Essay

Katholisch sein heißt ökumenisch sein

Katholisch sein heißt ökumenisch sein. Eine Aussage, die für mich als Beauftragter für Ökumene in unserem Bistum zur Grundmotivation meines Handelns geworden ist und mich so die Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils aufnehmen und weiterführen lässt. Denn ich erlebe es in den unterschiedlichsten ökumenischen Begegnungen immer wieder, dass bereits die Gegenwart anderer christlicher Konfessionen, gemeinsames Beten oder auch Studium, die bereits bestehende Einheit bewusster werden lässt. Die Vielfältigkeit und Buntheit des christlichen Glaubens scheint auf und bringt mich selbst über das hinaus, was ich als Christ zu leben versuche.

In der Vorbereitung und Durchführung des Standes „Ökumene in der Mitte“ beispielsweise, der auf Katholiken- und Kirchentagen zwei katholische Bistümer und zwei evangelische Landeskirchen vorstellt, habe ich ein befruchtendes und durchdringendes Miteinander erfahren. Von einem Stand, bei dem sich die vier Kirchen anfänglich je in einer Ecke vorgestellt haben, ist ein Stand geworden, der die gemeinsame Mitte – Christus – präsentiert und von dort her unterschiedliche christliche Lebensvollzüge aufgreift und darstellt. Dabei geht es nicht mehr um Selbstdarstellung und Profilierung auf Kosten anderer. Es geht um das Christsein in der Welt unserer Tage vom Evangelium her im Blick auf die Menschen.

Trennungsmauern sind überwunden oder sehr klein geworden. Schätze, die sich in jeder christlichen Konfession lebendig vollziehen, werden von den Beteiligten mit Wertschätzung entdeckt und wahrgenommen und erweitern vielfach das eigene Christsein.
Ökumene in der Mitte: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff, rätselt sich durch ein Ökumenequiz (linkes Bild). Der Ökumenebeauftragte des Bistums Magdeburg, Ralf Knauer, im Gespräch mit Katholikentagsbesuchern (rechtes Bild).
Katholisch sein heißt ökumenisch sein. Diese Aussage scheint allerdings noch längst nicht alle Herzen erfasst zu haben. Oftmals erlebe ich Reserviertheit, ja sogar Ablehnung hinsichtlich des ökumenischen Gedankens. Dann spüre ich Ängste vor Vereinnahmung oder Verlust von Gewohntem. Und der Eindruck, dass auch Machtkalkül eine Rolle spielt, drängt sich auf. Mancherorts ist ökumenisches Miteinander eher ein Anhängsel, das zusätzlich Arbeit hervorruft oder eine Sonderstellung anlässlich von Jubiläen oder Krisensituationen hat. Die Frage nach dem Sinn von Ökumene steht plötzlich im Raum. Vielfach ist die spürbare, organisch zum Leben und Wirken gehörende Ökumene, die das Miteinander durchdringt, noch längst nicht fruchtbringende Realität.
 
Wesen des katholischen Glaubens: Grenzen überschreiten

Dabei gehört zum Wesen des katholischen Glaubens - wenn er nicht konfessionell eng geführt wird - dass er die Grenzen der eigenen Wahrnehmung von Kirche und Welt überschreitet, ja dass er weiter geht, über das Bisherige hinaus! Katholisch, von griech. katholikos d.h. allumfassend, bezeichnet die Aspekte der Ganzheit, Vollständigkeit und Fülle im Sinn einer organischen, allgemeinen Einheit. Die Theologie der Kirchenlehrer/innen war von diesem Denken über den eigenen Horizont hinaus durchdrungen. Der letzte katholische Bischof von Zeitz, Julius Pflug (1499-1564), ist ein Beispiel par excellence dafür.
Julius von Pflug (1499-1564) war der letzte katholische Bischof der Diözese Naumburg. Auf Ausgleich bedacht sah er sich als Vermittler zwischen den Konfessionen und war an den entscheidenden Entwicklungen zur Reformationszeit beteiligt.

Mit der Ausstellung "Dialog der Konfessionen. Bischof Julius Pflug und die Reformation" würdigen die Vereinigten Domstifter in Kooperation mit der Stadt Zeitz, dem Bistum Magdeburg und der EKM den Theologen als zentrale katholische Persönlichkeit der Reformationsgeschichte.
Ausstellungseröffnung ist im Juni 2017.
Besonders auch das Zweite Vatikanische Konzil lebte von diesem allumfassenden Denken und manifestierte es in der Anwesenheit von Bischöfen aus allen Erdteilen der Welt.

Ökumene gehört genuin zur katholischen Kirche
 
Deutlich wird, dass das Einbeziehen der Oikumene, der ganzen bewohnten Erde, genuin zum Wesen der katholischen Kirche gehört. Im Ökumenismusdekret wurde deshalb programmatisch ein Ja zur ökumenischen Bewegung formuliert. In der Konsequenz hatte dies Auswirkungen auf alle anderen wichtigen Konzilstexte.
Die ökumenische Bewegung ist, „unter der Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes“ (UR 1), Ausdruck des Strebens der einen Kirche Jesu Christi nach einer tieferen Verwirklichung ihrer Katholizität, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21).

Papst Johannes Paul II. formulierte deshalb 1995 in der Ökumeneenzyklika, „Ut unum sint“: „Mit dem zweiten Vatikanischen Konzil hat sich die katholische Kirche unumkehrbar dazu verpflichtet, den Weg der Suche nach der Ökumene einzuschlagen und damit auf den Geist des Herrn zu hören, der uns lehrt, aufmerksam die ‚Zeichen der Zeit‘ zu lesen“ (UUS 3).
Weiter hält er fest: „Das Zweite Vatikanische Konzil bringt die Entschlossenheit der Kirche zum Ausdruck, die ökumenische Aufgabe zugunsten der Einheit der Christen anzunehmen und sie mit Überzeugung und Entschiedenheit voranzutreiben…“(UUS 8).
 
Konsequenzen
 
So begegnet das Konzil den anderen christlichen Konfessionen mit Wertschätzung, hebt ihre Bedeutung im Heilshandeln Gottes hervor und unterstreicht die Notwendigkeit der Einheit der Kirche in Bezug auf ihre Sendung, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden.
Weitere Konsequenzen im Blick auf dieses Erbe und den ökumenischen Auftrag des Konzils klingen in folgenden Punkten an, die auch in der Schrift „Ökumenisch weiter gehen!“ von Michael Kappes und Johannes Oeldemann (Hg.) aufgeführt sind. Ökumene heißt dort weiter: Austausch von Gaben des Geistes, die in anderen Kirchen zu finden sind; Wertschätzung der anderen als Geschwister und Freunde; gemeinsames Zeugnis des Glaubens für Christus über die institutionellen Grenzen der verfassten Kirche hinweg und anderes mehr. Ökumene ist ein Prozess im Leben der Kirche und geschieht in Begegnung und Gespräch, im Beten und Handeln. Ökumene in dieser Art und Weise lässt ahnen, was Christsein eigentlich bedeutet. Formen und Wege eröffnen sich, die auf ein Leben in Fülle in der Beziehung zu Gott und den Menschen hinzielen.
 
Ökumenismus: Nicht nur ein Anhängsel
 
Zum bleibenden Auftrag des Konzils zählt es folglich, unseren christlichen Glauben „ökumenisch“ zu leben, d.h. die Gemeinschaft der Christen in allen Lebensvollzügen der Kirche wirksam und spürbar werden zu lassen.
Ökumenismus - die Bewegung für die Einheit der Christen - ist, so formuliert es das Konzil, „nicht bloß irgendein ‚Anhängsel‘“, „das der traditionellen Tätigkeit der Kirche angefügt wird. Im Gegenteil, er gehört organisch zu ihrem Leben und zu ihrem Wirken und muss infolgedessen dieses Miteinander durchdringen…“ (UUS 20).

Machen wir ernst mit unserem Katholisch sein und so mit unserem Ökumenisch sein!

Ralf Knauer
Ökumenebeauftragter im Bistum Magdeburg

Ralf Knauer

ist 1966 in Magdeburg geboren. Der Theologe und Gemeindereferent ist seit 20 Jahren in Bistum, Gemeinde und Schule tätig. Im Jahr 2013 wurde er zum Bistumsbeauftragten für Ökumene ernannt. In diesem Dienst arbeitet er z.B. mit ökumenischen Partnern anderer Konfessionen in der ACK Sachsen-Anhalt zusammen. In seiner Freizeit ist er gern in der Natur per Rad, per Faltboot oder per pedes unterwegs und findet Freude als Modellbahner.

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Newsletter des Fachbereichs Pastoral in Kirche und Gesellschaft

im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg

(Ausgabe November 2016)
Bilder: Karikatur © NEL / Ioan Cozacu,
Ökumene in der Mitte + Portrait: © Ralf Knauer 
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