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Kirche und Glaubwürdigkeit

Weihbischof: Wir alle sind Kirche

Predigt zur Beauftragungsfeier von Gemeinderefentinnen und –referenten am 11.09.2004 in St. Sebastian (1 Kor 10,14-22; Lk 6,43-49)

Nach vielen Jahren der Ausbildung und Erprobung haben sich vier junge Menschen dazu entschieden, sich von der Kirche im Bistum Magdeburg als Gemeinderefentinnen und Gemeindereferent in Dienst nehmen und beauftragen zu lassen.
  • Worauf setzen sie da?
  • Was ist das für ein Unternehmen, dem sie sich zur Verfügung stellen?
  • Auf welchen Fundamenten steht es?
  • Ist es glaubwürdig, menschenfreundlich und zukunftsfähig?
  • Was erwartet es von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im pastoralen Dienst?
Kirche ist nicht aus sich selbst

Für viele ist Kirche nichts anderes als ein reaktionärer Interessenverband oder nützlicher Kulturträger, eine kuriose Landes- beziehungsweise Weltorganisation oder eine Dienst-leistungseinrichtung für religiöse Bedürfnisse. Wir Christen aber sprechen sogar von ihrer Heiligkeit und glauben, dass der Geist Gottes in ihr weiter wirkt, sie eine „Gemeinschaft der Heiligen“ sei und ein Ort, an dem man durch Vergebung neues Leben finden könne.

Wie es schon die griechischen Herkunftswörter für „Kirche“ zum Ausdruck bringen, ist sie eine „ekklesia“, das heißt eine Gemeinschaft von Herausgerufenen und Auserwählten, und eine „kyriaké“, das heißt sie gehört dem Kyrios, dem Herrn Jesus Christus, er ist ihr Haupt und sie sein Leib. Damit wird schon einmal deutlich, dass sie göttlich und menschlich zugleich ist.

Als solches „Mischwesen“ erscheint sie auch als das große Geheimnis und Sakrament, das die innigste Vereinigung der Menschheit mit Gott und den Menschen untereinander anzeigen und bewirken soll. In ihr hat diese Einheit schon begonnen, und alles, was sie tut, hat dieser Erlösung zu dienen. Diese Wirklichkeit ist jedoch nur im Glauben zu erfassen und bedarf vielfältiger Bilder und Vergleiche, um verdeutlicht zu werden.

Als Volk Gottes ist die Kirche kein normales Volk; vielmehr eine Sammlungsbewegung aus allen Völkern, Rassen und Klassen, in die man nicht hineingeboren, sondern durch Glauben und Taufe eingegliedert wird, und eine Gemeinschaft, die sich auf ihrem Weg durch die Zeit immer wieder an den göttlichen Weisungen orientiert.

Wo ihre Lebensquelle zu finden ist, macht Paulus deutlich, wenn er im 1. Korintherbrief daran erinnert: „ Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot.“ (10, 16b-17) Das ist für ihn nicht nur ein Bild, sondern folgenreiche Wirklichkeit: Indem die Gemeinde den „Leib Christi“ empfängt, wird sie selbst zum „Leib Christi“, wird sie geheiligt, damit sie Gottes Werkzeug bleibt und nicht der Welt verfällt.

Und die Rede vom Tempel des Heiligen Geistes könnte – wie Augustinus es interpretiert – bedeuten: Ähnlich wie die Seele im Leib sei der Geist das Lebensprinzip der Kirche. Er ist es, der sie stets erneuert und in der Wahrheit hält. Das ist es auch, was Heiligkeit der Kirche meint: nicht in erster Linie ethische Vollkommenheit, sondern unlösbare Zugehörigkeit zu Gott. Damit ist Kirche das, was sie ist, letztlich nicht aus sich selbst oder unser Werk. Als göttliche Gemeinschaft lebt sie davon, mit den Gütern des Heils beschenkt zu werden.

Kirche ist stets der Erneuerung bedürftig

Diese göttliche Dimension der Kirche im Blick, dürfen wir aber auch nicht ihre menschliche Seite vergessen. Dazu hat ein Schriftsteller unserer Zeit einen imaginären Herrn Zett im Rahmen eines fiktiven Interviews einmal zur Sprache kommen lassen.

Die erste Frage des Interviews lautete: „Was ist die stärkste Stütze Ihres Glaubens?“ Herr Zett antwortete: Die Kirche! Diese Antwort befriedigte den Radiomenschen nicht sonderlich, und er fragte weiter: Und was, Herr Zett, ist die stärkste Belastung Ihres Glaubens? Auch die Kirche, antwortete Herr Zett.“ Schließlich folgte noch die Frage: „Wie stellen Sie sich die Kirche in 50 Jahren vor? Nach kurzem Nachdenken sagte Herr Zett: Ein sündiger Papst, ein gutes Hundert sündiger Kardinäle, ein paar Tausend sündige Bischöfe, Millionen sündige Christen, eine Hand voll sündige Heilige.“

Kirche ist also keine Elitetruppe, sondern ein Volk, zu dem auch Schwächlinge, Versager und Heuchler gehören und das seine Verwundeten mit sich schleppt.

Christus betete zwar um die Heiligung der Menschen, fühlte sich aber nicht gesandt (Mt 9,13), „Gerechte zu berufen, sondern Sünder“. Er hat deshalb mit Sündern in seiner Kirche gerechnet. Die „Frommen“ und Selbstgerechten seiner Zeit warfen ihm auch vor (Lk 15,2): Er nimmt sich der Sünder an und isst mit ihnen. Und die Kirche weiß von Christus (Mk 2,17), dass „nicht die Gesunden des Arztes bedürfen, sondern die Kranken“. Darum erträgt sie auch ihre schwachen Glieder, selbst wenn sie dem Ansehen der Kirche noch so sehr schaden.

Aus den Evangelien erfahren wir schon von den Schwächen der Apostel, vom Versagen des Petrus, dem Verrat des Judas, von Rangstreitigkeiten. In den Briefen der Apostel wird berichtet, dass bereits in der Urkirche Missstände vorkamen. Die Glieder der Kirche verderben immer wieder das Erscheinungsbild der „heiligen Kirche“.

Die Sündhaftigkeit betrifft aber auch die Kirche als Ganze. Darum betont das II. Vatikanische Konzil zu Recht:
„Sie ist heilig und stets der Reinigung bedürftig zugleich; ihr Weg ist immerfort der der Buße und Erneuerung.“ Wie die Menschen am Kreuz Christi Anstoß nehmen, so wird ihnen immer wieder auch die Schwäche der Kirche ein Ärgernis sein.
Ständig haben wir uns als Glieder dieser Kirche also zu fragen, ob wir vor dem bestehen können, was Jesus Christus gewollt hat. Darum darf und muss es auch Kritik geben. Versagen wird nicht durch Beschönigung ausgeräumt, sondern durch Bekehrung und Bekenntnis. Und das Erfreuliche ist, dass die Kirche nicht nur permanent der Erneuerung bedarf, sondern auch dazu fähig ist. Trotz aller Unvollkommenheit hat sie immer noch genügend Rückgrat, Beweglichkeit, Überzeugungskraft, Charme und Begeisterungsfähigkeit.

Kirche sind wir!

In ein solches Unternehmen steigen Sie, liebe Kandidatinnen, lieber Kandidat für den Gemeindedienst, also nun hauptberuflich und unbefristet ein. In dieser Firma sind Sie nicht neu; sie gehören schon lange dazu und sind sich dessen bewusst: Kirche, das sind nicht irgendwelche Amtsinhaber; Kirche, richtig verstanden, sind wir alle.

Keine und keiner der Getauften kann sich dieser Herausforderung entziehen und auf andere verweisen. Jede und jeder kann das Antlitz der Kirche verdunkeln oder ihr Leuchten verstärken. An unseren Worten und Taten wird man erkennen, was unser Herz bewegt, und unsere Gesinnung sollte tatsächlich so edel sein, wie wir in Erscheinung zu treten ver-suchen. Da haben die Menschen ein feines Gespür, ob das, was man denkt, und das, was man tut, auseinander klafft oder übereinstimmt.

„Jeden Baum erkennt man an seinen Früchten“, sagt Lukas im heutigen Evangelium: „Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte hervorbringt, noch einen schlechten Baum, der gute Früchte hervorbringt.“ Übereinstimmung in Gesinnung, Wort und Tat ist also gefragt und entscheidendes Kriterium für Glaubwürdigkeit und Echtheit. „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund.“ Wer nach den Worten Jesu handelt, kann darauf vertrauen, sich auf einem überzeugenden Fundament zu bewegen.

„Du kannst nicht die Dunkelheit bekämpfen, aber ein Licht anzünden“, sagt ein weiser Spruch. Als Gemeindereferentinnen und –referent sollen Sie in besonderer Weise Menschen auf ihrem Weg begleiten und ihnen in den Dunkelheiten dieser Welt hilfreich zur Seite stehen, Mut machen und Hoffnung vermitteln. Entschiedene Wegbegleitung ist gefragt, nicht ein Wegweiser, der zurückbleibt und nicht mitgeht. Nur wer selbst entschieden in die Nachfolge Christi eintritt, kann diesen Dienst übernehmen.

Wir brauchen Menschen, die mit theologischer und sozialer Kompetenz nicht nur einzelne inspirieren, sondern auch Gruppen und Gemeinschaften begleiten, ihnen die Hilfe und Impulse geben, die sie brauchen, und zu einer Atmosphäre beitragen, in der Glauben möglich ist und in der man auch wieder über seinen Glauben zu sprechen lernt. Wir brauchen Menschen, deren Profil Karl Rahner mit folgenden Worten umschrieben hat: „Nur wer kirchlich und selbständig, demütig und wagemutig, gehorsam und um eigene Verantwortung wissend, ein Beter und ein Täter ist, der Vergangenheit und der Zukunft der Kirche verbunden, nur der schafft Raum, dass Gottes stürmender Pfingstgeist, der ewig alte und ewig junge, in ihm wirkt, das Angesicht seiner eigenen Seele erneuert, sich seiner bedient, um auch die Erde zu wandeln.“

Liebe künftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pastoralen Dienst! Wir freuen uns auf Sie und hoffen, dass Sie in dieser Spannung Ihrer Berufung und Ihrem Auftrag gerecht werden. Mögen viele Menschen durch Sie Gott näher kommen und ihres Lebens froher werden. Und mögen Sie selbst dabei in der Gemeinschaft der Glaubenden Erfüllung und Heil finden.

Gerhard Feige


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