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Äbtissin Assumpta zur Eröffnung des Gertrud-Jahres im Kloster Helfta

Luterhstadt-Eisleben (pbm) - Bischof Leo Nowak hat am 17. November im Kloster St. Marien zu Helfta das Gertrud-Jahr des Bistums Magdeburg eröffnet. Aus diesem Grund hielt Äbtissin Assumpta Schenkl eine Ansprache im Radio Vatican, bei der Sie in die Rolle Gertrud der Großen schlüpfte und die wir im Folgenden dokumentieren.

Informationen zu Kloster und Gertrud-Jahr

Meine lieben Zuhörer, liebe Brüder und Schwestern,

es ist mir eine Freude und Ehre, heute zu Ihnen zu sprechen, und ich begrüße Sie sehr herzlich! Ich darf mich Ihnen zunächst vorstellen: Ich heiße Gertrud und lebte vor 700 Jahren als Nonne im Kloster Helfta, das mitten im Herzen Deutschlands gelegen ist. Gott schenkte mit zu meiner Lebenszeit dort viele Gnaden, und nun darf ich schon lange, lange voll Freude sein beseligendes Angesicht schauen.

Aber es ist nicht so, dass ich darüber die Erde ganz vergessen hätte. Ganz im Gegenteil. Es ist mir, heute noch viel mehr als damals, als ich noch auf Erden war, ein Herzensanliegen, dass viele, ja möglichst alle Menschen Gott erkennen, Seine Liebe erfahren, in IHM ihr Glück und ihre Erfüllung und tiefe Geborgenheit finden. Und deshalb freue ich mich sehr, dass ich heute zu Ihnen sprechen darf.

Vielleicht denken Sie: "Ach, was will eine Nonne, die vor 700 Jahren, hinter ihren Klostermauern verborgen, gelebt hat, uns modernen Menschen des 3. Jahrtausends, die unter völlig anderen Umständen leben, wohl sagen?" Ja, Sie haben recht. Viel, unendlich viel hat sich geändert, sodass ich manchmal aus dem Staunen nicht herauskomme - und doch bin ich ganz sicher: Das menschliche Herz mit seinen Bedürfnissen, Nöten, Wünschen, Hoffnungen und Sehnsüchten ist das gleiche geblieben. Vielleicht hat dieses Herz es heute schwerer als damals, das zu finden, wonach es im Tiefsten verlangt. So möchte ich versuchen, zusammen mit Ihnen ein wenig jene Hindernisse beiseite zu schieben, die uns so oft den Blick auf das verstellen, wonach unser tiefstes Herz verlangt.

Ich möchte Ihnen zunächst ein wenig aus meinem eigenen Leben erzählen. Es war, rein äußerlich gesehen, in Ihren Augen vermutlich höchst eintönig und langweilig. Über 40 Jahre im Kloster, ein Tag wie der andere, ohne große äußere Ereignisse. Und doch war es ein wunderbares, spannendes, sehr glückliches und erfülltes Leben, sodass ich mit niemandem hätte tauschen mögen.

Ich verlor schon im frühen Kindesalter meine lieben Eltern, und da ich keine Verwandten hatte, die sich meiner annehmen konnten, brachte man mich als Fünfjährige zu den Nonnen nach Helfta mit der Bitte, die Schwestern mögen mir ein Zuhause geben und sich um meine Erziehung kümmern. Beides haben sie in sehr liebevoller Weise getan. Ich fühlte mich sehr wohl bei ihnen. Ich durfte auch die kleine Schule besuchen, die die Schwestern unterhielten, und das machte mir viel Freude. Als ich etwa 18 war, bat ich die Schwestern, mich in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, und ich erhielt den Nonnenschleier. Nach dem Noviziat durfte ich auch teilnehmen an den Vorlesungen, die die Dominikaner-Patres aus den umliegenden Städten uns hielten: Theologie, Philosophie, Mathematik, Musik, Astronomie, und noch manches andere. Das alles interessierte mich wahnsinnig. Ich muss gestehen, es faszinierte mich so, dass ich am liebsten Tag und Nacht studiert hätte, und dass mir - offen gesagt - meine Beziehung zu Gott und mein Gebetsleben gar nicht mehr so wichtig waren. Das ging eine Reihe von Jahren so. Und dann geschah ganz plötzlich etwas  total Unerwartetes, Umwerfendes, Wunderbares, wovon noch heute mein Herz vor Freude höher schlägt, so oft ich daran denke: Ich war unterwegs in einem der Gänge unseres Klosters. Da stand plötzlich Christus vor mir, Christus der Herr: jung und wunderschön und sehr freundlich. Er sagte: "Hab’ keine Angst. Bald kommt dein Heil. Warum nährst du dich vom Staub dieser Erde? Ich möchte dich doch tränken mit dem Strom meiner Wonnen."

Und er fasste mich an der Hand. Ich wollte noch näher zu IHM hin. Da war plötzlich zwischen IHM und mir ein unabsehbar langer, hoher und dichter Dornen-Zaun, der unüberwindlich schien, und trennte uns voneinander.

Ich war ganz verzweifelt. Ich denke, das war mein schlechtes Gewissen, meine laue Vergangenheit, die sich zwischen uns aufbauen wollte. Da, auf einmal fühlte ich mich an den Schultern gepackt, und ER hob mich spielend über den Zaun und stellte mich neben sich. Das war am 27. Januar 1281. Ein unvergesslicher Tag!

Von da an war ich eine andere. Von da an begann mein eigentliches Leben - mein Leben mit Gott. Sie können sich nicht vorstellen, meine lieben Zuhörer, wie wunderbar das ist, so ein Leben in innigem Kontakt, in inniger Freundschaft mit Gott. Ich hatte das Gefühl: Ich habe gar nicht gelebt bis jetzt. Ich war tot. Jetzt, jetzt erst lebe ich wirklich. Und das ist es, was ich Ihnen vor allem sagen möchte: Nehmen Sie Gott in Ihr Leben hinein, machen Sie die Liebe zu IHM zum Zentrum Ihrer Existenz. Das verändert alles: Sie selbst, die Menschen, die Welt. Sie sehen alles mit anderen Augen. Die Angst weicht zurück, die Leere, die Sinnlosigkeit, der Überdruss, die lähmenden Sorgen. Und eine beglückende Dynamik ergreift Ihr Herz - die Dynamik der Liebe. Und die Freude an dem unendlich liebenden Gott, den Sie immer mehr erkennen werden, je mehr Sie sich IHM zuwenden, erfüllt mehr und mehr Ihr Herz. Ich sage Ihnen, das ist eine wunderbare Entdeckung - weit großartiger als die Entdeckung Amerikas -, wenn Ihnen die Augen dafür aufgehen, wie unfassbar groß die Liebe Gottes ist und wie unveränderlich.

Mein Leben war von da an ein Lauf von Überraschung zu Überraschung, wenn ich erkannte: Ja, tatsächlich, ER liebt mich, sehnt sich nach mir, sucht mich und brennt von dem Verlangen, mich glücklich zu machen und mit sich zu vereinen. Ach, ich konnte gar nicht mehr aufhören, IHM zu danken und IHN zu lobpreisen für so viel Güte und Freundlichkeit, so viel unerschütterliches Erbarmen und so brennendes Verlangen, uns Menschen verschwenderisch mit Seiner Liebe zu beschenken.

Aus dieser Erfahrung und Erkenntnis der Liebe Gottes erwuchs in mir ein unerschütterliches Vertrauen auf Gottes Hilfe in jeder Not, auf Seine Verzeihung, was immer ich gefehlt haben mochte, auf Seine Gnade. Und dies alles in verschwenderischer Überfülle. Ja, glauben Sie mir: Gott ist ein Verschwender. Nichts liegt IHM ferner als Rechnen, Sparen, Knausern mit Seinen Gaben, Seiner Liebe, mit sich selbst. Ich führte von da an, wo ich mich ganz auf Gott eingelassen hatte, ein angst- und sorgenfreies Leben. Und das, meine liebe Zuhörer, das wünsche ich Ihnen auch. Schenken Sie Gott Ihr Vertrauen in allen Nöten und Wechselfällen des Lebens. ER wird Sie nicht enttäuschen. Das lässt Seine Treue nicht zu.

Und wenn Sie so im ruhigen, friedvollen Vertrauen auf Gott Ihren Weg gehen, dann wird Ihnen gewiss auch etwas gelingen, dessen gerade Ihre Zeit so bedürftig ist: Nämlich, dass Sie sich öffnen können für Ihre Mitmenschen. Ich erschrecke manchmal, wenn ich sehe, wie verschlossen die Menschen von heute aneinander vorüberlaufen: kein Blick, kein Wort, kein Interesse, kein Herz, keine Zeit für den, der nebenan wohnt, der gegenüber im Zug sitzt. Obwohl Ihre Zeit das "Zeitalter der Kommunikation" genannt wird mit seinen tausend raffinierten Möglichkeiten, ganz schnell mit weit Entfernten in Kontakt zu treten, wie Handys. Internet und E-mail - wie wenig echte Kommunikation von Mensch zu Mensch! Wirkliche Kommunikation, das heißt doch: Dinge miteinander haben, miteinander teilen, einander mitteilen. Und von solcher Mitteilung lebt doch das Leben! Wenn die Menschen nicht mehr fähig und nicht mehr willens sind, einander mitzuteilen, zu beschenken, sich zu verschenken, Gott, den man im Herzen trägt, weiterzuschenken, dann stirbt alles, dann hört alles auf. Schauen Sie, uns Nonnen in Helfta, die wir doch in strenger Klausur lebten, war es doch ganz wichtig, für alle Rat- und Hilfesuchenden da zu sein, ein offenes Ohr und Herz zu haben für ihre Nöte, ihnen unsere Zeit, unsere Anteilnahme zu schenken, vor allem, ihnen Gott weiterzuschenken, wie der Herr uns das immer wieder auftrug. Und wir durften dabei die wunderbare Erfahrung machen: Je mehr wir IHN verschenkten, umso mehr wiederum schenkte ER sich uns; umso mehr besaßen wir IHN.

So sehe ich darin eine ganz wichtige Aufgabe der Christen von heute, und ich möchte Ihnen, liebe Zuhörer, das besonders warm ans Herz legen: Öffnen Sie sich Ihren Mitmenschen, seien Sie Sendestationen Gottes, strahlen Sie IHN aus! Die Welt bedarf Seiner so sehr.

Ein Allerletztes möchte ich Ihnen unbedingt noch sagen: Von der Zeit an, da Gott mich angerufen und ich IHM mein Herz ganz zugewandt und geöffnet hatte, war meine Seele von einer großen, unzerstörbaren Freude erfüllt. Sie war bald stärker fühlbar, bald schwächer. Aber sie war immer da. Der tiefste Grund meiner Seele war gleichsam übergoldet von ihr. Und ich glaube, dass auch die Menschen, denen ich begegnete, sie wahrnahmen, und dass dies ihnen gut tat. Wenn Sie diese Freude an Gott, von der der Psalmist sagt, sie sei unsere Kraft, noch nicht in Ihrem Herzen vorfinden, dann ist dies für Sie ein Signal, lieber Zuhörer, dass Ihre Beziehung zu Gott noch nicht tief genug, nicht existentiell genug ist, denn mit einer tiefen Beziehung zu Gott ist die Freude unabdingbar verbunden. Sollte sie Ihr Herz noch nicht ganz erfasst und durchdrungen haben, so lege ich Ihnen ganz dringend ans Herz und bitte Sie inständig: Bitten Sie Gott um diese Freude und wenden Sie IHM Ihr Herz noch radikaler zu, damit ER es mit dieser Seiner Freude erfüllen kann und Sie sie hinausstrahlen können in die Welt, die ihrer so sehr bedarf. Ich denke, die Christen am Beginn des dritten Jahrtausends müssten - jeder einzelne von ihnen - Sendestationen sein, Sendestationen Gottes, die den Äther, die ganze Welt und jedes Menschenherz anstrahlen und anfüllen mit Gottes Liebe und Freude. Dass Sie, lieber Hörer, eine solche Sendestation Gottes werden, das wünsche ich Ihnen von Herzen und erbitte Ihnen dazu Gottes Segen!

Ihre Gertrud von Helfta


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