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Was der Kirchgang bringt...

Predigt von Ulrich Lieb am 10. Oktober im MDR

“Du gehst doch regelmäßig am Sonntag zur Kirche. Was hast Du eigentlich davon? Man kann doch auch so ein ganz anständiger Mensch sein.” - Solche Bemerkungen kann der Kirchgänger ab und zu hören. Nun - Gottesdienste sind ganz sicher nicht mit einer “Anstandsschule” zu vergleichen. Ich muss nicht in die Kirche gehen, um als “ganz anständiger Mensch” zu gelten.

“Was habe ich vom Sonntagsgottesdienst?” Falls damit gemeint ist: “Was springt dadurch für dich heraus?” so kann ich nur erwidern: “Keine persönlichen Vorteile - etwa im Sinne von Steuererleichterungen oder beim Emporklettern auf einer Karriereleiter.

Vielleicht sind es zwei Haltungen, die zur regelmäßigen Mitfeier des Gottesdienstes bewegen: das Bitten und das Danken. Bitten und Danken gehören heute - wie mir scheint - nicht zu den selbstverständlichsten menschlichen Haltungen. Sie sind wohl eher vom “Fordern” und “Einnehmen” verdrängt worden. Im Bitten und im Danken drückt sich eine gewisse Angewiesenheit aus: Ich gestehe mir ein, dass ich andere brauche, dass ich auf sie verwiesen bin.

Doch, wer möchte schon gern - so ohne weiteres - auf andere angewiesen sein? Jeder ist gern selbst “seines Glückes Schmied”.

Möglicherweise kommt mir eine Bitte noch eher über die Lippen als das Danke. Um etwas für mich zu bekommen, lasse ich nichts unversucht. Der Dank aber bleibt nicht selten auf der Strecke. Schließlich habe ich doch nur bekommen, was mir ohnehin zusteht. Weshalb also danken?!

Zehn arg Benachteiligte - aus ihrer Gesellschaft Ausgegrenzte - zehn Aussätzige - Leprakranke - bitten sehr nachdrücklich “Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!” Alle Zehn werden wieder “gesellschaftsfähig” - werden rein - sind endlich diese abscheuliche Krankheit los. Von einem heißt es: “Er kehrte um, als er sah, dass er geheilt war. Er lobte Gott. Ja, er warf sich sogar zu Boden und dankte Jesus.” Offenbar war auch früher der Dank nicht das Selbstverständlichste, wenn nur einer von Zehn zur Dankbarkeit gerührt ist. Das ist nicht viel. Die anderen Neun sind offenbar gleich in einem neuen Alltag untergetaucht. Erstaunlich ist auch, wie diesem einen sein Dank quittiert wird. Er hört die Worte: “Dein Glaube hat dir geholfen.”


Glaube hat geholfen.
Glaube an Gott ist also nicht zuerst nur eine Sache von Erziehung und Gewohnheit.
Glaube ist Hilfe zum Leben.
Glaube hilft mir, weiter blicken zu können.
Ich vermag über noch so berechtigte menschliche Ansprüche hinaus zu schauen.

In allem, was ich alltäglich ganz selbstverständlich entgegennehme, vermag ich zu erkennen: Gott nimmt sich meiner an. Er meint es gut mit mir. Er hat wirklich Erbarmen mit uns.

Es sind die Haltungen des Bittens und Dankens Gott gegenüber, die unsere Gottesdienste durchziehen. Indem ich dort - gemeinsam mit Gleichgesinnten -Bitte und Dank ehrlichen Herzens ausspreche, legen wir Glauben und Vertrauen, Zuversicht und Hoffnung auf den Altar der Kirche - bringen sie vor Gott. Auf diese Weise drücken wir unsere Verwiesenheit auf Gott aus und sind bereit, uns an Ihn zu binden. Das ist übrigens auch Inhalt des lateinischen Wortes “Religion”. Die große Mehrheit der Menschen dieser Erde - ob reich oder arm - nennt sich religiös und bekennt sich zu Gott in sehr unterschiedlichen Religionen und in verschiedenen Konfessionen.

Gelegentlich erlebe ich allerdings auch viel Gleichgültigkeit und Desinteresse gegenüber allem Religiösem. Bestenfalls heißt es noch: “Soll doch jeder glauben, was er will. Mir ist das egal mit Gott, Kirche oder so was... Was soll ich denn davon haben?” Was habe ich, - was haben wir -, von unserem Glauben, von unserer Kirchenzugehörigkeit, von diesem Gottesdienst?

Aus meinem Alltag bin ich hierher gekommen, bin ähnlich wie der eine Geheilte umgekehrt, um Gott zu loben, ihm zu danken. Feier des Dankes - Eucharistie - nennen wir deshalb unseren Gottesdienst. Ob sich der Geheilte lange gefragt hat, was er von seinem Dank hat? Er konnte sein Leben als Geschenk erkennen. Das reichte aus, um zu danken.

Wir sind als Gottesdienstgemeinde weder rechnend noch berechnend hier zusammen - (und mit Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, verbunden). Irgendwann konnte uns aufgehen, wie sehr unserem Gott an uns liegt. Irgendwann ist uns als Christen aufgegangen, was Jesus als unser Bruder und Meister für uns getan hat und tun will.

So konnte der Dank, den wir auch in diesem Gottesdienst zum Ausdruck bringen, zu einer inneren Notwendigkeit werden. Und wir haben sogar etwas davon. Ich habe etwas vom regelmäßigen Kirchgang. Ich werde durch meinen Dank an Gott aus falschverstandener Selbstverständlichkeit herausgeholt. Wir versuchen Gespür dafür zu entwickeln, dass unser Leben in vielfältiger Weise beschenktes Leben ist. Diese gewachsene Erkenntnis vermag uns schließlich zu dankbaren Menschen zu machen. Eine solche Dankbarkeit schränkt persönliche Freiheiten nicht ein, sondern erweitert sie auf Gott hin. Frei und selbstbewusst sagen wir aus dieser Kirche heraus, was Tausende und Millionen Menschen tagtäglich - meist ohne langes Nachdenken - sagen: GOTT SEI DANK.

Pfarrer Ulrich Lieb
Schönbeck


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