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Tag des Herrn - Katholische Wochenzeitung

Lesen Sie hier die Themen der letzten Meldungen des »Tag des Herrn - katholische Wochenzeitung für das Bistum Magdeburg«:

Ruth Weinhold-Heße
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Max Josef Metzger
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Foto: Christkönigsinstitut Meitingen

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Das Engagement für den Frieden und die Ökumene war Max Josef Metzger besonders wichtig. In Meitingen initiierte er erste ökumenische Treffen.

Den Märtyrer Max Josef Metzger kennen nicht mehr viele. Jetzt will ihn der Papst seligsprechen. Ein Komponist aus den USA vertonte seine Gedichte. An seinem 80. Todestag erinnert nicht nur die katholische Kirche an Metzger.

Cormac Brian O’Duffys Begeisterung reißt mit, selbst wenn man mit ihm nur über den Bildschirm ins weit entfernte South Carolina im Süden der USA verbunden ist. Für den Kirchenmusikdirektor in der Diözese Charlston sind die Texte und Gedichte des katholischen Märtyrers Max Josef Metzger eine Inspirationsquelle geworden. Er vertonte sie in einem Liederzyklus. Einige der Texte entstanden in den letzten Wochen kurz vor Metzgers Tod im Zuchthaus Brandenburg-Görden. Dort wurde der Priester am 17. April 1944 von den Nationalsozialisten durch das Fallbeil hingerichtet. Sein „Verbrechen“: der Wunsch nach Frieden und nach Einheit der Christen.

Max Josef Metzger
Max Josef Metzger kam 1887 in Schopfheim/Südbaden zur Welt. Von 1914 bis 1915 war er Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg an der Vogesen-Front. Ab 1933 wurde er von den Nationalsozialisten überwacht.

Frieden nur durch Einheit der Konfessionen

O’Duffy ist überzeugt von der „Wichtigkeit dieses Mannes Gottes“. Er sei eben nicht nur ein Märtyrer, der für seinen Glauben eintrat, sondern „er brachte die zwei großen Kirchen in Deutschland zusammen. Damit prägte er letztendlich auch die Demokratiebewegung nach 1945, auch wenn er selbst kein Politiker war.“ Der irisch-amerikanische Komponist ist tief beeindruckt vom Wirken Metzgers, vor allem von seinem Einsatz für die Ökumene. „Heute ist das kaum noch vorstellbar, wie tief entzweit katholische und evangelische Christen vor 100 Jahren noch waren. Metzger war überzeugt, dass es einen Frieden zwischen den Völkern nur durch einen Frieden zwischen den Konfessionen geben kann“, so Cormac O’Duffy.

Die Ideen für ein gemeinsames Europa, die der katholische Priester in seinem „Memorandum“ vertrat, seien nicht nur für die damalige Zeit spannend, sagt Sylvia de Pasquale, Gedenkstättenleiterin in Brandenburg-Görden. „Seine Vorstellungen, wie wir in Europa friedlich zusammenleben können, sind gerade jetzt wieder hochaktuell.“ Es sei tragisch, dass jemand wie er denunziert und verraten wurde, dass dieses „Potenzial, das in unserem Land da war, getötet wurde.“

Mit prophetischer Klarheit, für demokratische Strukturen

Haus von Dr. Max Josef Metzger
Gedenktafel für Max Josef Metzger an der Fassade der Kirche Sankt Joseph in Berlin.
Foto: kna/Markus Nowak

Der erste Weltkrieg machte aus Max Josef Metzger, der als Divisionspfarrer diente, einen überzeugten Pazifisten. Er forderte Abrüstung und gründete mehrere pazifistische Organisationen, darunter den Friedensbund Deutscher Katholiken. Er setzte sich für die Einheit der Christen ein und gründete 1938 dafür die Bruderschaft Una Sancta. Metzger stellte sich von Anfang an dem Nationalsozialismus entgegen. 1939 schreibt er einen prophetischen Brief an Papst Pius XII. und macht ihn auf die Gefahr eines Weltkriegs aufmerksam. In dem von ihm 1943 verfassten „Memorandum“, auch als „Manifest für ein neues Deutschland“ bezeichnet, wird seine Haltung gegenüber dem Nazi-Regime deutlich. Darin formulierte er künftige demokratische Strukturen Deutschlands.

Verraten wurde er von der Gestapo-Agentin Dagmar Imgart, die sich in die Una-Sancta-Bewegung eingeschleust hatte. Als schwedische Staatsbürgerin durfte sie auch während des Krieges nach Schweden reisen. Metzger vertraute ihr sein an den lutherischen Erzbischof Erling Eidem in Upsala gerichtetes „Memorandum“ an. Daraufhin wurde er am 29. Juni 1943 verhaftet und in einem Schauprozess durch Roland Freisler am 14. Oktober 1943 zum Tode verurteilt.

„Tod! Wo ist dein’ Macht geblieben?

Höllenfürst, wie bist du klein!

Alles Dunkel muss zerstieben

Vor der Ostersonne Schein.“

Dieses Gedicht schrieb Max Josef Metzger an Ostern 1944, kurz vor seinem Tod. Es heißt, er habe den Priester, der ihm das letzte Abendmahl spendete, mehr getröstet als der ihn. „Noch nie habe ich einen Menschen mit so frohleuchtenden Augen in den Tod gehen sehen wie diesen katholischen Priester…“, soll der Henker zum Gefängnisseelsorger Peter Buchholz später gesagt haben.

Pfarrer Matthias Patzelt von der Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit in Brandenburg an der Havel schrieb im letzten Gemeindebrief an die Gläubigen, auch ihm sei die Bedeutung Metzgers nicht „in ihrem Ausmaß bekannt“ gewesen, bevor ihn der Komponist Cormac O’Duffy angerufen hatte. Metzger sei „ein früher Wegbereiter der Ökumene, deren Friedenspotenzial er sah. Er gründete die überkonfessionelle Una Sancta-Bewegung zu einer Zeit, als seine eigene Kirche der Ökumene noch äußerst skeptisch gegenüberstand.“

2019 feierte das Christkönigsinstitut Meitingen sein 100. Jubiläum. Der damalige Freiburger Diözesanpriester Max Josef Metzger hatte es als „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“ 1919 in Graz/Steiermark gegründet. Dort nannte er sich Bruder Paulus, nach seinem Vorbild, dem Apostel. 1928 verlegte Metzger den Sitz nach Meitingen bei Augsburg. An Pfingsten 1939 fand im Christkönigsinstitut das erste ökumenische Treffen von Priestern statt, das als großer Erfolge galt.

Ein Oratorium als Geschenk zum 80. Todestag – aufgeführt am Hinrichtungsort

Cormac Brian O’Duffy
Der Komponist Cormac Brian O’Duffy.
Foto: Privat

Cormac O’Duffy schenkte der Gemeinschaft das Oratorium, das er zu den Gedichten des Priesters geschrieben hatte. Zu Metzgers 80. Todestag, so O’Duffys Wunsch, sollte es an seinem Hinrichtungsort aufgeführt werden. Der Kirchenmusiker rief also nicht nur den katholischen Pfarrer in Brandenburg an der Havel an, sondern schrieb auch vor rund einem Jahr an die Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden.

Durch O’Duffys Engagement gibt es dort an Metzgers Todestag, am 17. April, eine Andacht. Zudem widmet die Gedenkstätte den 79. Jahrestag der Befreiung des Zuchthauses Max Josef Metzger. Im Anschluss sind Teile des Oratoriums von O’Duffy bei einem Konzert mit dem Extra Chor Brandenburg zu hören. Der Chor und der Musizierkreis Blankenburg, beide unter der Leitung von Karsten Drewing, wurden von der Gedenkstätte für die Veranstaltung gewonnen.

„Ich kannte Metzger überhaupt nicht“, gesteht Chorleiter Drewing, selbst evangelisch. „Ich habe mich da rangetastet, langsam fange ich an, Metzger zu verstehen“, erzählt er weiter. Und auch, dass er Cormac O’Duffys Begeisterung manchmal bremsen musste, dass er seine Partitur ausdünnte, weil weder Geld noch Raum für ein großes Orchester da sind. Inzwischen freut sich auch Karsten Drewing, dass katholische und evangelische Christen vereint mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten das Metzger-Andenken begehen.

Cormac Brian O’Duffy hat zusätzlich zur Musik zusammen mit Leonard Swidler, Professor unter anderem für Interreligiösen Dialog an der Temple University Philadelphia, in den USA gerade auch ein Buch über Metzger herausgegeben: „The priest and the Fuhrer“ (Der Priester und der Führer).

Mitten in den Vorbereitungen zum Andenken an den 80. Todestag Metzgers wird bekannt, dass der Vatikan nach jahrelanger Prüfung die Hinrichtung als Märtyrertod anerkennt. Der katholische Priester und Friedensaktivist Max Josef Metzger könnte demnächst in Freiburg seliggesprochen werden. „Für mich ist diese Anerkennung des Martyriums durch „Rom“ – in der Person von Papst Franziskus – der eigentliche, letztgültige „Freispruch“ für Vater Paulus, nach und neben den verschiedenen Bemühungen der weltlichen Gerichte“, schreibt Annemarie Bäumler vom Christkönigsinstitut Meitingen nach der Bekanntgabe.

„Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und für die Einheit der Kirche" waren Metzgers letzte Worte vor der Hinrichtung am 17. April 1944 um 15.27 Uhr. Es waren seine beiden großen Lebensziele, für die er sich einsetzte und starb. Cormac O’Duffy möchte das Gedenken an ihn bekannt machen. Deshalb stieß er einen Aufruf an alle katholischen und evangelischen Kirchen an, im Anschluss an die Andacht um 16 Uhr die Glocken zu läuten. Über den Bildschirm ermuntert er die Deutschen: „Lasst alle Glocken läuten!“

Termine

17. April, 15.15 Uhr: Andacht durch den Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg in der Hinrichtungsstätte Brandenburg-Görden. Die Gedenkfeier wird live übertragen. Der Link lautet:
https://www.youtube.com/watch?v=ClJ4ssScVUE
Auch in der Zeit nach der Veranstaltung wird die Aufzeichnung unter diesem Link abrufbar sein
Feierstunde am Max-Josef-Metzger Platz in Berlin-Wedding am 20. April um 15 Uhr durch den Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg (gegenüber der St. Joseph-Kirche an der Müllerstraße 161, in dieser Gemeinde wirkte Metzger als Priester in den Jahren 1939 bis 1943)
Gedenkkonzert am 20. April um 18 Uhr: in der Evangelischen Dorfkirche Berlin-Blankenburg wird das Metzger-Oratorium aufgeführt
79. Jahrestag der Befreiung des Zuchthauses Brandenburg-Görden: 21. April, 12-14 Uhr – nur mit Anmeldung (E-Mail: anmeldung-brb@stiftung-bg.de)

 

80. Todestag des Märtyrers Max Josef Metzger
Christoph Arens
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Hans Joachim Meyer
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Foto: kna/Harald Oppitz

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Hans Joachim Meyer war ein gefragter Redner ohne ideologische Scheuklappen.

Er war Minister unter Lothar de Maiziere und Kurt Biedenkopf. Und er war oberster Laienkatholik in Deutschland. Am Karfreitag starb Hans Joachim Meyer im Alter von 87 Jahren.

Er mochte am liebsten in keine Schublade gesteckt werden. „In keiner Schublade“ lautete auch der Titel seiner Autobiografie von 2015. Hans Joachim Meyer hat turbulente Zeiten erlebt: als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), aber auch als Sächsischer Wissenschaftsminister und CDU-Politiker in den Kabinetten von Kurt Biedenkopf und zuvor als Bildungsminister der letzten, frei gewählten DDR-Regierung von Lothar de Maiziere. Am 29. März starb der gebürtige Rostocker im Alter von 87 Jahren in Potsdam.

Unabhängiges Denken und Hartnäckigkeit – diese Eigenschaften kamen dem Sohn eines Apothekers und einer Lehrerin schon zu DDR-Zeiten zugute. Das Jurastudium musste er 1958 aus politischen Gründen abbrechen, ein Jahr später durfte sich Meyer für Anglistik und Geschichte in Ost-Berlin einschreiben. Trotz Distanz zum SED-Staat schaffte er es zum Professor der Sprachwissenschaften.

In der Kirche gelernt, was freie und demokratische Debatte ist

Seit den 1970er Jahren engagierte sich der Katholik in der Kirche. Die Dresdner Pastoralsynode 1973 bis 1975 war für ihn „eine kostbare Lektion in praktizierter Freiheit“, eine Erfahrung, die DDR-Katholiken nur in der Kirche machen konnten. Weitere Stationen waren das Dresdner Katholikentreffen 1987 und die Ökumenischen Versammlung. 1989 engagierte sich Meyer zunächst in seiner Gemeinde in Babelsberg, dann aber auch weit darüber hinaus, um die entstehenden Gruppen engagierter Katholiken zu vernetzen.

Nach der Wende leitete Meyer den „Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen in der DDR“ und wurde ins ZdK berufen – das höchste Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. In dieser Zeit begann auch seine politische Karriere. Lothar de Maiziere (CDU) machte den unbelasteten Akademiker 1990 zum Wissenschafts- und Bildungsminister der letzten DDR-Regierung.

Meyer weinte der DDR keine Träne nach. Aber er verleugnete nicht seine Prägung, sein „Ossi-Herz“, wie er selbst schrieb. So konnte er das Dilemma beschreiben, das viele frühere DDR-Bürger noch heute empfinden: „Wir wollten der Bundesrepublik beitreten und doch wir selbst bleiben.“ Doch während viele Westdeutsche in ihrem Alltag von der Wiedervereinigung nur begrenzt berührt waren, wurde das Leben der Ostdeutschen komplett umgekrempelt. Das Übermaß der Westbestimmung, westdeutsche Arroganz und Besserwisserei habe die Wirklichkeit des Ostens entwertet, schrieb er.

Von 1997 bis 2009 stand Meyer als erster Ostdeutscher an der Spitze des ZdK – das war noch vor dem Missbrauchsskandal, der die Koordinaten der Kirche stark verändern sollte. Den von Papst Johannes Paul II. durchgesetzten Ausstieg der Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung bezeichnete Meyer als bitterste Erfahrung seiner Amtszeit. Unbeirrt unterstützte er die Gründung des Vereins Donum Vitae, durch den Katholiken die Schwangerenkonfliktberatung fortsetzen.

Dialogbereitschaft, aber auch Hartnäckigkeit und eine bisweilen harsche Wortwahl zeichneten Meyer als ZdK-Präsidenten aus. Dem Papst und den Bischöfen in allem gehorsam zu sein, hielt er für „unkatholisch“. Schließlich gehöre er keiner „Kommandokirche“ an, betonte er.

Gefragter Redner ohne ideologische Scheuklappen

Auch im Ruhestand blieb Meyer ein gefragter Redner und Interviewpartner. Dabei teilte er ohne ideologische Scheuklappen in alle Richtungen aus. So hielt er seinen ostdeutschen Landsleuten mit Blick auf die Erfolge von AfD und Pegida einen Mangel an Dialogfähigkeit und Weltoffenheit vor. Den Westdeutschen warf er dagegen ein unterentwickeltes Nationalbewusstsein vor, das dem Rechtspopulismus Auftrieb gebe.

In seinem Heimatbistum war Meyer zuletzt der prominenteste Wortführer der Gegner eines Umbaus der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale. Unbeirrt verteidigte er die bestehende Raumgestalt mit der markanten Bodenöffnung, die beim Wiederaufbau vor 50 Jahren entstand, als „geniales Zeugnis zeitgenössischer Architektur“. Und Meyer betonte: „Wir Katholiken im Ostteil der Stadt waren stolz auf diese Neuschöpfung der Kathedrale“. Damit hatte er allerdings keinen Erfolg.

Zum Tod von Hans Joachim Meyer
Dorothee Wanzek
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Bischof Wolfgang Ipolt
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Foto: kna/Riccardo De Luca

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Wolfgang Ipolt mit seinen Bischofskollegen der Berliner Kirchenprovinz.

In Görlitz spricht man gern von einem Brückenbistum. Wie geht es weiter mit der Kirche beiderseits der Brücke? Ein Interview mit Bischof Wolfgang Ipolt.

Unübersehbar bröckelt inzwischen auch die polnische Volkskirche. Verändern sich damit auch Beziehungen zwischen den Katholiken in Deutschland und Polen?

Besonders in der deutsch-polnischen Kontaktgruppe der Bischofskonferenzen reden wir seit geraumer Zeit sehr offen über die Veränderungen der Kirche in beiden Ländern. Die drei polnischen Bischöfe, die zur Gruppe gehören, machen keinen Hehl daraus, dass Polen zurzeit einen starken Säkularisierungsschub erfährt und dass die Kirche noch nicht so sehr darauf vorbereitet ist. Der Austausch über unsere Erfahrungen mit sinkenden Mitgliederzahlen und schwindendem Einfluss ist konstruktiv. Die Bischöfe sagen nicht einfach „die Veränderungen kommen alle aus dem Westen“, sie schauen genau hin und hören zu. Schon vor Jahren haben wir deutschen Gruppenmitglieder zum Beispiel gewarnt, sich zu eng an die PIS-Partei anzulehnen, um die eigene Unabhängigkeit zu wahren. In Polen ist der Glaube historisch bedingt stark mit der Nation verbunden. Die Geschichte in unseren Ländern ist anders verlaufen. Umso wichtiger ist angesichts der Säkularisierung der Austausch und die geistliche Unterstützung im Umgang mit dieser Situation. Es sollte möglich sein, dass wir im Zerbrechen von Gewohntem auch Chancen entdecken.

Der Anteil der Priester aus Polen im Bistum steigt seit 20 Jahren. Im Nachbarbistum Magdeburg verzichtet man bewusst darauf, Personallücken mit ausländischen Priestern zu füllen. Halten Sie den eingeschlagenen Görlitzer Weg im Nachhinein für richtig?

Wir sind eine Weltkirche und es ist schön, wenn das in unseren Gemeinden auch zu spüren ist. 18 bis 20 Prozent unserer Katholiken sind Zugewanderte, die meisten aus Polen. Auch wenn wir auf Integration setzen und keine eigenen polnischen Gemeinden gründen, ist es doch wichtig, dass sie in ihrer Muttersprache beichten und mit Seelsorgern sprechen können. Wir machen gute Erfahrungen mit den indischen und zum großen Teil auch mit den polnischen Priestern in unserem Bistum. Mentalitätsunterschiede sind dennoch zu spüren. Entscheidend ist, dass die Priester von den Gläubigen angenommen werden. Andernfalls kann Fremdenfeindlichkeit wachsen. Ich entscheide im Einzelfall, wem ich welche Verantwortung übertrage und befrage dazu vorher in der Regel die Priester des Bistums. Dass es auch in Zukunft viele Interessenten aus Polen geben wird, halte ich übrigens für unwahrscheinlich. Auch dort gehen ja die Berufungen zurück.

Auf die Frage, was sich in der Kirche verändern sollte, mahnen Sie des öfteren eine „Neuevangelisierung“ an. Was genau verstehen Sie unter dem Begriff?

In der Tat: Neuevangelisierung ist ein Begriff, in den man viel hineinpacken kann. Mein Anliegen ist, dass Menschen die Gelegenheit bekommen, in eine Beziehung mit dem Evangelium zu treten, was in unserer Region meist bedeutet: in einen ersten Kontakt mit dem Glauben zu kommen. Für diejenigen, die schon lange Christen sind, braucht es eine Neubelebung dieser Beziehung, wenn wir als Kirche nicht vertrocknen wollen. Sie kann auf verschiedene Weise geschehen: durch eine Freundschaft mit überzeugten Christen, durch das Erlebnis oder die Teilnahme an christlichen Bräuchen, wie zum Beispiel den Segen der Sternsinger, die Feier von Gottesdiensten oder das Lesen der Heiligen Schrift. Ich wünschte mir: Jede Begegnung mit einem Christen sollte zu einer Gottesberührung werden. Dann würden wir alle mitwirken an der Evangelisierung.

Interview mit Bischof Wolfgang Ipolt
Eckhard Pohl
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Elisa Klingebiel
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Foto: Eckhard Pohl

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Elisa Klingebiel bei der Arbeit an ihrem Schreibtisch.

Elisa Klingebiel ist in der Geschäftsstelle des Katholikentages 2024 in Erfurt für das hauptamtliche Personal und für Fundraising zuständig. Bis heute schwärmt sie von ihrem FSJ-Einsatz beim Katholikentag in Leipzig.

Noch hat der Katholikentag in Erfurt nicht einmal begonnen – bis zum Start am 29. Mai sind es noch ein paar Tage. Doch Elisa Klingebiel ist bereits dabei, für die ersten hauptamtlichen Mitarbeiter des Groß-Events Arbeitszeugnisse zu schreiben, damit sie sich für die Zeit nach dem Katholikentreffen anderswo bewerben können. Klingebiel ist für das hauptamtliche Personal zuständig, das für den Trägerverein des Katholikentages arbeitet. Die gebürtige Eichsfelderin hat sich um die Stellenausschreibungen für den Katholikentag gekümmert, Bewerbungsgespräche geführt, Mitstreiter eingestellt und eingearbeitet, die nötigen Schulungen in die Wege geleitet. Jetzt sorgt sie dafür, dass alle ihr Gehalt und ihren Urlaub bekommen, die Arbeitszeit solide erfasst wird.

Zukunfts- und Nachsorge zugleich

Am Anfang sei es teils schwierig gewesen, Personal zu finden, sagt Klingebiel. „Doch jetzt sind wir 35 Personen im Alter von 18 bis 63 Jahren. Die Hälfte ist unter 30 alt. Wir sind also ein sehr junges Team.“ Die meisten seien bis zum 30. Juni angestellt, also bis einen Monat nach Ende des Katholikentages am 1. Juni. „Für sie kümmere ich mich auch um ihre Ausgliederung, betreibe sozusagen Zukunfts- und Nachsorge, wenn ich jetzt schon Zwischenzeugnisse schreibe“, sagt Klingebiel. Mancher Mitarbeiter habe gezielt eine befristete Anstellung gesucht.

Zum Team der Katholikentagsgeschäftsstelle gehören einige Kollegen, die aus den alten Bundesländern kommen, schon bei Katholiken- und Kirchentagen dabei waren und Erfahrung mitbringen, sagt die Personalerin. Genauso wichtig seien aber auch Mitstreiter aus Thüringen, die zum Beispiel mögliche Ansprechpartner kennen. 

Klingebiel selbst ist schon seit 15. September 2022 beim Trägerverein des Katholikentages angestellt. Die studierte Betriebswirtschafterin für Logistik und Spedition hatte beim Katholikentag 2016 in Leipzig ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert. „Ich war damals total begeistert“, sagt die heute 27-jährige Frau, die in Heilbad Heiligenstadt aufwuchs. Sie hatte über ihr Engagement bei der Kolpingjugend vom Angebot eines Freiwilligen Sozialen Jahres beim Katholikentag gehört. Vorher hatte sie mit der Familie an den Ökumenischen Kirchentagen in Berlin und München teilgenommen. Bei ihrem Einsatz in Leipzig erlebte sie als FSJ-lerin im Team von 45 Hauptamtlichen „sehr, sehr gute Gemeinschaft“, wie sie sich erinnert. „Wir waren auch auf persönlicher Ebene sehr gut verbunden“. „Ich hatte keine Angst, Fehler zu machen. Uns FSJ-lern wurde etwas zugetraut. Man konnte über alles sprechen. Ich habe viel gelernt“, sagt Klingebiel.

Dass die meisten Mitstreiter neu in das jeweilige Katholikentags-Team kommen, biete gute Voraussetzungen für eine konstruktive Arbeitskultur, ist Klingebiel überzeugt. „Vieles wird gemeinsam erarbeitet. Jeder kann eigene Ideen einbringen.“ Wenn es dann losgeht mit dem Katholikentag, die Fahnen wehen, alles vorbereitet ist, die Gäste anreisen, erlebe man mit Freude das Ergebnis der Arbeit, erinnert sich Klingebiel gern an Leipzig. So werde es auch in Erfurt sein, ist sie zuversichtlich.

Auf der Suche nach der Rolle der Kirche im eigenen Leben

Von ihren Eltern christlich erzogen, besuchte sie in Heiligenstadt das katholische Gymnasium. „Heute bin ich am sortieren, welche Rolle die Kirche in meinem Leben spielt und spielen soll.“ Sie empfinde im normalen Gemeindealltag die Gottesdienste als „sehr steif“ und schätze stattdessen eine Glaubens- und Gottesdienstpraxis, wie sie von den Taizé-Brüdern vorgelebt werde.

Elisa Klingebiel und Linus Müeller
Elisa Klingebiel und Linus Müller von der Geschäftsstelle des Katholikentages informieren bei der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken im November 2023 in Berlin über den Stand der Vorbereitungen des Treffens in Erfurt.
Foto: Presse Katholikentag

Klingebiel ist in der Geschäftsstelle des Katholikentages neben ihrer Aufgabe im Blick auf das Personal auch für das Fundraising, also das Erschließen von Einnahmequellen, zuständig und außerdem noch Assistentin der Geschäftsführung. „Es ist nicht einfach, Anzeigen zu verkaufen, um daraus Erträge zu erzielen“, sagt Klingebiel. So habe sie Unternehmen und andere Inserenten gesucht, die Anzeigen etwa im Programmheft, auf dem Katholikentagsstadtplan oder der Katholikentags-App schalten wollten, um mit den Einnahmen die Helfenden-T-Shirts finanzieren zu können. Manchen Firmen sei Kirche sehr fremd, andere hätten ausdrücklich betont: „Wir wollen mit Kirche nichts zu tun haben“, sagt Klingebiel. Dabei sei der Träger des Katholikentages ja ein Verein. Bei Organisationen wie dem VRK (Versicherer im Raum der Kirchen) oder der Genossenschaft oikocredit, mit denen man schon länger zusammenarbeite, habe sie Interessenten für Anzeigen gefunden. „Aktuell suchen wir noch Sachspenden wie Schokolade, Chips und Obst“, sagt Klingebiel.

Die junge Frau findet es gut, dass bei Katholikentagen vieles öffentlich stattfindet – in Erfurt zum Beispiel die Kirchenmeile auf dem Anger, die Veranstaltungen auf dem Dom- und dem Theaterplatz. „Da können wir auch Laufpublikum erreichen, das unsere Angebote interessant findet. Das ist eine echte Chance“, sagt Klingebiel.

Schließlich habe der Katholikentag unter seinem Motto „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ echt etwas zu bieten: Viele Foren, auch zu politischen Themen, Gottesdienste, Nachhaltigkeit werde groß geschrieben, über 90 Prozent der Angebote seien barrierefrei zu erreichen, nennt die engagierte Mitarbeiterin einige Stichpunkte. Persönlich finde sie es sehr gut, dass sich der Katholikentag nicht zuletzt auch im Blick auf die Europa- und die Landtagswahl in Thüringen ausdrücklich „für ein demokratisches Miteinander und gegen Rechtsextremismus engagiert“. Für sich selbst finde sie es ein bisschen schade, dass sie aufgrund ihrer Aufgaben inhaltlich nicht so viel von den Veranstaltungen mitbekommen werde.

Unter den Teilnehmern werden auch etliche junge Menschen aus der Region sein. So seien schon einige als Mitwirkende dabei, etwa die Malteserjugend oder die Pfadfinder aus Heiligenstadt. „Für Jugendliche ist es schön, bei einem solchen Event dabei zu sein oder sich gar aktiv zu beteiligen. Wann haben sie sonst eine solche Möglichkeit?“

Elisa Klingebiel arbeitet beim Trägerverein des Erfurter Katholikentages
Angela Degenhardt
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Immer wieder steht sie im Raum – an Ostern. Die Frage, wo sich in unserem Leben etwas von Auferstehung zeigt.

Angela Degenhardt
Angela Degenhardt  
Gemeindereferentin Pastoralregion Burgenlandkreis (Naumburg-Weißenfels-Zeitz)

Weil das wichtig ist und notwendig, damit es bei uns ankommt, dass der Tod besiegt ist und das Leben lebt – auch hier und heute. Wie sollte es wirklich sein, wenn wir es nicht erleben?

Also fange ich eine Liste an, was das so ist, wo sich Leben zeigt, widrigen Umständen zum Trotz: 

  • das erste zarte Grün, die ersten Blüten 

  • das seltsam-schöne Licht am Abend der endlich wieder längeren Tage 

  • die letzte Spalte auf der letzten Seite der ZEIT zu lesen, wo Menschen teilen, „Was mein Leben reicher macht“ – unglaublich voll von Leben

  • die Entdeckung im Spiegel, dass die Narben der Brustkrebs-OP nach ziemlich genau zwei Jahren tatsächlich verblasst sind – doch, manchmal, das Leben geht weiter 

  • die stürmische Umarmung des eritreischen Mädchens, voll Wiedersehensfreude – es war erst die zweite Begegnung; mit offenen Herzen von Menschen aufgenommen werden, obwohl sie eigentlich jemand anderes vermissen 

  • eine unverhoffte Einladung ins Kino, gerade als die Mutlosigkeit sich wieder mal meldet 

  • das unverschämt fröhliche Vogelgezwitscher lange vor dem Aufwachen der „Nachteulen“ 

  • der unglaubliche Leseeifer eines Erstklässlers, dessen Muttersprache nicht deutsch ist 

  • staunende Kinderaugen im Ostergarten, beim Eintauchen in die Ereignisse vor 2000 Jahren; …

Eigentlich eine schöne Idee, diese Auferstehungsliste. Und genug Oster-Zeit eine eigene zu schreiben!

 

Anstoß 14/2024
Andreas Kaiser
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Katholikentag Flyer Erfurt Domplatz
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Foto: Katholikentag

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Flyer vom 103 Katholikentag. Im Hintergrund der Erfurter Domplatz

Bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg drohen rechtsextreme Parteien stark zu werden. Welche Rolle will der Katholikentag in Erfurt da spielen? Und wie will er Menschen mit unterschiedlichen Meinungen konstruktiv ins Gespräch bringen?

Politisch waren sie schon immer, die Großtreffen der deutschen Katholikinnen und Katholiken. Doch der kommende Katholikentag in Erfurt wird aller Voraussicht nach politischer denn je. „Uns geht es vor allem darum, Haltung zu zeigen“, sagt Andreas Kratel, der Abteilungsleiter für Großveranstaltungen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Ganz bewusst zögen sich daher „die Themen Demokratie und Vielfalt wie ein roter Faden durch das Programm“ mit seinen rund 500 Einzelveranstaltungen, so Kratel. Das ZdK erhoffe sich vom 103. Katholikentag, der vom 29. Mai bis 2. Juni dauert, ein „starkes Signal für die Demokratie“ vor den kommenden Wahlen. Für diese haben zuletzt sämtliche Umfrageinstitute einen deutlichen Rechtsruck in Deutschland prognostiziert. 

Da der Katholikentag nur eine Woche nach den Kommunalwahlen in Thüringen und eine Woche vor der Europawahl sowie im Vorfeld von gleich drei Landtagswahlen in Ostdeutschland stattfindet, hat es sich gefügt, dass wir damit mitten hinein in die parteipolitischen Debatten kommen“, sagt Ulrich Neymeyr, der Bischof des Gastgeberbistums. Bereits zur Auftaktveranstaltung werden Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Mit Bundeskanzler Olaf Scholz, Extremismusforscher Matthias Quent und Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa ist eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gemeinschaft stärken – Gesellschaft gestalten“ geplant; um nur mal zwei Beispiele zu nennen. 

Begegnungen an der Straßenbahnhaltestelle

Den Einfluss von Kirchentreffen auf das Wahlverhalten der Menschen schätzt der Bischof allerdings als gering ein. Er sagt: „Es geht eher darum, Nachdenklichkeit hervorzurufen“ sowie Positionen der katholischen Kirche, etwa zur Unverletzlichkeit der Menschenwürde, wieder stärker „in die Gesellschaft zu transportieren“. Auch solle „der Katholikentag in die derzeit oft sehr aufgebrachten politischen Debatten eine gewisse Gelassenheit einbringen und damit zur Beruhigung der Gesellschaft insgesamt beitragen“. 

Das sieht auch Claudio Kullmann, der Leiter des Katholischen Büros in Erfurt, so: „Die politische Großwetterlage im Land wird sich dadurch nicht drehen.“ Ohnedies seien die Auswirkungen von Großveranstaltungen eher indirekter Art. Vor allem von den vielen Begegnungen unterschiedlichster Menschen „auf der Straße, an der Straßenbahnhaltestelle oder bei den Veranstaltungen“ erhofft sich Kullmann positive Auswirkungen auf die demokratische Kultur im Land. Er sagt: „Auf dem Katholikentag wollen wir bewusst eine andere Debattenkultur auch zu drängenden gesellschaftspolitischen Fragen pflegen“ – etwa zur Migration, dem Umweltschutz, dem Umgang mit Geflüchteten oder dem Schutz des menschlichen Lebens am Anfang und am Ende. „Es geht darum, sich wieder respektvoll miteinander auszutauschen, dem anderen wirklich zuzuhören und sich nicht gegenseitig anzuschreien oder anderweitig zu diskreditieren“, sagt Kullmann.

Der Ausschluss von AfD-Politikern bedeutet laut Neymeyr und Kullmann aber nicht, dass man sich mit deren Wählerschaft nicht auseinandersetzen wolle, schließlich könnten sich an den Katholikentagsdebatten alle Menschen beteiligen. „Es gibt ja auch etliche Katholiken, die manche Positionen der AfD sehr befürworten. Mit diesen Menschen möchten wir ins Gespräch kommen“, sagt Neymeyr. Gleichwohl sei die AfD „keine Partei wie jede andere“, betont Kullmann. Das erlebt der Verbindungsmann der katholischen Bischöfe zur Politik quasi täglich im Thüringer Landtag: „Das ist eine Partei, die versucht, mit demokratischen Mitteln die parlamentarische Demokratie an sich zu beschädigen. Das kann uns als Kirche nicht kaltlassen.“ 

„Schon immer eher progressiv“

Doch ist das Programm des Katholikentags dazu angetan, auch Menschen anzulocken, die mit der AfD sympathisieren und mit denen eine konstruktive Diskussion jetzt so wichtig wäre? Manch einer zweifelt daran. Einige der Veranstaltungen, etwa zum Gendern oder „der Leib Christi ist queer“, hätten mit der Lebenswirklichkeit der meisten Ostdeutschen nichts zu tun, monierte der Christdemokrat und ehemalige Erfurter Oberbürgermeister Manfred Ruge, der im Dezember als Vorsitzender des Trägervereins des Katholikentags zurücktrat. 

Ruges Vorwurf aber will ZdK-Chefplaner Kratel so nicht stehen lassen. Neben den genannten Themen gebe es auf dem Katholikentag rund 80 Veranstaltungen, die sich mit der deutschen Geschichte, der DDR, der deutschen Einheit sowie Ostdeutschland beschäftigen. 

Auch Kullmann kann die Tadel kaum nachvollziehen. „Das ist mehr oder weniger eins zu eins das, was man schon seit Jahrzehnten hört. Auf den Katholikentagen wurden schon immer eher progressive Positionen vertreten“, sagt er. 

Auf die Kritik Ruges, zum Katholikentag seien vornehmlich Politiker der Ampel-Parteien eingeladen worden, reagiert man beim ZdK und im Bistum Erfurt ebenfalls gelassen. Neben dem Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt wird auch der sachsen-anhaltinische Landeschef Reiner Haseloff am Katholikentreffen teilnehmen. 

Zudem sind laut Kratel noch weitere Unions-Spitzenpolitiker angefragt worden – etwa der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann oder Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Henrik Wüst. Zusagen aber gab es von ihnen nicht – anders als von vielen Ampel-Politikern. Neben Bundeskanzler Scholz wollen auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Familienministerin Lisa Paus sowie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt nach Erfurt kommen.

Zur Sache:
Der 103. Katholikentag im Internet: www.katholikentag.de 

 

Ein Katholikentag umringt von zahlreichen Wahlen
Eckhard Pohl
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Winfried Weinrich
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Fotos: Eckhard Pohl

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Die Wortgottesfeier ist zu Ende. Diakonatshelfer Winfried Weinrich und die Ministrantinnen stehen beim Schlusslied zwischen der Gemeinde.

Diakonatshelfer Winfried Weinrich aus Erfurt bezieht Gruppen der Gemeinde St. Wigbert in die Gestaltung von Wortgottesfeiern ein. Diesmal war der Kreis „Offene Kirche St. Wigbert“ an der Reihe.

„Menschen suchen Ruhe in unserer Kirche. Manche wollen sich einfach ein bisschen erholen vom Getümmel in der Fußgängerzone. Andere, die kommen, fühlen sich heimatlos, sind traurig oder aber auch dankbar. Einige wollen vielleicht ihrer Sehnsucht nach etwas Größerem Raum geben.“ So beschreibt Renate Krebs an diesem Sonntagvormittag Menschen, die ihr begegnen, wenn sie an einem Werktag durch ihre Anwesenheit die St.-Wigbert-Kirche am Erfurter Anger offen hält.

An diesem Sonntagmorgen gestaltet der Kreis „Offene Kirche St. Wigbert“ gemeinsam mit Diakonatshelfer Winfried Weinrich die Wortgottesfeier. Der Kirchort St. Wigbert gehört zur Erfurter Innenstadtpfarrei St. Laurentius. Renate Krebs hat ihre Erfahrungen gerade als Einstieg zur Predigt von Diakonatshelfer Weinrich geschildert. Zuvor, am Beginn des Gottesdienstes, hat Renate Schmidt, ebenfalls Kirchenöffnerin, bereits den Kreis „Offene Kirche“ kurz vorgestellt. Auch die beiden Lesungen haben Vertreter des Kreises übernommen, genauso wird es später mit den Fürbitten sein.

Renate Krebs
Diakonatshelfer Winfried Weinrich und Renate Krebs vom Kreis „Offene Kirche St. Wigbert“ während der Predigt in der Wortgottesfeier am Sonntag Laetare.

Winfried Weinrich hat für den Gottesdienst besondere Lesungen ausgewählt, um auf ihrem Hintergrund die Aufgaben der Kirchenöffner geistlich zu deuten. Das Johannes-Evangelium des heutigen vierten Fastensonntages über das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus nimmt er hinzu.

Im Alten Testament im ersten Buch der Könige bittet der junge König Salomo Gott um ein hörendes Herz. Ein solches hörendes Herz zu haben, so Diplom-Theologe Weinrich in seiner Predigt, sei ein erster Dienst, den die ehrenamtlichen Kirchenöffner leisteten und an dem es im übrigen in der gesamten Gesellschaft mangele. Im ersten Petrusbrief wird die Gemeinde aufgefordert, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“. Weinrich: „Es ist wichtig, Menschen Rede und Antwort zu stehen im Blick auf unseren Glauben.“ Dabei gelte es, das vom Evangelium zugesagte Leben überzeugend zu verkünden. „Die Ehrenamtlichen vom Kreis ,Offene Kirche St. Wigbert‘ mühen sich genau darum und halten Kirchtür, Herzen und den Himmel offen“.

Bereit, Gesprächspartner zu sein

Zehn Tage zuvor hatten sich sieben der rund 15 Mitglieder des Kreises am späten Nachmittag mit Winfried Weinrich getroffen, um die Wortgottesfeier vorzubereiten. Dabei hatten sie sich zunächst kurz vergewissert, wer und was ihnen bei ihrem Dienst begegnet und wie es ihnen ergeht, wenn sie jeweils für drei Stunden die alte Wigbert-Kirche offenhalten. Die meisten Besucher würden nur mal kurz reinschauen, hätten keine Fragen, sagte etwa Gisela Supianek. Manchmal käme es aber auch zu tieferen Gesprächen. Nicht selten würde nach den modern gestalteten Fenstern gefragt, sagte Gerd Schmidt. Und es kämen auch Menschen, die mit der Kirche etwas verbindet, die zum Beispiel hier geheiratet haben. „Die meiste Zeit aber“, so Schmidt weiter, „gilt es für uns Kirchenöffner, einfach in der Kirche auszuhalten.“

„Als Kirchort St. Wigbert ist es uns wichtig, dass möglichst viele aus der Gemeinde an der Gottesdienstgestaltung beteiligt sind“, sagte Diakonatshelfer Weinrich am Rande der Vorbereitung. Dazu hätten ja auch die Konzilsväter ausdrücklich eingeladen. „Je mehr Gemeindemitglieder sich beteiligen, um so mehr ist es unser Gottesdienst, den wir gemeinsam feiern. Für die Beteiligten ist es eine Chance, ihren Glauben und ihr Leben einzubringen.“ Gleichzeitig biete das die Möglichkeit, dass sich die Gruppen und Kreise aus der Gemeinde vorstellen. Im Advent etwa habe die Tansania-Gruppe die Wortgottesfeier mitgestaltet.

Parallel zur Wortgottesfeier sind an diesem Vormittag in St. Wigbert auch die „Kirchenmäuse“ der gesamten Innenstadtpfarrei St. Laurentius zu ihrem Gottesdienst versammelt. Zum Kommunionteil kommen die Kinder und Eltern jetzt mit in die Kirche und stellen sich rund um den Altar auf. Diakonatshelfer Weinrich begrüßt sie, lädt sie ein, nun in der ganzen versammelten Gemeinde mitzufeiern.

Nach Kommunion und Schlussgebet gilt es noch, Termine zu vermelden und zwei langjährige Leiterinnen von Kinder- und Jugendchor aus ihrer Aufgabe zu verabschieden. Stephan Schmidt vom Kirchortrat und selbst auch Kirchenöffner lädt Interessierte ein, doch gleich am Dienstag zum Kreis „Offene Kirche St. Wigbert“ dazuzukommen, wenn der Dienstplan für das Sommerhalbjahr erstellt wird. Nach Segen und Schlusslied geht die Wortgottesfeier schließlich zu Ende. Diakonatshelfer Weinrich und die drei Ministrantinnen ziehen aus der Kirche in die Sakristei.

„Gut, dass es Wortgottesfeiern gibt“

„Ich fand es gut, dass der Kreis ,Offene Kirche‘ die Wortgottesfeier mitgestaltet hat“, sagt im Anschluss Gemeindemitglied Katharina Rieneckert. „Im Gottesdienst kann sich jeder mit einbringen. Zugleich ist es eine Chance, den Einsatz der jeweiligen Gruppe zu würdigen“, so Rieneckert, die selbst einem der Familienkreise angehört. Auch wenn manche Gemeindemitglieder lieber an einer Messe teilnähmen, gebe es vor Ort keine Alternative. Angesichts des Priestermangels finden in St. Wigbert im wöchentlichen Wechsel Eucharistie- und Wortgottesfeiern statt. „Wir müssen uns dem Transformationsprozess stellen“, sagt Rieneckert. „Es ist toll, dass sich Gemeindemitglieder zu Diakonatshelfern ausbilden lassen und Wortgottesfeiern übernehmen.“

Gemeindegruppen bereiten in Erfurt Wortgottesfeiern vor
Pfarrer Marko Dutzschke
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Anstossbild
Ein Freund schrieb mir vor einiger Zeit von einem geistlichen Vortrag. Der Referent sprach über die Kirche und verwendete dafür das Bild der Baustelle. Das triggert mich total. Vor meiner Haustür gibt es seit Monaten eine Dauerbaustelle.

Pfarrer Marko Dutzschke
Pfarrer Marko Dutzschke
Lübbenau

Was der Freund im Brief über den Vortrag schreibt, ist anregend. Auf Baustellen muss man mit dem Vorläufigen leben und manchmal auch etwas (wieder) abreißen und dann weiter bauen. 

Um an dunklen Stellen arbeiten zu können, wird der entsprechende Bereich ausgeleuchtet. 

Besonders anregend in Bezug auf die Kirche finde ich den Hinweis, dass man auch einmal mit dem Denkmalschutz kämpfen muss, weil der nicht automatisch recht hat.

Das passt nicht nur zur Kirche. Die Baustelle ist das richtige Bild für unser ganzes Leben. Dabei ist Gott für mich der Architekt. Er kennt seinen Plan in- und auswendig. Manchmal hakt es hier und da, weil das Material fehlt oder die Arbeiter streiken. Als guter Architekt hält Gott das aus.

Ich bewundere Architekten, die mit Beharrlichkeit und Ruhe Widerstände und Rückschläge aushalten, weil sie ihr Ziel vor Augen haben. Ich glaube, so ist Gott. Er hat sein Ziel vor Augen und verfolgt es beharrlich und ruhig.

Das macht mir Mut, wenn ich sehe, wie wir in der Kirche um die Zukunft ringen. Und das macht mir Hoffnung, wenn ich an die Veränderungen in unserem Land denke, die so viele Menschen auf die Straße treiben.

Egal, ob wir gerade fuschen oder streiken, Gottes Ziel bleibt unser Leben. Darum dürfen wir Auferstehung feiern. Halleluja!

Antstoß 13/2024
Holger Jakobi
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Rosenkranz für den Frieden
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Foto: Holger Jakobi

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Die Kinder der Görlitzer Pfarrei Heiliger Wenzel beten gemeinsam den Rosenkranz.

Jeden Sonntag treffen sich Familien in der Görlitzer Pfarrkirche Heilig Kreuz zum Rosenkranz für kleine Kinder. Initiatorin Malgorzata Schubinski kennt das Gebet seit ihren Kindheitstagen. Sie möchte die kleinen Christen von heute für den Rosenkranz begeistern.

„Ich bete um Frieden“, sagt Judith. Und Nataniel fügt hinzu: „Ich bete für alle, die ein ,Aua‘ haben, es soll kein ,Aua‘ mehr geben.“ Die Kinder aus der Pfarrei Heiliger Wenzel in Görlitz machen mit beim „Rosenkranz für kleine Kinder“. Dieser findet jeden Sonntag in der Pfarrkirche Heilig Kreuz in der Struvestraße für alle ab drei Jahren statt. Eine Altersobergrenze gibt es nicht, jedes Kind ist eingeladen und kann mitbeten.

Nach der Messe versammeln sich zirka 20 Kinder und ihre Eltern beim Bild der Gottesmutter von Tschenstochau. Sie sind ausgelassen und einige toben herum. Eine Mutter fragt, ob alle einen Rosenkranz haben. Sie hat einige dabei und könnte aushelfen. Schließlich wird es ruhiger. Manche Kinder gehen zum Beten und nehmen auf einem der Hocker vor dem Gnadenbild Platz, andere Kinder schauen mit etwas Abstand zu.

Bereicherung des Glaubenslebens

Die Initiative für den „Rosenkranz für kleine Kinder“ kommt von Malgorzata Schubinski. „Ich hatte mich einfach in der Verantwortung gefühlt, den Rosenkranz zu beleben“, betont sie. Die Mutter von drei Kindern möchte helfen, dass die Mädchen und Jungen früh mit dem Gebet vertraut werden. Beim Beten kniet sie neben den Kindern. Malgorzata Schubinski beginnt mit einer kleinen Katechese. In einem polnischen Kinderbuch findet sie dafür Anregungen. Inhaltlich geht es heute um die Geiselung Jesu. Dem schließt sich das entsprechende Gesätz des Rosenkranzes an – ein Vaterunser und zehn Ave Maria. Damit endet die Gebetszeit.

Manchmal jedoch, wenn die Kinder gut ausgeruht sind oder sie Sorgen bewegen, beispielsweise ein „Aua“, möchten sie noch ein zweites Gesätz beten. „Die Kindern entscheiden“, sagt Malgorzata Schubinski. Zudem machte sie die Erfahrung, dass sich die Kinder gerne auf den Rosenkranz einlassen.

Bei ihrem Sohn Nataniel hat Malgorzata Schubinski das Interesse auf jeden Fall geweckt, er war schon Vorbeter. Nun möchte sie Woche für Woche auch andere Kinder für den Rosenkranz begeistern, ihn weitergeben. „Persönlich habe ich ihn immer als ein Geschenk im Leben gesehen, ein Geschenk, das sich teilen lässt.“

Ihre Leidenschaft für das Gebet stamme aus früher Kindheit. „Meine Geschwister und ich sind in einem polnischen Dorf aufgewachsen. Der Rosenkranz gehörte zum Leben dazu“, erzählt sie. Zudem spüre sie, dass von diesem Gebet eine Kraft ausgehe: „Ich weiß mich an der Seite der Gottesmutter beschützt, erfahre Begleitung und finde Antworten auf meine Fragen.“

Auch Esther Starre ist froh über die Gebetszeit. Sie gehört mit ihrer Familie ebenfalls zur Pfarrei Heiliger Wenzel. „Ich finde es gut, die Kinder an den Rosenkranz heranzuführen. Sie lernen das Gebet kennen und erfahren Gemeinschaft.“ Dass die Kinder nur ein Gesätz beten, ist für Esther Starre kein Problem. „Das ist besser als gar keins. Auch Erwachsene finden sicher die Zeit, so eine kleine Gebetseinheit in den Alltag einzubauen.“

In Görlitz lernen Kinder den Rosenkranz
Stefan Schilde
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Julia Geßner im Hospiz
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Fotos: Stefan Schilde

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Für den Hauskreis ihrer Kirchgemeinde hat Julia Geßner ein „Glücksglas“ gestaltet. Dort hinein kommen die Zettel, auf denen die Mitglieder schreiben, was Glück für sie bedeutet.

Seit Januar wohnt die 60-jährige Julia Geßner im Dresdner Marienhospiz. Hoffnung auf Heilung ihrer schweren Krebserkrankung besteht für sie keine mehr. Wie die Christin ihren Frieden gefunden hat – und worauf sie sich für die Zeit nach dem Tod freut.

Eigentlich hat Julia Geßner mit ihren 60 Jahren noch einiges vorgehabt. Gerade hatte sie gelernt, das Bariton zu spielen. „Das ist eine Art kleine Tuba“, erklärt die Dresdnerin. „Darauf spielen zu lernen, fiel mir so leicht, dass ich im Mai mit dem Posaunenchor Dittersbach zum Posaunentag nach Hamburg mitgefahren wäre.“ Auch tanzt sie für ihr Leben gern: Standard, Latein und irischen Volkstanz. Mit ihrer Gruppe „Irish Feet Dresden“ nahm sie an Meisterschaften teil.Vielleicht wäre sie bald ausgewandert, zusammen mit ihrem Ehemann. Nach Finnland, das sie oft zusammen bereisten. „Mit dem Auto bis an die russische Grenze, von dort mit dem Motorboot über den Saimaa-See auf eine der Inseln. Ohne Strom, ohne fließend Wasser, nur mit den Reichtümern der Natur vor der Haustür. Das war unser Traum“, sagt sie. Bei den letzten vier Reisen war immer ihre ältere Enkelin dabei.

Künftig werden ihr Mann und ihre Enkelin den Trip ohne sie antreten. Denn Julia Geßner ist sterbenskrank. Der Krebs hat ihren Körper zerfressen, so sehr, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist. Jeden Tag könnte es für sie so weit sein. Doch Julia Geßner ist verblüffend ruhig.

Frau Geßner
Julia Geßner spielt gern auf der Zungentrommel, die ihr Sohn ihr mitgebracht hat.

„Manche Erkenntnisse hätte ich ohne den Krebs nicht erlangt“

Seit ihre Krankheit immer schlimmer wurde, blickt sie anders auf ihr Leben zurück. „Es mag blöd klingen“, sagt die gelernte Altenpflegerin, die später auf Kauffrau im Gesundheitswesen umsattelte, „aber manche Erkenntnisse hätte ich ohne den Krebs nicht erlangt. Nun denke ich öfter: Was habe ich im Leben nicht alles geschafft?“ Sie ist dankbar für ihre beiden Söhne, ihre Enkel, ihre vielen Freunde und ihre evangelische Kirchgemeinde im Dresdner Vorort Schönfeld-Weißig. „Und für meinen liebevollen Mann. Mit ihm habe ich in letzter Zeit viele Dinge, die offen waren, aufräumen können. Das hat mir gutgetan.“

Seit Ende Januar ist Julia Geßner im katholischen Marienhospiz. Als ihr ein Platz angeboten wurde, sagte sie sofort zu. „In den vergangenen acht Monaten musste mein Mann alles allein stemmen. Es war sehr belastend.“ Hier im Hospiz fühlt sie sich gut aufgehoben. „Die Menschen sind liebevoll, nehmen sich viel Zeit für mich. Wenn ich nachts wach liege, bringen sie mir einen warmen Kakao, bereiten mir ein Fußbad oder verpassen mir eine Rückenmassage.“

Schmerzen hat sie keine. Aber sie muss viel vom Bett aus machen. Sie schmückt Gläser, bastelt bei der Ergotherapie Lampen oder spielt auf der Zungentrommel, die ihr Sohn ihr mitgebracht hat. Neulich hat sie eine Andacht begleitet. „Schwester Aurelia von den Elisabethschwestern hat einen Text gelesen und ich habe dazu meditative Klänge gespielt“, erzählt sie. Demnächst will sie es auf der Querflöte versuchen. „Ich sage mir: einfach mal ausprobieren.“

Aber sie musste auch lernen, auf ihren Körper zu hören. Vor kurzem ist sie gestürzt. Seitdem ist sie in Vollzeitpflege, die Mitarbeiter helfen ihr beim Waschen und Anziehen. „Es war die richtige Entscheidung. Die Kraft und Zeit, die ich dabei spare, kann ich für schöne Dinge nutzen.“ Sie schaut in ihren gut gefüllten Terminkalender. Ihre Familie und Freunde besuchen sie oft. Demnächst kommt auch der Hauskreis ihrer Kirchgemeinde vorbei. Gemeinsam wollen sie erörtern, was Glück bedeutet. Julia Geßner hat ein leeres Marmeladenglas dekoriert. „Da hinein kommen die Zettel, auf die wir schreiben, was Glück für uns heißt.“

Beerdigung ist organisiert
Kuschelhasen für die Kinder liegen bereit

Für die Zeit, wenn sie stirbt, hat Julia Geßner schon alles geregelt. Ihre Familie wird bei ihr sein. „Mein Mann und meine Söhne werden hier abwechselnd auf dem Sofa schlafen.“ Auch wie ihre Beerdigung ablaufen wird, steht fest. „Irgendwo auch schön“ fand sie es, sich mit all dem zu beschäftigen. Für jedes Familienmitglied hat sie ein passendes Trauerbuch gekauft und einen Brief geschrieben. Die Kinder bekommen Kuscheltierhasen. „Damit sie was zum Kuscheln haben, wenn sie nach dem Trauergottesdienst zum Grab laufen“, sagt Julia Geßner.

Von einer Freundin hat sie ein Buch zum Psalm 23 bekommen. Die Verse sind illustriert. Ihr Lieblingsbild: eine grüne Aue, durch die ein Bächlein fließt. So stellt sich Julia Geßner das Leben nach dem Tod vor. „Dort ist Frieden, dort bin ich gesund. Ich liege in der warmen Sonne, die Schmetterlinge setzen sich mir auf die Nase und mir geht’s gut.“ Das Licht, das auf dem Bild zu sehen ist, steht für sie für Gott.

Ihren Weg in die Kirche fand sie, da war sie 28 Jahre alt. „Mein jüngerer Sohn erlitt bei einem Fahrradunfall schwerste Kopfverletzungen. Nachdem er vollständig genesen war, wusste ich: Jetzt lassen wir uns taufen“, erzählt Julia Geßner. Ihre Beziehung zu Gott beschreibt sie als intensiv, ihren Glauben als fest. „Ich habe auch mal Wutsalven losgelassen. Aber ich hinterfrage Gott nicht, nehme alles als gegeben hin. Mein Mann und ich uns haben uns immer getragen gefühlt, von Gott und unserer Gemeinde.“

Sie ist gespannt, ihren Opa und ihren Bruder kennenzulernen, die vor ihrer Geburt starben. „Im Endeffekt freue ich mich auch darauf. Ich bin ein zähes Huhn, aber ich habe schon überlegt, ob aufgeben soll. Doch wenn mein Mann mich ansieht, dann fällt es mir schwer. Obwohl er immer sagt: Du entscheidest, wann du loslässt, und ich werde da sein.“ Vorher möchte sie unbedingt noch mal raus, mit ihm spazieren gehen. „Und wenn es dann wirklich so weit ist“, sagt Julia Geßner, „dann sollen die da unten leben – und bitte nicht gleich nachkommen.“


Zur Sache

Das Marien-Hospiz Dresden gehört zum St. Joseph-Stift Dresden, einer Einrichtung des Elisabeth Vinzenz Verbundes – einer Gemeinschaft katholischer Krankenhäuser, die für Qualität und Zuwendung in Medizin und Pflege stehen. Hier werden schwerstkranke und sterbende Menschen sowie ihre Nahestehenden seit 2020 individuell und bedürfnisorientiert von einem multiprofessionellen Team begleitet.
Hospizarbeit wird getragen durch die Idee einer fürsorglichen Gesellschaft – und ist ohne Spenden nicht denkbar. Mehr über das Marien-Hospiz Dresden und die Möglichkeiten zur Unterstützung erfahren Sie hier: www.marienhospiz-dresden.de

 

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