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"Die Unterdrückung geht weiter"

Christoph Kunz, Priester des Bistums Magdeburg hielt sich während der vergangenen Wochen in Rumänien auf. In seinem Bericht schildert er die Situation der griechisch-katholischen Christen in dem orthodoxen Balkanstaat.

Wer sich aufmacht in den Osten Europas und nach Rumänien reist, findet dort ein wunderschönes Land, überall Zeugnisse der christlichen Religion, viele historische Denkmäler - und eine grosse Armut bei den Menschen. Mißwirtschaft und Korruption der kommunistischen Diktatur machten dieses Land zu einem Armenhaus in Europa.

Heute gibt es erste Investitionen aus dem Westen, soziale Projekte wie das für die Straßenkinder- und jugendlichen in Cluj Napoca, und es kommen Touristen ins Land. Junge Leute studieren im westlichen Ausland und bringen Know-how und Ideen zurück in ihre Heimat. Doch mehr als zehn Jahre nach der Diktatur unter Ceaucescu werden Minderheiten in Rumänien immer noch unterdrückt mit den Methoden der kommunistischen Diktatur; zur Zeit leidet darunter besonders die griechisch-katholische Kirche.

Auf dem weiten Weg in ein freies und demokratisches Europa blockiert eine unheilige Allianz: Verantwortliche der orthodoxen Kirche und Politiker der sozialistischen Partei.

Es sind die alten Kader, die im Sinne ihrer Machtpolitik noch gut funktionieren. Nicht zuletzt die eigenen kommunistischen Parteifreunde waren es, die damals Ceausescu haben erschießen ließen, damit sie selbst an die Macht kamen. Heute sind sie zahlreich vertreten in einflußreichen Ämtern als Politiker, Präfekten und Bürgermeister.

Bitter erzählen Studenten in Rumänien, die politische Wende sei eigentlich keine Revolution des Volkes gewesen, sondern für viele Machthaber ein Weitermachen unter anderem (Partei-)Namen. Und sowohl zur Zeit der Diktatur wie heute geschehen Unterdrückung und Verhaftung mit dem Wissen der orthodoxen Kirche. Sie war Staatskirche und kann sich heute von dieser Machtposition nicht trennen. Es geht um die Pfründe, um Besitz und Macht - beides unrechtmäßig erworben in kommunistischer Diktatur.

So wurden damals Ländereien und Kirchen den griechisch- und römisch-katholischen Minderheiten weggenommen und der orthodoxen Kirche übergeben. Nach offiziellen Angaben gehören heute etwa 82 Prozent der Menschen der orthodoxen Kirche an, zirka 6 Prozent sind griechisch-katholisch und gut 5 Prozent römisch-katholisch.

Allerdings trügen diese Zahlen: Wesentlich mehr Menschen bekannten sich früher zur griechisch-katholischen Kirche; in der kommunistischen Diktatur gingen sie dann wegen des Verbotes der eigenen Konfession in die orthodoxen Kirchen, wo sie noch heute verbleiben. Allein 2600 Kirchen gehören der griechisch-katholischen Kirche in ihren vier Diözesen in Rumänien - bis heute haben die Katholiken 100 zurückbe-kommen; und dies nur durch aufwendige und kostenintensive Prozesse.

Von der ersten demokratisch gewählten Regierung nach der Diktatur wurde 1990 das sogenannte "Gesetz 126" erlassen, mit dem sich der rumänische Staat verpflichtet, alle Güter der griechisch-katholischen Kirche im jeweils gegenwärtigen Zustand zurückzugeben. Das bedeutet im Normalfall: verfallene Kirchen und Farmen, brach liegendes Land und kaputte Häuser.

Dieses geltende Gesetz mißachtend, meinte der orthodoxe Bischof von Alba Iulia vor wenigen Wochen: Alle Güter sollten der orthodoxen Kirche gehören als der "Nachfolgerin" der griechisch-katholischen Kirche. Dabei berief er sich auf ein kommunistisches Gesetz von 1948!

Eine solche Missachtung des geltenden Gesetzes und Unterdrückung einer Minderheit wirkt besonders bitter vor dem Hintergrund der Geschichte: mit dem Verbot der griechisch-katholische Kirche in der kommunistischen Zeit geschahen Verfolgung und Verhaftung, Gläubige, Priester und Bischöfe waren im Gefängnis - zusammen gerechnet mehr als 1000 Jahre!

Die Haltung der orthodoxen Kirche, möglichst nicht das geltende Gesetz um-zusetzen, um den Besitz zu behalten, wird politisch in Szene gesetzt durch Vertreter der im Oktober des vergangenen Jahres gewählten sozialistischen Regierung mit dem Premierminister Adrian Anastase und dem Präsidenten Ion Iliescu. An vielen Orten wirken orthodoxe und politische Seilschaften und blockieren rechtsstaatliche Vorgänge.

So ließ der von der Regierung in Alba Iulia eingesetzte Präfekt Ioan Rus im Juli diesen Jahres zwei Angehörige der griechisch-katholischen Kirche in Haft setzen: Mihai Zgaia, Landwirtschaftsminister der vorigen christdemokratischen Regierung, und Popa Dorel, Direktor eines landwirtschaftlichen Betriebes in Blaj. Sie hatten diese Farm der griechisch-katholischen Kirche zurückgegeben - gemäß des Gesetzes. Erst nach massivem Protest der griechisch-katholischen Bischöfe bei der Regierung in Bukarest, der EU in Brüssel und Straßburg, der deutschen Bischofskonferenz und dem deutschen Außenministerium wurden die beiden nach zwei Tagen freigelassen. Im September soll ihnen der Prozeß gemacht werden; man fürchtet vor Ort weitere Repressionen, wenn die internationale Politik diese Vorgänge nicht weiter beobachtet.

Mit den Kirchen, wirtschaftlichen Gebäuden und Ländereien geht es der griechisch-katholischen Kirche um ihr Bestehen und ihre Arbeit in religiöser und kultureller Erziehung - und nicht zuletzt um die vielen sozialen Projekte. Nicolae Anusca, Caritasdirektor in Blaj, konnte erst vor wenigen Tagen in Sibiu eine Sozialstation eröffnen, die von dem Metropoliten der griechisch-katholischen Kirche, Bischof Lucian Muresan, feierlich eingeweiht wurde. Anusca möchte in allen Diözesen Sozialstationen einrichten; in Blaj gibt es bereits ausserdem einen Kindergarten, eine Grundschule ist in Bau. Erziehung und soziale Arbeit sind für ihn ein wesentliches Engagement seiner Kirche in Rumänien. Eine entsprechende Versorgung dieser sozialen Einrichtungen soll über die landwirtschaftlichen Anlagen gewährleistet werden.

Aber auch Nicolae Anusca, verheirateter Vater zweier Kinder und Pfarrer der griechisch-katholischen Kirche, der zur Zeit in vielen Verhandlungen unterwegs ist, wird immer wieder bedroht. Und dies ist keine Ausnahme. 1995 wollte ein Priester der griechisch-katholischen Kirche in dem Dorf Craciunelu de Jos bei Blaj in der einzigen (ehemalig griechisch-katholischen) Kirche die Messe feiern. Da wurde er von dem orthodoxen Priester angesprochen: "Was wollt ihr Ungarn von uns? Wollt ihr Transsilvanien auch noch an die Ungarn verkaufen?". Er blockierte die Kirche und einige der griechisch-katholischen Gläubigen wurden verprügelt.

Die Ungarn in Rumänien sind eigentlich römisch-katholisch und zählen wie die griechisch-katholischen Gläubigen zu den Minderheiten im Land. Dem Orthodoxen galt das Wort "Ungarn" als ein Schimpfwort.

Es ist eine wenig christliche aber vor allem nationalistische Mentalität in der orthodoxen Kirche. Der orthodoxe Patriarch von Rumänien schrieb offiziell an die Regierung in Bukarest: "Wer nicht orthodox ist, ist kein Rumäne." Damit diskriminiert er sämtliche Minderheiten im Land. Ganz ähnlich wie in Serbien wirkt auch in Rumänien in der unseligen Verfilzung von Orthodoxie und Kommunismus nach wie vor eine Machtpolitik, die die so dringend benötigten Fortschritte einer wirklich freien und rechtsstaatlichen Demokratie innerhalb Europas blockiert.

Die Menschen in Rumänien brauchen wirtschaftliche Hilfen, soziale Projekte und die Aufmerksamkeit des Westens - denn nur wo die politischen Vorgänge auch im Ausland beobachtet sind, halten sich die nationalistischen Übergriffe gegen Minderheiten in Grenzen.

Christoph Kunz, im Gespräch mit Claudiu Nicusan, Generalsekretär der Caritas in Blaj / Rumänien

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