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Transparent für Gottes Wirklichkeit

Predigt zur Priesterweihe

Schrifttexte: Apg 10, 34a.37-43; 2 Kor 4,1-2. 5-6.; Joh 15, 9-17

Was motiviert einen jungen Menschen, sich von der Kirche in Dienst nehmen und als Priester weihen zu lassen?

Oftmals sind es sicher priesterliche Vorbilder, die faszinieren, lebendige Familien, Gemeinden oder Gruppen, die anregen, ernsthaft darüber nachzudenken.

Ohne Begeisterung, Idealismus und Eifer scheint sich wohl kaum jemand einen solchen Weg vorstellen zu können.

Viele werden durch die leibliche und seelische Not der Menschen angerührt und wollen auf diese Weise ihr Leben mit den anderen teilen.

Meistens ist es auch eine innere Stimme, die nicht zur Ruhe kommen lässt, die lockt und drängt, Mut macht und Zuversicht schenkt, sich auf ein solches Wagnis einzulassen.

Doch in den derzeitigen Umbrüchen zeigt sich auch: Manche Priester sind über ihre gegenwärtige und zukünftige Rolle verunsichert. Sie fühlen sich belastet, sehen immer mehr Arbeit auf sich zukommen und fürchten, immer weniger Anerkennung zu finden. „Priester“ – so hat es neulich einmal einer (Rainer Buch) provokativ formuliert – „sind so etwas wie die permanent im Stich gelassenen Lieblingssöhne“.

Angesichts der Veränderungen können einem Priester am Beginn seines Dienstes tatsächlich schwerwiegende Fragen in den Sinn kommen:
  • In unserem Land werden viele Gemeinden kleiner und müssen zusammenrücken. Wie kann der Glaube in einer solchen Situation lebendig bleiben?

  • Was ist dabei meine wichtigste Aufgabe als Priester? Werde ich diese Aufgabe mit den Menschen vor Ort und für sie erfüllen können – oder wird mein Alltag von so vielen Anforderungen bestimmt sein, dass ich die zentrale Spur verliere und mit der Zeit einfach in Routine verfalle oder zum „betriebsamen Manager“ werde?

  • Wie soll ich mit den vielen Erwartungen umgehen, die die Menschen an mich haben?

  • Und dann vielleicht immer wieder auch ein Erschrecken angesichts des Dienstes, der einem übertragen wird: „Wer bin ich denn, dass ich diesem Auftrag tatsächlich entsprechen könnte? Ich müsste doch eigentlich noch viel mehr wissen, noch viel mehr können, vielleicht noch viel gottbezogener leben…. Werde ich mit meinen Grenzen all dem gewachsen sein, was ich tun muss? Werde ich meiner Aufgabe gerecht werden können – gegenüber Gott und gegenüber den Menschen?“
Solche Fragen können bedrängend sein – sie können aber auch eine heilsame Spur werden. Ihnen in der Tiefe nachzugehen, ihnen auf den Grund zu gehen, führt nämlich dazu, sich zu vergewissern, was Gott mit einer solchen Berufung zum priesterlichen Dienst vorhat, wie dieser Dienst unter den Bedingungen der heutigen Zeit – hier im Bistum Magdeburg – aussehen kann.

„Das Gebot der Stunde ist eine Selbstvergewisserung des bleibenden Wesens des Priestertums… Dabei bleibt die entscheidende Frage: Was gehört zur eigentlichen Sendung des Priesters? Was ist das Proprium des priesterlichen Zeugnisses?“ (George Augustin)

Die Basis: „Nicht ihr habt mich erwählt…

Das Evangelium des heutigen Tages verweist auf die Basis: In der Person Jesu begegnet uns jemand, der die bedrängenden Fragen kennt, sie ernst nimmt und zugleich in einem doppelten Sinn aufhebt.

So lädt er nämlich dazu ein, zuerst einmal auf ihn selbst zu schauen, auf die Gabe, die er selbst ist: „Bleibt in meiner Liebe.“

Damit fordert er heraus, sich zuerst einmal und immer wieder der heilenden Kraft seiner Liebe und seines Erbarmens auszusetzen. Wer dieses Erbarmen an sich selbst geschehen lässt, kann dann auch anderen gegenüber barmherzig sein.

Wenn ein Priester immer wieder versucht, in den Raum einer solchen zuvorkommenden Liebe einzutreten, ist es vielleicht nicht so wichtig, was er kann und was er nicht kann, welche Eigenarten und Grenzen er hat.
Wichtig ist, dass er „in der Liebe bleibt“ und darin sozusagen auch immer wieder von sich selbst weg- und auf den hinschaut, der ihn erwählt hat.
Wichtig ist, dass Jesus Christus in all den menschlichen Bedingungen dabei ist und sie immer wieder auch verändern kann.

Das ist eine heilsame Entlastung. Sie befreit von dem Druck, etwas machen zu müssen, etwas leisten zu müssen, die Welt und die Menschen „retten“ zu müssen. Sie überlässt sich der Regie und der Erstzuständigkeit Gottes.

Wer sich so Jesus Christus überlässt, bleibt mit den anderen Gläubigen zusammen immer auch einer, der verwiesen ist, der sucht. Er besitzt Gott nicht. Er ist nicht der Experte, der immer schon alles weiß. Gerade diese Offenheit kann dazu befähigen, wirklich Gott selbst weiterzuschenken und nicht die eigene Idee von ihm.

„Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst“ (2 Kor 4, 5)

Worin liegt aber nun das Besondere des kirchlichen Dienstamtes?

Mit wenigen Worten gesagt: Es vergegenwärtigt – in Bezug auf die apostolische Überlieferung – Wort und Wirken Jesu Christi selbst und steht somit nicht nur mitten in der Kirche, sondern auch den übrigen Gläubigen gegenüber.

Nicht Abgrenzung, Steigerung des gemeinsamen Priestertums oder Herrschaft über die anderen ist damit gemeint. Die Weihe will vielmehr zum Ausdruck bringen, dass da jemand weder uns noch sich mehr gehört, sondern qualitativ neu gesendet und bevollmächtigt ist, als Zeichen und Werkzeug Jesu Christi zu handeln.

Nicht die Qualitäten der eigenen Person sind entscheidend – Leistung, Tüchtigkeit und Ausstrahlung –, sondern die gnadenvolle Befähigung, transparent zu sein, Christus durch sich handeln zu lassen und auf ihn sakramental zu verweisen.

Schon Paulus betont das, wenn er sagt: „Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn ...“ (2 Kor 4,5)

Darin liegt die Bedeutung des Weiheamtes: die Gemeinde immer wieder auf Christus als ihren Ursprung und ihr Haupt, ihr bleibendes Gegenüber und in ihr handelndes Subjekt offenzuhalten.

Dabei hat sich jeder Amtsträger permanent zu prüfen: Stehst du wirklich für einen anderen, für Christus, für den dienenden und gekreuzigten Herrn, und vermag die Gemeinde dies auch zu erkennen und zu akzeptieren, dass du in deinem amtlichen Tun und persönlichen Verhalten für ihn stehst?

Entlastend ist jedoch, dass die Wirksamkeit des kirchlichen Heilsdienstes nicht von der persönlichen Heiligkeit seiner Amtsträger abhängt. Mögen diese auch sündig sein und versagen, Christus bleibt im Wirken der Geweihten seiner Kirche nahe. Diese Zusage kann zugleich demütig machen, weil aus ihr folgt, dass niemand die Macht hat, das Werk Christi und die Existenz seiner Kirche zu zerstören.

„Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkünden und zu bezeugen…“ (Apg 10, 42)

Lange Zeit wurde Priestersein im Sinne einer Überhöhung verstanden. Das Amt hatte sich von der „Basis“ abgehoben. Das Volk wurde belehrt und geleitet – von oben herab. Es gab Befehl und Gehorsam, Definition und Für-Wahr-Halten-Müssen, Ritus und „Hören einer Messe mit Andacht“.

Heute ist aber wieder deutlicher geworden: Worum es eigentlich geht, sind personal gelebteVollzüge. Aus einer Beziehung – zu Jesus Christus – zu leben und Beziehung zu stiften, ist entscheidend. Das Amt hat dabei dienende Funktion: es weckt, stärkt und begleitet im „Volk Gottes“ die Beziehung zu Jesus Christus und zueinander.

Das geschieht, wenn wir miteinander das Gespräch suchen – über eine Botschaft, die letztlich einfach und wesentlich ist. „Der Zeuge muss dabei auch ein Horchender sein: horchend auf die Botschaft, die auch ihn immer wieder neu trifft und horchend auf den, dem die Botschaft zugesagt wird.“ (A. Carl) Verkündigung ist so keine „Einbahnstraße“, sondern ein Beziehungsgeschehen, auch wenn es immer wieder einmal der Korrektur und der Rückbindung bedarf.

Solche Beziehung wird lebendig bei der gemeinsamen liturgischen Erinnerung und Vergegenwärtigung der letzten, intimsten Stunde Jesu mit den Seinen. Der Priester ist dabei der, der „die Hingabe Jesu in die Gemeinde hinein ausrufen darf. Er darf das als einer, der in der Gemeinde beheimatet … und – durch seine Weihe – an die Tradition und die Kraft des Geistes angeschlossen ist. Dabei ist er aber nicht Hauptperson, sondern Diener. Der personale Vollzug der Gemeinde ist das Ziel dieses Dienstes.“

Gemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander ereignet sich auch dann, wenn wir tatsächlich bereit sind, wie er den anderen zu dienen und tatkräftig zu helfen, dass Menschen mehr Mensch werden. „Diakonia ist also auch personale Begegnung, Nähe, Wagnis. Abhängig von der Offenheit des Dienenden für Gottes Geist. Wer im Dienst steht, ist immer tiefer in die Quelle der Liebe hineingerufen. Er wird nie Könner sein, sondern Wachender, Horchender, Armer…“

Horchend zu verkündigen, hoffnungsvoll zu feiern und hilfreich zu dienen, sind ursprüngliche Lebensäußerungen von Kirche und Hauptsorge für alle, die in ihr ein Amt haben.

Was nottut, sind der hoffnungsvolle Blick nach vorn und tapfere Schritte auf die Zukunft hin.

Und so darf und möchte ich Ihnen, lieber Herr Maciej, wünschen, dass Sie in der Liebe Jesu Christi bleiben, sich in ihr geborgen wissen und immer wieder ihre heilsame Kraft erfahren. Bewahren Sie sich die Verbundenheit und Solidarität mit allen Gläubigen des Volkes Gottes und halten Sie ihr Herz auch für die anderen Menschen offen. Möge ihr Eifer in dem Dienst, der ihnen übertragen wird, nicht erlahmen und ihre Zuversicht nicht abnehmen. Wen der Herr berufen und erwählt hat, den wird er auch stärken und zum Ziele führen. Möge er sie segnen und zum Segen für viele werden lassen.

Gerhard Feige
Bischof

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