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Ein recht persönlicher Aufruf zur Wahl

Bischof: Ich jedenfalls werde mich beteiligen

Bischof Dr. Gerhard FeigeBis 1989 – also zu DDR-Zeiten – bin ich entweder gar nicht wählen gegangen oder habe auf dem Stimmzettel alles durchgestrichen. Eigentlich wurde erwartet, den Stimmzettel mit den gemeinsamen Kandidaten der sogenannten Nationalen Front ungelesen nur zusammenzufalten und in die Wahlurne zu werfen. Auf ein derart entwürdigendes Verfahren war ich jedoch nicht bereit, mich ernsthaft einzulassen. Jede Wahl diente ja dem herrschenden Regime lediglich dazu, sich wieder einmal zu vergewissern, ob man die Bevölkerung noch im Griff hatte. Manche bezeichneten diese Wahlen auch als „Viehzählung“.

Wie erhebend war es dagegen, nach der friedlichen Revolution und gesellschaftlichen Wende 1990 erstmals wirklich frei wählen zu können; die Beteiligung lag dabei übrigens bei 94 Prozent. Doch schon bald erschien vielen die errungene Freiheit „grauer als der Traum von ihr“. Ernüchternde Enttäuschungen folgten überzogenen Erwartungen. Und tatsächlich ist die Freiheit anstrengend und überfordert oftmals sogar, können viele Wünsche nicht erfüllt werden, geht es zum Teil ungerecht und unbarmherzig in unserer Gesellschaft zu. Kein Wunder, wenn sich inzwischen auch eine gewisse Politikverdrossenheit breitgemacht hat. 

Nicht Demagogen verfallen

 Außerdem ist es bedauerlicherweise immer noch nicht jedem und jeder bewusst, dass Demokratie ein kostbares, aber auch gefährdetes Gut ist. Um diese Staatsform mit Leben zu erfüllen und notfalls auch zu verteidigen, bedarf es engagierter Bürgerinnen und Bürger. Verantwortung ist gefragt, auf allen Ebenen, nicht nur in der Politik, sondern auch in allen Bereichen der Zivilgesellschaft, auf Bundesebene wie vor Ort.

 Ich habe durchaus manches Verständnis für alle, die den Wahlkampf als lächerlich empfinden, keiner der Versprechungen glauben können und sich schon entschieden haben, nicht zu wählen, oder noch nicht wissen, wen beziehungsweise welche Partei oder ob sie überhaupt wählen sollen. Dennoch bin ich der Meinung: Auch wenn es keine Partei gibt, die vollständig meinen eigenen Vorstellungen oder denen anderer entspricht, sollte man sich an der Wahl beteiligen und wenigstens – wie manche sagen – dem kleineren Übel seine Stimme geben. Dabei halte ich es für wichtig, nicht denen zu verfallen, die demagogisch argumentieren oder den Himmel auf Erden versprechen; vertrauenswürdiger sind die Politiker, die sich für Ziele, die aus christlicher Sicht unverzichtbar sind, und für realistische Lösungsmöglichkeiten einsetzen. Darum rufe ich noch einmal alle auf, Ihr Wahlrecht wahrzunehmen und damit – wenn auch indirekt – mitzuentscheiden, wie es in Deutschland weitergehen soll. Ich jedenfalls werde mich an dieser Abstimmung beteiligen. 

+ Gerhard Feige
Bischof von Magdeburg 

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