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25 Jahre Katholisches Büro Sachsen-Anhalt

Das Katholische Büro Sachsen-Anhalt ist die Schaltstelle zwischen katholischer Kirche und der Politik. Am 25. Juni dieses Jahres sind genau 25 Jahre vergangen, seit der damalige Geistliche Rat Ulrich Berger von Bischof Leo Nowak zum ersten Leiter des Katholischen Büro ernannt wurde. Heute liegt die Leitung in den Händen des Juristen Stephan Rether.

Herr Rether, nicht Jeder kennt das Katholische Büro. Was sind die Hauptaufgaben?

In der Errichtungsurkunde sind die Kernaufgaben so beschrieben: Das Katholische Büro vertritt die Interessen der katholischen Kirche gegenüber Landesregierung, Landtag, Parteien, Gewerkschaften und Verbänden. Es ist Ansprechpartner für diese Einrichtungen, um so die Anliegen an die kirchlichen Stellen einschließlich des Caritasverbandes weiterzugeben. Außerdem soll das Büro Ansprechpartner für katholische Christen sein, die in den verschiedenen Bereichen der Politik Verantwortung übernommen haben.

Stephan RetherWie viele Katholische Büros gibt es?

Für jedes Bundesland ist ein Katholisches Büro zuständig, das im Auftrag des jeweiligen Bischofs die Interessen unserer Kirche in den landespolitischen Raum hinein wahrnimmt. Da die Länder Berlin und Brandenburg gemeinsam durch ein Katholisches Länderbüro betreut werden, gibt es bei 16 Bundesländern 15 Katholische Länderbüros. Und dann gibt es noch ein Büro für die Bundespolitik. Aber das Katholische Büro Sachsen-Anhalt ist – historisch gesehen – schon etwas Besonderes.

Wie meinen Sie das?

Das Katholische Büro Sachsen-Anhalt war das erste und ist somit das älteste Büro in den Bundesländern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Das Ländereinführungsgesetz wurde erst drei Wochen später in der Volkskammer verabschiedet. Das Land Sachsen-Anhalt war noch nicht wieder gebildet. Es gab noch keine Landesregierung.

Was zeichnet die Arbeit des Katholischen Büros aus, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, wenn Sie auf die vergangenen 25 Jahre blicken?

Wir waren an den Verfahren zum Zustandekommen unserer Landesverfassung beteiligt und natürlich bei dem zur Errichtung des Bistums Magdeburg 1994 notwendigen Vertrag mit dem Bundesländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg und dem Vertrag zwischen der Katholischen Kirche und dem Land Sachsen-Anhalt 1998. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir aber auch der Umbau des Katholischen Schwangerschaftskonfliktberatung und die Vorbereitung und Errichtung von „Netzwerk leben“. Auch die Verhandlungen mit der Landesregierung über die Errichtung unserer sieben Schulen und der Edith-Stein-Schulstiftung war für das Katholische Büro ein ganz wesentliches Verfahren. Auch bei vielen sozusagen einfachen Landesgesetzen konnten wir durch Gespräche, Beratung und Stellungnahmen mitwirken.

Wie muss man sich das vorstellen?

Es geht um Gesetzgebungsvorhaben und Programme, die auch oder direkt die katholische Kirche betreffen; konkret um die Seelsorge in staatlichen Krankenhäusern, Justizvollzugsanstalten, Polizeiausbildungsstätten und anderen Landeseinrichtungen. Selbstverständlich interessieren uns alle Regelungen, die den Sonntagsschutz und die kirchlichen Feiertage betreffen. Es geht um den Katholischen Religionsunterricht, angefangen bei der Ausbildung über die Unterrichtsversorgung an staatlichen Schulen bis zur Weiterbildung und um die Genehmigung der Unterrichtsmaterialien. Wichtig ist uns zudem, auch im karitativen Bereich und in Einrichtungen Gesundheitswesen Gehör zu finden. Und schließlich interessieren uns die politischen Entscheidungen, die die kirchlichen Kindertagesstätten und die Schulen in kirchlicher Trägerschaft betreffen. Aber auch die Erwachsenenbildung und Akademiearbeit sind ein wichtiges Feld.

Wie verstehen Sie Ihre Arbeit im Alltag?

Vor allem wollen wir mit unserer Arbeit dazu beitragen, weiter die politischen und gesetzgeberischen Bedingungen zu gewährleisten, auf deren Grundlage die Kernaufgaben unserer Kirche und ein angemessenes Leben aus dem Glauben in unserer Gesellschaft möglich bleiben. Der Lobpreis Gottes muss möglich sein; die Verkündigung der frohen Botschaft ebenso; praktizierte Nächstenliebe, der Dienst am Nächsten muss möglich sein. Und ganz wichtig: Jeder Einzelne muss die Chance haben, seinen Glauben zu bekennen und zu leben.

Sehen Sie hier Gefahren auf die Kirche zukommen?

 

Ich möchte nicht von Gefahren sprechen, sondern von Herausforderungen. Wir leben hier und heute in einer Zeit, die offensichtlich von statistischen Daten beherrscht wird: Wirtschaftliche Kennzahlen, Mitgliedschaftszahlen, Geschwindigkeiten und andere formale Maßstäbe. Kirche ist mehr als die Anzahl ihrer Mitglieder.  Diese Bedeutung immer wieder in den öffentlichen, gesellschaftlichen und politischen Raum hinein zu tragen. Dies ist eine zentrale Aufgabe. Unsere Gesellschaft braucht bei aller Freiheit des Einzelnen ethische Kompetenzen und Orientierungen, die an vielen Stellen nur die Kirchen geben können. Dies immer wieder den Verantwortungsträgern bewusst zu machen ist in unseren  schnelllebigen Zeiten von Konsum, Kariere und Lifestyle eine zentrale Herausforderung.       

 

Was sind die aktuellen Aufgaben?

 

Im Landtag wird derzeit das Bestattungsrecht diskutiert. Hier geht es uns darum, mitzureden bei der Frage: Wie können wir das Selbstbestimmungsrecht und die Interessen des Verstorbenen, die Anliegen der Hinterbliebenen und die Interessen der Öffentlichkeit in Einklang bringen? Das hat viel mit Menschenwürde und Erinnerungskultur zu tun.

Das Strafvollzugsgesetz soll als Landesgesetz neu verabschiedet werden. Da ist uns wichtig, dass der Resozialisierungsgedanke des Strafvollzuges durch praktische Regelungen umgesetzt wird, dass die Möglichkeiten der Seelsorge in der besonderen Situation gesichert sind und die Rahmenstrukturen funktionieren.

Fast schon ein Dauerthema ist die Sorge um die Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt. Unser Bischof hat Anfang 2014 die „Flüchtlingshilfe Sachsen-Anhalt“ ins Leben gerufen. Der Caritasverband mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern engagiert sich hier nach Kräften. Es gibt viel ehrenamtliches Engagement in unseren Pfarreien und Einrichtungen. Über das praktische Engagement hinaus ist es für das Katholische Büro als politische Verbindungsstelle wichtig, in den politischen Raum hinein anzumahnen, dass Flüchtlings- und Asylpolitik etwas anderes ist als freiwillige Einwanderungs- und Einbürgerungspolitik. Im ersten Fall handelt es sich um Hilfe aus akuter Not; im zweiten Fall handelt es sich um die Befriedigung eines gesellschaftlichen und ökonomischen Bedarfs. Hier ist es ganz wichtig, auch in der politischen Diskussion genau hinzugucken, damit wir nicht den „Flüchtling erster Klasse“ und den „Flüchtling zweiter Klasse“, der keine Qualifikation mitbringt, herstellen. Ein solcher Umgang wäre menschenunwürdig.

 

Worin sehen Sie die Herausforderungen der Zukunft in Sachsen-Anhalt?

 

Eine der großen Herausforderungen ist die Frage, wie wir in Sachsen-Anhalt mit dem „Weniger“ zurechtkommen. Mit Ausnahme von Halle und Magdeburg ist laut Europäischer Union das gesamte Land Sachsen-Anhalt „ländliche Region“. Die Bevölkerung wird älter und weniger. Wir müssen es darum schaffen, mehr Freude am Leben wachzurufen und mehr Neugier auf Herausforderungen. Besser als das Wort ist hier die Tat. Wenn ich sehe, dass in unserer Familienbildungsstätte in Naumburg ohne staatliche Hilfe Patenschaften und Deutschkurse für Ausländer stattfinden, wenn ich erfahre, dass Kirchenvorstände mit Landkreisen über die Nutzung ihrer Pfarrhäuser zur Unterbringung von Asylbewerbern im Gespräch sind, dann bin ich zuversichtlich, dass diese neuen Initiativen auch anderen Menschen Mut machen, mit Spaß an der Freude ausgetretene Pfade zu verlassen.

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