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Im Geiste des heiligen Franziskus

Predigt von Bischof Gerhard Feige zum Pastoraltag

Seit über zwei Wochen findet man in den Zeitungen fast täglich einen Beitrag zum Thema „Dialog der Religionen“.
Ein solcher Dialog – so sagte Papst Benedikt XVI. letzte Woche bei seiner Audienz für Botschafter muslimischer Staaten – sei „eine vitale Notwendigkeit, von der in hohem Maße unsere Zukunft abhängt.“
In unserem Land dürfte dies über den Dialog der Religionen hinaus auch für den Dialog mit all denen gelten, die keiner Religionsgemeinschaft angehören.

Dialog als vitale Notwendigkeit, von der unsere Zukunft abhängt, nicht nur die Zukunft von uns Christen, auch die Zukunft des menschlichen Miteinanders in Würde und Freiheit: Das ist – liebe Schwestern und Brüder – klar und einleuchtend. Es wird wohl kaum jemanden geben, der oder die da nicht grundsätzlich zustimmt.

Was heißt das aber, einen Dialog zu führen, einen Dialog zwischen Menschen, die unterschiedlichen Religionen oder Weltanschauungen angehören?
Sind wir Christen da nicht oft ratlos – vor allem auch unerfahren und ungeübt?
Und so kann es im Kontakt mit Andersgläubigen oder mit Konfessionslosen schnell dazu kommen, dass wir zwei Extremen verfallen: Entweder sind wir davon überzeugt, dass die anderen zum eigenen Glauben bekehrt werden müssen, weil sie sonst ihr ewiges Heil verwirken; oder wir gehen davon aus, dass man auf jedem Weg selig werden kann und deshalb friedlich miteinander oder nebeneinander leben sollte.

In beidem steckt etwas Richtiges. Doch für sich genommen kann jede dieser beiden Positionen zu einer Ideologie werden. Auf der einen Seite kann es zu Fundamentalismus und Fanatismus kommen – auf der anderen Seite zu einer vermeintlichen Toleranz, der alles und alle letztlich gleichgültig sind. Beides ist ein Verrat an unserer Botschaft, ein Verrat am Auftrag Jesu.
Wie aber ist dieser Auftrag angemessener umzusetzen? Wie können wir den Dialog mit Andersgläubigen so leben, dass er zu mehr Frieden und Versöhnung in unserer Welt beiträgt?

Das Lebenszeugnis des heiligen Franziskus, dessen Gedenktag wir heute feiern, bietet uns dazu eine hilfreiche Spur an.

Im Jahr 1219 ist Franziskus während des fünften Kreuzzuges mit nach Damiette in Ägypten gereist: nicht um mit den Soldaten gegen die Muslime zu kämpfen, sondern um in einer gewaltlosen Aktion Frieden zu schaffen. Dabei gelang es ihm sogar, die kriegerischen Grenzlinien zu überschreiten und mit dem Herrscher Ägyptens, dem Sultan Melek-al-Kamil, persönlich zu sprechen. Bei dieser Begegnung versuchte er, seinen Glauben dem Sultan verständlich zu machen. Auch wenn dies nicht zu dessen Bekehrung geführt hat, so war dieser doch vom Mut und von der Aufrichtigkeit des Heiligen beeindruckt. Zum Abschied soll er Franziskus sogar um sein Gebet gebeten haben. Franziskus seinerseits hat einige Anregungen aus dem Gespräch mit dem Sultan aufgenommen und versucht, sie in sein Leben zu integrieren.
Diese offenherzige Begegnung ist bis heute mustergültig geblieben. Deshalb war es auch kein Zufall, dass Papst Johannes Paul II. 1986 – also vor 20 Jahren – erstmals Vertreter verschiedener Religionen ausgerechnet nach Assisi zu einem Friedensgebet eingeladen hat.

Was könnten wir also von Franziskus lernen, wenn wir einen Dialog führen wollen? Die entscheidende Grundhaltung war für Franziskus die Armut im Geiste. Von ihr ist auch im heutigen Evangelium die Rede. Was heißt das? Was gehört dazu?

1. Begegnung
Franziskus hat einen Schritt auf den Sultan hin getan. Er hat ein aufrichtiges Interesse am Gespräch mit ihm gezeigt und dafür auch einiges riskiert. Dies war die Grundlage für einen fruchtbaren Austausch, der gegenseitig war: Beide Seiten haben etwas voneinander erfahren, beide hatten etwas zu geben und beide konnten etwas voneinander lernen.

Auf unsere Situation übertragen könnte man sagen: Am Ausgangspunkt eines Dialoges stehen Zeichen, Worte oder Gesten, die ein echtes Interesse zum Ausdruck bringen. Es genügt nicht, darauf zu warten, bis jemand sich von einer allgemeinen Einladung angesprochen fühlt und den ersten Schritt tut. Es genügt z.B. auch nicht, im Schaukasten der Gemeinde zu Gespräch und Begegnung einzuladen. Es braucht die innere Einstellung dazu, aktiv auf einzelne Menschen zuzugehen, aufmerksam zu werden für die Möglichkeiten einer Begegnung, die sich mitten im Alltag und mitten in den ganz normalen Abläufen auftun können.

Wenn der Dialog gelingen soll – lässt uns Franziskus erkennen – muss er von einem echten Interesse am anderen gespeist sein. Und wirkliches Interesse besteht dann, wenn ich weiß: Der oder die andere könnte auch für mich von Bedeutung sein. Nur so entsteht ein Klima des gegenseitigen Vertrauens, das den Nährboden für ein Gespräch über Gott bildet. Ein solches Gespräch geschieht dann auf Augenhöhe, zwischen ebenbürtigen Partnern. Und gerade im Gespräch mit Andersgläubigen oder Andersdenkenden können auch wir Christen zu einem tieferen Verständnis des eigenen Glaubens geführt werden.

2. Beispielhaftes Leben
Ein weiteres können wir von Franziskus lernen. Er hat den Sultan vor allem dadurch überzeugt, dass er das vorlebte, was ihm der Glaube bedeutet. Es wird berichtet, dass Franziskus sogar bereit war, für seinen Glauben durchs Feuer zu gehen. Er hat diesen Glauben leidenschaftlich und zugleich absolut friedfertig und versöhnlich bezeugt. Eine solche Haltung, eine solche Konsequenz hat den Sultan beeindruckt. Franziskus lebte, was er sagte. Er stand zu seinem Glauben mit allen Konsequenzen.

Was kann das für uns heißen? Denken wir einmal darüber nach: Welche Bedeutung hat für mich? Wo und wie prägt er mein Leben? Zeigt sich der christliche Glaube auch in unseren großen und kleinen Lebensentscheidungen? Hat unser Lebensstil etwas damit zu tun, unsere Einstellung zu den Themen, die uns durch politische und gesellschaftliche Entwicklungen vorgegeben sind, vor allem auch unser Umgang mit denen, die Jesus besonders am Herzen lagen: die Menschen, die in irgendeiner Not sind – materiell, seelisch oder geistig. Vielleicht geht es – wie bei Franziskus – auch vor allem um die Herzensgüte, die uns zu Menschen werden lässt, bei denen Worte und Taten miteinander im Einklang sind. Denn das ist es, was andere vielleicht am meisten anzieht, was sie dazu herausfordert, Fragen zu stellen.
Mit fällt dazu jener Ratschlag ein, der besagt: „Rede nicht über deinen Glauben, wenn du nicht gefragt wirst, aber lebe so, dass du gefragt wirst!“ Einerseits widerspreche ich ihm: Wir müssen das Evangelium Jesu Christi auch dann zur Sprache bringen, wenn die Fragen über das irdische Wohlbefinden hinaus abgestorben zu sein scheinen. Andererseits stimmt es natürlich schon: Die beste Voraussetzung zur christlichen Verkündigung sind Herzensgüte und ein glaubhaftes Leben.

3. Verankert sein in Jesus Christus
Eine solche Herzensgüte – so können wir wiederum an Franziskus ablesen – ist nicht machbar. Wir können sie uns nicht einfach abverlangen und sie erzwingen. Das würde uns überfordern und mutlos machen. Das könnte auch dazu führen, dass sich jemand über sich selbst täuscht und in Wirklichkeit längst an seine Grenzen gekommen ist. Am Ende kann eine solche Selbsttäuschung sogar zu Gewalt führen: wenn jemand davon überzeugt ist, im Besitz einer Wahrheit zu sein, zu der die anderen bekehrt werden müssen; oder wenn sich jemand als einzig Gerechter unter lauter Sündern vorkommt. Das wäre das Ende eines jeden Dialogs.
Franziskus wusste um seine Grenzen. Er hat sich nichts vorgemacht, sondern stattdessen ganz in die Arme dessen geworfen, der von sich sagte: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11, 28).
Nur wer das Erbarmen und die Güte Jesu an sich selbst geschehen lässt, kann gütig und sanft im Umgang mit anderen sein. Im Blick auf das heutige Evangelium hat ein alter Priester einmal gesagt: „Wenn es mir gelingt, daran zu glauben, dass Jesus Christus wirklich zutiefst für mich da ist und mich liebt, dann gehe ich ganz anders an meine seelsorgerlichen Aufgaben heran. Dann spüre ich nämlich, dass ich gar nicht alles alleine machen muss, dass gar nicht alles von mir allein abhängt. Dann bin ich gelassener und offener im Umgang mit anderen.“

Gelassen und offen zu sein – das, liebe Schwestern und Brüder, sind ganz unverzichtbare Haltungen, wenn es um einen Dialog geht.
Gelassenheit und Offenheit werden uns letztlich aber nur in der persönlichen Beziehung zu Jesus Christus geschenkt. Nur von dort her werden wir es auch aushalten können, wenn ein Dialog schwierig wird oder wenn es so aussieht, als sei alles erfolglos, wenn sich unüberwindbar scheinende Gräben auftun oder wenn es trotz aller Versuche nicht gelingt, Menschen anzusprechen und zu interessieren.

Jesus Christus lädt uns ein, sein Joch anzunehmen – das heißt, sich immer wieder der heilenden Kraft seines Erbarmens auszusetzen.

Kann das nicht gerade für hauptamtlich in der Pastoral Tätige eine ungeheure Entlastung sein?
Denn in der Tat hängt es nicht allein von unserer Fähigkeit und unserem Geschick ab, ob ein Dialog gelingt, ob sich Menschen von der Botschaft Jesu faszinieren lassen. Letztlich ist das Gottes Sache und auch Gottes Interesse. Wenn wir in ihm Ruhe finden, wird uns auch das rechte Wort zur rechten Zeit gegeben werden – auch das rechte Maß zwischen der Leidenschaft für den Glauben und einer Gelassenheit, die anderen nichts aufdrängt. So werden wir vielleicht – ohne es zu merken – gerade all diejenigen anziehen und ansprechen, die auf der Suche sind.

Lasst uns also den Spuren des heiligen Franziskus folgen, mit Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist innig verbunden bleiben, uns eifrig und liebevoll für das Heil der Menschen einsetzen und dabei der Verständigung und der Freude dienen.

Gerhard Feige

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