Ökumene muss stets theologisch reflektierte Praxis sein
Halle (pbm) - Finden katholische und evangelische Kirche trotz aller Unterschiede in absehbarer Zeit zueinander? Das Nebeneinander, Gegeneinander und Miteinander in der Ökumene der vergangenen Jahre - erinnert sei an die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung und an das umstrittene Papier Dominus Iesus - wird das alles eines Tages in einer versöhnbaren Verschiedenheit münden? Der Altbischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Christoph Demke, und der emeritierte katholische Erfurter Dogmatiker Lothar Ullrich versuchten am Reformationstag in Halle darüber ins Gespräch zu kommen.
Bei allem Wohlwollen, das die Referenten einander und der Kirche des jeweils anderen an entgegen brachten machte Lothar Ullrich jedoch schon zu Beginn der Debatte klar, dass es noch ein "sehr langer Weg ist, bis wir zu einer versöhnbaren Verschiedenheit finden". Zum ersten Mal sei ihm das aufgegangen, als nach der Einigung der Kirchen über die Rechtfertigungslehre die nächste große Frage beantwortet werden sollte: das Verständnis des kirchlichen Amtes. Schon nach wenigen Anläufen erwies sich dieses Unterfangen laut Ullrich als "nicht realisierbar". Als Vorarbeit zur Lösung des Problems nehmen die Theologen nun erst einmal das jeweilige Kirchenverständnis in den Blick. Konkret: Wie verstehen evangelische Christen heute ihre Kirche, deren zentralter Haftpunkt in der Gemeinde liegt und aus deren gemeindlichem Tun die Reformation unter anderem erwachsen ist; und wie verstehen katholische Christen heute ihr vorrangig von der Eucharistie und dem Bischofsamt hergeleitetes Kirche-Sein. Da die Theologen nun aber schon für das Zustandekommen der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre drei Jahrzehnte benötigt hatten und es neben dem Amtsverständnis weitere wichtige Fragen zu beantworten gibt, liegt die versöhnbare Verschiedenheit - also die kirchliche Einheit in Verschiedenheit - nach Ullrichs Worten noch in weiter Ferne.
Altbischof Christoph Demke schätzte die Lage ähnlich ein und forderte mit einem Wort Thomas Müntzers auf zu weiterer "emsiger Geduld". Die "ökumenischen Wechselbäder" der zurück liegenden Monate "sind ein Zeichen dafür, dass die Kirchen sich gefährlich nahe gekommen sind". Diese Nähe sei etwas Gutes, zugleich zeigten sich nun aber auch die Unterschiede deutlicher und die Verletzungsgefahr sei größer. "Letztlich", so behauptete Demke, "geht es beiden Kirchen um die Macht, und darüber müssen wir reden". Nur wenn beide Seiten ihre Machtansprüche beiseite ließen und "deutlich von den Irrwegen der Kirchen sprechen", könne eines Tages eine gemeinsame Kirche erreicht werden.
Wie der Altbischof weiter ausführte, müsse diese Einheit "aber von Anfang an eine relative Einheit sein", denn auch Jesus habe sehr unterschiedliche Menschen um sich geschart. Schon ganz am Beginn der Kirche stehe darum die Vielfalt in der Einheit und nur die sei ein denkbares Modell für eine gemeinsame Zukunft der evangelischen und katholischen Kirche. Theologische Unterschiede auf dem Weg dahin sind laut Demke "demonstrativ zu erleiden", so zum Beispiel die Tatsache, dass es beim Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin kein gemeinsames Abendmahl geben wird. Lothar Ullrich warnte in diesem Zusammenhang vor einer "unerleuchteten Praxis". Ökumenisches Handeln, forderte er, dürfe nicht einfach nur gemeinsames Tun, sondern "muss immer theologisch reflektierte Praxis sein".
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