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Bischofskonferenz

Nr. 116 Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge 2006

Liebe Brüder und Schwestern!

Vor nunmehr 40 Jahren fand das II. Vatikanische Konzil seinen Abschluss, dessen reiche Lehre sich auf viele Gebiete des kirchlichen Lebens auswirkt. Besonders die Pastoralkonstitution Gaudium et spes hat die komplexe Realität der heutigen Welt eingehend untersucht und Wege erkundet, die Botschaft des Evangeliums zu den Menschen von heute zu bringen. Mit diesem Ziel vor Augen sind die Konzilsväter der Aufforderung des seligen Johannes XXIII. nachgekommen und haben nach den Zeichen der Zeit geforscht, um sie im Licht des Evangeliums zu deuten und so den nachfolgenden Generationen eine angemessene Antwort zu ermöglichen auf die bleibenden Fragen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach der rechten Gestaltung der sozialen Beziehungen (vgl. Gaudium et spes, 4). Zu den Zeichen der Zeit, die heute festzustellen sind, gehört mit Sicherheit die Migration, ein Phänomen, das im Laufe des vor kurzem zu Ende gegangenen Jahrhunderts sozusagen strukturelle Gestalt angenommen hat und zu einem wichtigen Kriterium des Arbeitsmarktes auf weltweiter Ebene geworden ist, unter anderem infolge des starken Anstoßes, den es durch die Globalisierung erhalten hat. Natürlich fließen in diesem »Zeichen der Zeit« verschiedene Bestandteile zusammen. Es umfasst nämlich sowohl innerstaatliche als auch staaten-übergreifende Migration ebenso wie zwangsweise und freiwillige, legale und illegale Migrationsbewegungen, die auch der Plage des Menschenhandels unterworfen sind. Nicht vergessen werden soll auch die Kategorie der im Ausland Studierenden, deren Zahl weltweit jährlich ansteigt.

Im Hinblick auf die Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen emigrieren, verdient die jüngste Entwicklung der »Feminisierung« des Phänomens Erwähnung, also einer ständig wachsenden Anzahl von Frauen unter ihnen. Tatsächlich emigrierten in der Vergangenheit vor allem Männer. Wenn auch Frauen dabei nie fehlten, so emigrierten diese damals jedoch vor allem, um ihre Väter oder Ehemänner zu begleiten oder um dorthin nachzukommen, wo diese sich bereits aufhielten. Auch wenn dies heute noch oft der Fall ist, wird die Emigration der Frauen doch tendenziell immer mehr zu einem eigenständigen Phänomen: Die Frau überschreitet allein die Grenzen ihrer Heimat auf der Suche nach Arbeit im Ausland. Nicht selten sind Migrantinnen sogar zur Haupteinnahmequelle für ihre Familien geworden. Faktisch lässt sich die Anwesenheit von Frauen vor allem in Niedriglohnsektoren beobachten. Wenn also die Arbeitsmigranten sich in einer besonders schwachen Position befinden, dann gilt dies in besonderem Maße für die Frauen unter ihnen. Die Frauen sind außer als Haushaltshilfen vor allem in der Alten- und Krankenpflege und im Hotelgewerbe tätig. Auch in diesen Bereichen müssen die Christen sich für eine gute Behandlung der Migrantinnen einsetzen und dafür sorgen, dass sie als Frauen respektiert werden und die gleichen Rechte genießen.

In diesem Zusammenhang seien der Menschen- und vor allem der Frauenhandel erwähnt, der dort besonders ausgeprägt ist, wo es kaum Möglichkeiten zur Verbesserung der eigenen Lebensumstände gibt oder wo es ums bloße Überleben geht. Es wird dem Händler ein leichtes Spiel sein, den Opfern seine »Dienste« anzubieten, wobei diese oft nicht im Geringsten ahnen, was ihnen bevorsteht. Manchmal ist es das Schicksal der Frauen und Mädchen, dann als Arbeitskräfte ausgebeutet und beinahe zu Sklavinnen zu werden, nicht selten auch in der Sexindustrie. Auch wenn ich hier keine genauere Untersuchung der Folgen einer solchen Migration vornehmen kann, schließe ich mich Johannes Paul II. an, der »die verbreitete, von Genusssucht und Geschäftsgeist bestimmte Kultur, die die systematische Ausbeutung der Sexualität fördert« (Brief an die Frauen, 29. Juni 1995, 5), verurteilte. Es handelt sich hierbei um ein weites Betätigungsfeld zur Erlösung und Befreiung, dem die Christen sich nicht entziehen können.

Im Hinblick auf die andere Kategorie der Migranten, die Asylbewerber und Flüchtlinge, möchte ich ins Bewusstsein rufen, dass man sich im Allgemeinen bei dem vordergründigen Problem ihrer Einwanderung aufhält, ohne sich dabei nach den Gründen ihrer Flucht aus der Heimat zu fragen. Die Kirche blickt auf diese Welt des Leidens und der Gewalt mit den Augen Jesu, der Mitleid hatte, als er die vielen Menschen sah, die umherirrten wie Schafe, die keinen Hirten haben (vgl. Mt 9,36). Hoffnung, Mut, Liebe und auch die »Phantasie der Liebe« (Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 50) müssen der Antrieb sein für den notwendigen menschlichen und christlichen Einsatz zur Unterstützung dieser leidgeprüften Brüder und Schwestern. Die Kirchen, aus denen sie kommen, werden es nicht an Fürsorge fehlen lassen und werden ihnen Helfer senden, die ihre Sprache sprechen und ihrer Kultur angehören, im Dialog der Nächstenliebe mit den Teilkirchen der Aufnahmeländer. Im Licht der heutigen »Zeichen der Zeit« verdient abschließend das Phänomen der Auslandsstudenten besondere Beachtung. Ihre Zahl ist ständig im Wachsen begriffen, wozu auch der »Austausch« zwischen den verschiedenen Universitäten, besonders innerhalb Europas, beiträgt. Hieraus erwachsen Probleme auch pastoraler Art, die die Kirche nicht außer Acht lassen kann. Dies gilt besonders für Studenten, die aus Entwicklungsländern kommen und für die ihre Universitätszeit eine außergewöhnliche Gelegenheit sein kann, geistliche Bereicherung zu erfahren.

Ich rufe den göttlichen Beistand auf alle Menschen herab, die einen Beitrag leisten möchten zur Förderung einer Zukunft der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt und die aus diesem Wunsch heraus ihre Kräfte in den pastoralen Dienst an der menschlichen Mobilität stellen, und erteile allen als Unterpfand meiner Zuneigung meinen besonderen Apostolischen Segen.

Vatikanstadt, 18. Oktober 2005

BENEDICTUS PP. XVI

Nr. 117 Gemeinsames Wort zur Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche 2006

„Miteinander Zusammenleben gestalten“
Es ist heute weithin gemeinsame Überzeugung, dass die Integration von Migranten eine gesellschaftliche und politische Schlüsselaufgabe darstellt. Integration ist ein vielschichtiger und wechselseitiger Prozess. Er fordert Zuwanderer und Aufnahmegesellschaft gleichermaßen heraus. Gefragt ist dabei nicht nur der Gesetzgeber; auch die Kirchen und die vielen gesellschaftlichen Gruppen sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefordert.

Tatsächlich sind in der Gestaltung des Zusammenlebens zwischen einheimischen und zugewanderten Menschen wichtige Schritte erst noch zu gehen. Dramatische Vorgänge der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass die erhoffte rechtliche und soziale Integration in vielerlei Hinsicht noch nicht gelungen ist. Doch zugleich wird Menschen, die in hohem Maß integriert sind, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht vorenthalten. In dieser Spannung begehen wir die Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche 2006. Sie ruft uns dazu auf, in neuer Weise über unsere Gesellschaft und über das Zueinander von Einheimischen und Zugewanderten nachzudenken.

Dabei bleibt es nicht aus, einen Blick auf die Wirkungen des Zuwanderungsgesetzes von 2005 zu werfen. Dieses Gesetz sollte die Integration voranbringen und den längst überfälligen Perspektivwechsel von einer vornehmlich auf Abwehr ausgerichteten hin zu einer konstruktiven und pragmatischen Migrationspolitik einleiten. Die vorläufige Bilanz fällt jedoch insgesamt ernüchternd aus. Dies betrifft insbesondere die angekündigte, aber nicht erreichte Abschaffung der so genannten Kettenduldungen. Sowohl unter dem Integrationsaspekt als auch unter humanitären Gesichtspunkten ist es bedauerlich, dass für diese Personengruppe noch keine befriedigende Lösung erreicht worden ist. Wir werden uns deshalb weiterhin für eine Regelung einsetzen, die den Betroffenen unter realistischen Bedingungen ein Bleiberecht einräumt.

Zu beobachten ist zudem nach wie vor eine Abschiebepraxis, die humanitären Belangen nicht zureichend Rechnung trägt und selbst solche Menschen erfasst, die sich bereits gut in unsere Gesellschaft integriert haben. Abgeschoben werden auch Familien, deren Kinder hier aufgewachsen oder geboren sind. Es sind ebenfalls Jugendliche nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres von der Abschiebung betroffen, obwohl ihre Familien ein Bleiberecht haben. So werden Familien getrennt. Mehr noch: Bei der geplanten Reform des Zuwanderungsgesetzes soll das Nachzugsalter von Ehegatten auf 21 Jahre heraufgesetzt werden, und sie sollen vor ihrer Einreise auch dann deutsche Sprachkenntnisse vorweisen müssen, wenn sie diese in ihrer Heimat gar nicht erwerben konnten. Mit dem Schutz von Ehe und Familie ist dies kaum vereinbar. Zwangsehen, deren Bekämpfung dringend erforderlich ist, werden sich mit diesen Regelungen kaum verhindern lassen. Durch solche Entwicklungen droht vielmehr der gesellschaftliche Konsens, der dem Zuwanderungsgesetz zu Grunde lag und durch das Gesetz gefestigt werden sollte, wieder in Frage gestellt zu werden.

Als Kirchen sind wir darum bemüht, sowohl im eigenen Bereich als auch in die Gesellschaft hinein Anstöße für ein gelingendes Zusammenleben mit den Zugewanderten zu geben und uns den immer wieder zu Tage tretenden Tendenzen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt in unserer Gesellschaft gemeinsam zu widersetzen. Sie ist unabhängig von gesellschaftlichen Bewertungsmaßstäben und nicht an Bedingungen geknüpft.

In vielen Gottesdiensten und Veranstaltungen innerhalb der diesjährigen „Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche“ werden solche Fragen und Probleme aufgegriffen. Auch gelungene Beispiele für die Integration in dieser Gesellschaft kommen zur Sprache. Wir hoffen, dass von den zahlreichen Begegnungen in der Aktionswoche ermutigende Impulse und Signale ausgehen, die das Zusammenleben von Einheimischen und Zugewanderten fördern und die nötigen Reformen in der Zuwanderungspolitik voranbringen. Wir hoffen auf eine rege Beteiligung und erbitten Gottes Segen für alle Menschen.

Karl Kardinal Lehmann
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Metropolit Augoustinos
Griechisch-Orthodoxer Metropolit von Deutschland

(Die Woche der ausländischen Mitbürger findet statt vom 24. bis 30. September 2006; sie wird am 22. September 2006 in Osnabrück eröffnet. Um 17:00 Uhr findet im Dom zu Osnabrück ein Ökumenischer Gottesdienst mit Bischof Dr. Bode, Landesbischöfin Dr. Käßmann und Metropolit Augoustinos statt.)

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