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Wozu ist eigentlich ein Bistum gut?

Seit zehn Jahren gibt es das Bistum Magdeburg

Weihbischof im Gespräch mit der Kirchenzeitung

Konsequent - zu den Bistumsgründungen vor zehn Jahren

Kardinal Lehmann zur Bistumsgründung

„Um Gottes und der Menschen willen“
Predigt anlässlich des 10. Jahrestages der Bistumsgründung
am 09. Oktober 2004 in Magdeburg
(Röm 12,1-17; Mk 4.1-9)


Wozu ist eigentlich ein Bistum gut? Was ist überhaupt ein Bistum oder – wie man auch sagen kann – eine Diözese? Und noch konkreter: Wovon und wofür leben wir Katholiken im Bistum Magdeburg?

Eigenständigkeit

Schaut man sich weltweit um, ist es überraschend, wie unterschiedlich Bistümer sein können: klein oder groß, traditionsreich oder blutjung, bevölkerungsdicht oder territorial weit, finanzstark oder hilfsbedürftig, von der Auferstehung Jesu Christi beflügelt oder mehr von dessen Kreuzesnachfolge geprägt. Ob nun das Katharinen-Kloster auf dem Sinai mit 35 Mönchen, ein deutsches Erzbistum mit einem Jahresetat von 680 Millionen Euro, eine italienische Kleinstadt auf dem Berge, das katholische Bistum in Ostsibirien mit 10 Millionen Quadratkilometern, 32 Priestern, 17 Ordensleuten und einer noch zu definierenden Zahl von Gläubigen oder wir hier in Magdeburg: Das alles sind Bistümer; eine äußerlich erkennbare Norm scheint es nicht zu geben.

Und doch dürfte schon eines klar sein: Entscheidend ist nicht ein totes Territorium, sondern das lebendige Gottesvolk, das hier als Kirche in Erscheinung tritt. Bistümer entstehen immer dann, wenn das Evangelium Jesu Christi in einer Region tatsächlich angekommen und geerdet ist, wenn eine Ortskirche eigener Prägung meint, genügend Reife erlangt zu haben, um ihren Weg eigenständig weiterzugehen, und auch den Mut besitzt, dies zu riskieren.

Ein solcher Abnabelungsprozess ist nicht immer schmerzfrei. Das wissen wir aus eigener Erfahrung. Aber unsere Bistumsgründung vor zehn Jahren war keine selbstsüchtige und undankbare Entscheidung gegen Paderborn, sondern entsprang unserer Entwicklung, der Verantwortung gegenüber der damaligen Situation und dem Sendungsbewusstsein, das Evangelium Jesu Christi in katholischer Auslegung auf mitteldeutsch zu buchstabieren und zu leben.

Solche Inkulturation bringt immer auch einen „eigenen Stallgeruch“ mit sich. Das kann anheimelnd wirken und emotional verbinden – und ist gut so. Es darf unter uns aber nicht stickig und muffig werden. Immer wieder ist Frischluft vonnöten: Offenheit und Veränderungsbereitschaft, Fantasie und Kreativität, Mut und Elan. Und wenn wir uns nicht von selbst bewegen, wird uns der Geist Gottes auf seine Weise antreiben.

Er ist es auch, der uns zusammenführt und als Ortskirche mit Leben erfüllt. Dabei sind wir als Bistum kein unvollständiger Teil oder ein Fragment der Gesamtkirche, kein Regierungs- oder Verwaltungsbezirk einer übergeordneten Behörde, keine Sektion des Leibes Christi. Vielmehr ereignet sich hier vor Ort Kirche ganz; ist die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft gegenwärtig und wirksam. Von einem Bischof geleitet, verfügt jede Ortskirche über alle Mittel, die sie für ihre von Gott anvertraute Heilssendung braucht. Und die Gesamtkirche besteht – wie es das II. Vatikanische Konzil klargestellt hat (vgl. LG 23) – in und aus den Teilkirchen. Ein Bistum zu sein, bedeutet zunächst einmal also eine recht große und verantwortungsvolle Eigenständigkeit zu haben.

Verbundenheit

Aber das allein wäre zu wenig und nicht katholisch genug. Zur ortskirchlichen Eigenständig-keit gehört auch die Verbundenheit, die Gemeinschaft, die Kommunikation.

„Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder denselben Dienst leisten, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören.“ Was Paulus hier den Römern schreibt (Röm 12,4f.), das gilt auch über sie hinaus: allen Gemeinden, Bistümern und der ganzen Kirche. Aufgrund der Gemeinschaft, die Gott uns mit sich in jeder Feier der Eucharistie eröffnet und schenkt, werden auch wir herausgefordert und befähigt, untereinander eines Sinnes zu sein und füreinander Verantwortung zu übernehmen.

Nur gemeinsam kann es uns in einem Bistum gelingen, glaubhaft und wirkmächtig Kirche zu sein: Gemeinden und Bistumsleitung, Caritasverband und Schulstiftung, Vermögensverwal-tung und Seelsorgeamt, Priester und Diakone, Ordensleute und Laien, Haupt- und Ehrenamtliche, Verbände und Initiativen. Sicher sind die Eigeninteressen mancher verständlich, und es muss miteinander darüber gesprochen werden; wichtiger aber erscheint es vor allem, sich bewusst zu machen, dass wir alle im selben Boot sitzen.


Gaben aus den Regionen des Bistums

So wie es in einem katholischen Bistum keine autonomen und freien Gemeinden gibt, so steht auch kein Bistum isoliert da. In der „communio ecclesiarum“ – der „Gemeinschaft der Kirchen“ – sind alle Bistümer durch ein lebendiges, wesentliches und dauerndes Band miteinander und mit der ganzen Kirche verbunden. Das schließt nicht Verschiedenheit und Vielfalt aus, stellt aber auch nicht die Einheit in Frage. Im Hochgebet der Eucharistiefeier kommt das besonders zum Ausdruck, wenn wir bekunden, mit unserem Papst in Rom, dem Ortsbischof und allen unseren Bischöfen, Priestern und Diakonen, allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind, ja dem ganzen Volk der Erlösten in Gemeinschaft zu stehen und sogar vereint zu sein.



Keine Ortskirche kann und darf sich selbst genügen, wenn sie nicht ins Abseits geraten will. Das betrifft nicht nur ihr Selbstverständnis und ihre Kontaktpflege, sondern meint auch ihre Verantwortung und Bereitschaft, anderen Bistümern zu Hilfe zu kommen und sie bei der Verwirklichung der gemeinsamen Sendung zu unterstützen. Wir leben von solcher Solidarität und sind dankbar dafür, hoffen aber auch selbst, mit unseren Erfahrungen und unserem Glaubenszeugnis andere Ortskirchen bereichern zu können.

Über unsere katholischen Kirchengrenzen hinaus, fühlen wir uns aber auch den anderen christlichen Kirchen aufrichtig verbunden und mühen uns mit ihnen um eine größere und tiefere Gemeinschaft.

Und schließlich lässt uns die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (GS 1) der Gesellschaft, in der wir leben, und aller Menschen nicht unberührt. „Gleicht euch nicht dieser Welt an“, prüft vielmehr immer wieder, „was der Wille Gottes ist“ (Röm 12,2), aber „seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht“ (Röm 12,17b). Nicht die Abkehr von dieser Welt verlangt Paulus da von uns, sondern die Bewährung in ihr und eine kritische Verbundenheit um des Evangeliums und der Menschen willen. Ja, das ist unser Weg, dem versucht sich unser Bistum zu stellen!

Sendung

Dürfen wir dabei auf Erfolg hoffen? Was ist zu tun? Dem heutigen Evangelium gemäß besteht unsere Sendung darin, das Wort Gottes auszusäen. Jesus sieht diese Aktion wie erfahrene Landleute seiner Zeit zugleich nüchtern und zuversichtlich. Wir haben mit Misserfolgen zu rechnen, stoßen auf Ablehnung und Gleichgültigkeit, ärgern uns über missliche Umstände und harte Herzen und zweifeln vielleicht manchmal an uns selbst oder sogar an der Qualität des Samens. Andererseits aber verheißt Jesus unglaubliches Wachstum und sagenhaft Fruchtbarkeit. Es ist nicht leicht, diese Spannung auszuhalten und an den unberechenbaren Erfolg zu glauben, der zumeist nicht sichtbar ist und größtenteils wohl erst am Jüngsten Tage offenbar werden wird. Mit großem Respekt schaue ich da auf den Lebenseinsatz vieler Mitbrüder und in der Seelsorge Tätigen, die in Treue ihren Dienst getan haben und tun und nicht aufgegeben haben.

Von Säleuten wird in der Tat viel erwartet. Ohne Hoffnung und Zuversicht, dass wieder etwas wachsen wird, brauchen sie gar nicht erst anzufangen. Zugleich wissen sie aber auch darum, dass winterliche Kälte und sommerliche Dürre die Entwicklung schwerwiegend beeinträchtigen können. Geduld und Ausdauer sind gefragt. Wer nicht großzügig ist, würde das Saatgut eher ängstlich zurückhalten, als es so vielen unberechenbaren Faktoren anzuvertrauen, die man selbst nicht steuern kann. Säleute wissen zudem, dass viele mithelfen müssen, das Feld vorzubereiten, die zarten Pflänzchen zu hegen und zu pflegen und auch die Ernte zu bewältigen. Menschen der Aussaat brauchen einander und sind solidarisch in ihrem Tun. Und schließlich gehört es auch dazu, sich nach höchster Aktivität zurücknehmen zu können und Gott alles Weitere zu überlassen.

Nicht 120.000 Katholiken irgendwie zu „versorgen“, ist die Aufgabe unseres Bistums, sondern in der Gemeinschaft möglichst vieler Mitglieder unserer Kirche zusammen mit den evangelischen und anderen Christen unserer Region das Wort Gottes unter fast 2 Millionen Mitbürger auszusäen. Dazu gehören ein großes Vertrauen in dessen Kraft, aber auch eigene Veränderungsbereitschaft, ein geistlicher Tiefgang und ein langer Atem.

Immer wieder wird in unseren Tagen der Ruf nach Visionen laut. Könnte uns in unserer Sendung angesichts so mancher Erfahrungen nicht jene Verheißung trösten und ermutigen, die schon in Psalm 126 besungen wird: „Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Sie gehen hin unter Tränen und tragen den Samen zur Aussaat. Sie kommen wieder mit Jubel und bringen ihre Garben ein.“? Und Paulus gibt uns in seinem Brief an die Römer mit auf den Weg (12,12): „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet.“

Eine bewegte Geschichte hat uns katholische Christen hier im Bistum Magdeburg zusammengebracht. Wir haben uns – wie andere bestätigen – bewährt und scheuen auch neue Herausforderungen nicht. Wir kennen unseren Auftrag, haben überzeugende Partner und ein großes Ziel. Lasst uns dem weiter gemeinsam entgegenschreiten, unser Möglichstes tun und unermüdlich Gott bitten: Dein Reich komme!

Weihbischof Dr. Gerhard Feige
Diözesanadministrator


Altbischof, Diözesanadminstrator und der Paderborner Erzbischof stimmen in das Te Deum ein.

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