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Orgel im Zeitzer Dom wieder eingeweiht


Zur Geschichte der Orgel

Im Jahre 1663 verlegte Herzog Moritz von Sachsen (der jüngste Bruder des in Dresden regierenden Kurfürsten Johann Georg II.) als Administrator des Hochstifts Naumburg-Zeitz (der Nachfolge-Institution des mittelalterlichen Bistums) seine Residenz von Naumburg nach Zeitz. Herzog Moritz verpflichtete den langjährig in Dresden tätig gewesenen berühmten Hofkapellmeister Heinrich Schütz als Berater "von Haus aus" für die zu gründende Hofkapelle sowie für die Musikalische Einrichtung des jetzt als Schlosskapelle genutzten Domes zu Zeitz. Bis 1718 residierte hier diese Nebenlinie der Wettiner und sorgte dabei für ein reiches und vielseitiges kulturelles Leben im "Herzogtum Sachsen-Zeitz".

Offensichtlich in Erinnerung an die beiden gegenüberliegenden Choremporen im Markusdom zu Venedig, wo Schütz studiert hatte, regte Schütz 1663 in einem Brief an Herzog Moritz "solche beyde Chore mit Einer zierlichen Zimmer und Tischlerarbeit" an und zwar um "Ein anderthalb Elle ... in die Kirche gerückt ..., Auff welche weise denn, und anders nicht, solche Chore meiner meinung nach Ihre perfection und gebührendes Lob erst erreichen würden ... Undt stehe ich ... an, auf was masse der Orgelmacher die Itzige grosse Orgel, auf dem Einen Chor recht aufsetzen undt dieselbige recht ins gesichte in die Kirche fallen werde."

Es handelt sich hierbei um die Orgel auf der Südempore, die von einem bislang unbekannten Orgelbauer dort "aufgesetzt" und sehr aufwendig gemäß der Gestaltung des Hochaltars, mit barockem Schnitzwerk verziert wurde. Auf der Nordempore errichte man der Symmetrie wegen (und in nicht so kunstvoller Weise) ein gleichartiges Orgelgehäuse jedoch nur mit stummen Prospektpfeifen und ohne musikalisch technische Anlage. Aus einem anderen Schreiben von Schütz an den Herzog geht hervor, dass unabhängig vom Bau der großen Orgel von demselben Orgelmacher ein "positif albereit fertig nacher Zeitz mitgebracht" worden ist. Somit standen ab 1663 die nach den Anweisungen von Heinrich Schütz neu gestaltete "große Orgel" und ein kleines Positiv zur Verfügung: ideale Voraussetzungen für die Darbietung mehrchöriger Werke von den beiden Emporen. Am 1. Mai 1664 fand der festliche Einweihungsgottesdienst statt, bei dem Werner Fabricius, ein bedeutender Leipziger Organist und Freund von Schütz, das "Orgelschlagen" übernommen hatte.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die große Orgel mehrfach von einheimischen Meistern repariert. Den gründlichen Archivforschung von Hans Schumann (1993) ist zu entnehmen, dass die frühest erhaltene Disposition von 1750 noch weitgehend die ursprüngliche ist. Die Orgel besaß auf zwei Manualen und Pedal 27 Register und zeichnete sich durch reiche Klangfarben, auch auf Grund charakteristischer Zungenstimmen, aus. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es wiederum zu Reparaturen. Der Zeitzer Orgelbauer Johann Michael Böhme hielt die überlieferte Disposition im wesentlichen bei, ersetzte aber entsprechend dem Zeitstil zwei kurzbecherige, vielleicht etwas schnarrende Zungenstimmen durch mildklingende Flötenregister. Außerdem fügte er für neue tiefe Pedalregister einen schlichten Anbau rechts hinter dem historischen Gehäuse hinzu.

Erst 1961 geschah ein tief eingreifender Umbau der Orgel. Lothar Heinze aus Stadtilm schuf unter Verwendung vieler alter Pfeifen, jedoch mit neuen Zungenstimmen, eine dreimanualige Orgel mit 34 Registern auf Kegelladen bei elektrischer Spiel- und Registertraktur. Erstmals wurde nun auch das Gehäuse auf der Nordempore mit klingenden Pfeifen versehen; beide Orgelteile waren an einen freistehenden Spieltisch angeschlossen. Von dieser "modernen" Orgel in historischen Gehäusen wurde der südliche Teil, also die eigentliche Orgel, beim Einsturz des Vierungspfeilers und der mit ihm verbundenen Gewölbe in der Nacht vom 10. zum 11. Juni 1982 schwer zerstört.

Maßstab für den Wiederaufbau des südlichen Orgelgehäuses durch den Tischlermeister Uwe Schnabel aus Altenburg bildeten die aus den Trümmern geborgenen Gehäuseteile. Besondere Bedeutung verdienten die hochwertigen Schnitzarbeiten, die allerdings durch die Holzbildhauerin Rosi Schwabe aus Kreischa stilgerecht ergänzt werden mussten. Das rekonstruierte Gehäuse wies auch die Richtung für die klangliche Wiederherstellung, so durch die musikalische Unterordnung des kleinen "Unterwerks" unter das große, "Manual" genannte, hochgestellte Hauptwerk und durch die in Terzabständen angeordneten Pfeifen auf den Windladen sowie durch die "Kammer" für die beiden neuen, in alter Art gefertigten Spanbälge.

Von 1999 bis 2001 erbaute die Hermann Eule GmbH Bauten das neue Orgelwerk. Hinweise auf Zahl und Art der Register lieferten die von Hans Schumann erforschten Dispostionsangaben. Wegen des Verlustes vieler Register war eine exakte klangliche Rekonstruktion nur bei wenigen Registern möglich, wohl aber wurde in sehr überlegter Arbeit aus den erhaltenen Pfeifenresten die historisch gegebene Klangvielfalt erkannt und wiederbelebt. Die heutige Disposition mit 27 Registern auf zwei Manualen und Pedal bei mechanischer Spiel- und Registertraktur ist ganz aus der von Heinrich Schütz begründeten Tradition heraus erwachsen. Eine Umfangerweiterung auf g3 in den Manualen und auf f1 im Pedal sowie eine Stimmung nach der Generalbass-Unterweisung von Andreas Werckmeister (1698) bei a1=440 Hz lässt auch die Interpretation neuer Musik zu. Die Orgel entspricht somit voll den Erfordernissen des liturgischen und konzertierenden Spiels von Musik aus Vergangenheit und Gegenwart, und dies bei einer vorzüglichen, raumfüllenden Akustik, auf die ja schon Heinricht Schütz durch die von ihm angeregte Stellung der Orgel Wert gelegt hat.

Winfried Schrammek
Foto: Christoph Sandig

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