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Gebe Gott uns Vernunft

Via Crucis – Weg des Kreuzes durch Magdeburg zu Zeiten des Krieges

Traditionell lädt die Arbeitsgemeinschaft Christen in Magdeburg an Palmsonntag zu einem ökumenischen Kreuzweg durch die Stadt Magdeburg ein. Nach über einem Jahr Krieg in der Ukraine waren mehr als 350 Menschen dieser Einladung gefolgt.

„Wir sind diesen Weg gegangen“, sagte Mitorganisator Diakon Wolfgang Gerlich zum Ende des Via Crucis im Dom. „Wieder einmal. Fast eine gute Tradition ist er geworden. Und doch ist er in diesem Jahr anders, dieser Kreuzweg. Die Gefährdung der Welt, die Zerbrechlichkeit des Friedens, die Anfälligkeit des gesellschaftlichen Miteinanders spüren wir so direkt wie wohl seit vielen Jahrzehnten nicht. 90 Jahre nach einem „Ermächtigungsgesetz", mit dem die Nazis alle Regeln eines demokratischen Miteinanders aushebelten und von da an nicht nur Deutschland in den Abgrund rissen. Unfassbare 50 Millionen Menschenleben kostete der 2. Weltkrieg. Wir erleben das Stöhnen der gesamten Schöpfung unter der Last eines unverantwortlichen und gierigen Umgangs der Menschheit mit ihr und wir müssen mit ansehen, wie Krieg und Zerstörung seit über einem Jahr zum Alltag in der Ukraine geworden sind. Das macht Angst, das macht unsicher, vielleicht auch wütend.“

Schweigend trugen die Kreuzträger das Kreuz weiter zum Barlachmahl. „zu jenem Ort, der an das Leiden des Krieges erinnert, an die totbringende und wahnsinnig machende Normalität des Tötens, an die Hilflosigkeit der Verzweifelten und Trauernden. Wir wollen dieses Kreuz dorthin tragen, dass es sich spiegeln kann im Kreuz jenes Mahnmales“, so Gerlich. Dieses Mahnmal wurde nach dem 1. Weltkrieg geschaffen, den 2. Weltkrieg hat es in einer Scheune verbracht, weil die Kunst entartet galt. „Wir stehen hier. Gebe Gott uns Vernunft, damit wir uns nicht in einen 3. Weltkrieg verführen lassen.“

Der Kreuzweg startete in diesem Jahr am Magdeburger Reiter. Kathedralpfarrer Daniel Rudloff fragte zu Beginn des Via Crucis, der mehr als eine „fromme Demo" sei: „Hat das etwas mit uns zu tun, mit dem Versuch als Christ zu leben? Was kann das Kreuz den Menschen in unserer Stadt heute sagen? Ist es ein Zeichen von Macht und Größe, ist es ein Zeichen einer unattraktiv gewordenen Geisteshaltung, ist es das Relikt eines verblichenen Glaubens oder ist bloß ein Stück Holz, dessen Träger bestenfalls belächelt werden? Oder tragen wir auch das Kreuz eigener Schuld und eigenen Versagens, der eigenen Gottes- und Menschenferne durch die Stadt?“

Inmitten von Krieg in Europa könnte man doch nicht „einfach mir nichts dir nichts" durch die Straßen gehen mit diesem Kreuz, so wie immer! „In diesem Jahr jährte sich zum 90. Mal die sogenannte „Machtergreifung" der Nationalsozialisten. Ein Anlass, darüber nachzudenken, wie empfindlich und angreifbar eine Demokratie ist. Und da ist der Krieg in der Ukraine, der noch immer tobt, das Leben von Menschen frisst, uns letztlich in Herz und Seele trifft, traurig macht, vielleicht auch wütend, letztlich ratlos. Ja, in dieser Situation tragen wir das Kreuz durch unsere Stadt, weil wir glauben, dass es zu dieser Stadt gehört, dass es ein Zeichen für jene Hingabe Gottes ist, die in unserer Welt wirklich etwas verändert hat und verändern kann“, so Rudloff.

An der Prozession vom Alten Markt zur Johanniskirche, Johanniskirche, über den Prämonstratenserberg hin zum Magdeburger Dom nahmen auch Landesbischof Friedrich Kramer und Bischof Dr. Gerhard Feige teil sowie Superintendent Stephan Hoenen und Vertreter der Freikirchen und der orthodoxen Kirchen.

(sus; Fotos: Sperling)

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