich andere entwickeln oder wie vielen dies gar nichts bedeutet. Als wanderndes Gottesvolk sind wir aber insgesamt eine Gemeinschaft von Heiligen und Sündern, keine Elitetruppe, auch keine Sekte. Und wir selbst – jede und jeder von uns – sind auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen und leben aus ihr.
Weite des Geistes heißt also auch, nicht nur für die Erkenntnis Gottes offen zu sein, sondern auch die Menschen zu ertragen wie sie sind – und sie sogar ihres Heils und ihrer Rettung wegen zu lieben! – Habt ihr das alles verstanden?
Wie kann christlicher Glaube ansteckend bezeugt und weitervermittelt werden? Sicher nicht engstirnig, verbissen und kleinkariert, sondern in einer Weite des Geistes, die Bewährtes aufgreift und sich Neuem nicht verschließt. Nicht irgendwelche Strategien sind entscheidend, sondern die Gesinnung, die aus unseren Worten und Taten spricht und widerspiegelt, wovon unser Herz erfüllt ist.
Möge es die Liebe Gottes sein, die in Jesus Christus offenbar geworden ist und allen Menschen gilt. Ein weitherziger und geistvoller Glaube aber kann die Welt verändern und wird auch in Zukunft ansteckend sein.

Gerhard Feige
Administrator des Bistums Magdeburg

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