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"Jede Zukunft hat eine lange Vergangenheit"

Grußwort von Bischof Feige zur Magdeburger Bischofschronik

„Jede Zukunft hat eine lange Vergangenheit.“ Diese tiefsinnige Feststellung einer 99jährigen italienischen Politikerin trifft auch auf die katholischen Christen zwischen Altmark und Burgenland, zwischen Harz und Elbe-Elster-Kreis zu, die sich seit 1994 wieder eines eigenen Bistums Magdeburg erfreuen. Obwohl es erst wenige Jahre besteht und eines der jüngsten Bistümer in Deutschland ist, sieht es sich doch in der Kette einer alten und ehrwürdigen Tradition. Sein weites Gebiet mit über 23 000 Quadratkilometern, das es zum flächenmäßig viertgrößten der 27 deutschen Bistümer macht, gehörte im Mittelalter zu den Bistümern Verden, Havelberg, Brandenburg, Halberstadt, Magdeburg, Mainz, Naumburg, Merseburg und Meißen.

Am deutlichsten und bewusstesten knüpft es an die Geschichte des Erzbistums Magdeburg an, das 968 gegründet wurde und bis zur Reformation bestand. So tauchen zum Beispiel in seinem Wappen die Farben rot-weiß (beziehungsweise silbern) des alten Erzbistums auf, 1968 nahm man dessen Errichtung vor 1000 Jahren zum Anlass, feierlich darauf einzugehen, und Norbert von Xanten, der die Geschicke der Magdeburger Kirche als 13. Erzbischof von 1126 bis 1134 geprägt hat, ist der Hauptpatron des neuen Bistums. Schon seit 1982 sehen sich die katholischen Christen dieses Gebietes unter seinem besonderen Schutz. Seinen Namen tragen nicht nur mehrere Gemeinden, auch das katholische Gymnasium in Magdeburg hat sich ihn erwählt. Als weitere Bistumspatrone gelten Mauritius, unter dessen Patronat auch das Erzbistum stand, und Gertrud von Helfta, eine der großen Mystikerinnen des 13. Jahrhunderts. Aber auch noch andere vorreformatorische Heilige und Selige Mitteldeutschlands sind im Bewusstsein, werden gefeiert und finden sich in einer eigenen Bistumslitanei wieder. Auf die Epoche des Erzbistums verweisen zudem mehrere alte Kirchen, die trotz dessen Untergangs und der späteren Aufhebung von 17 Klöstern, die die Reformation überlebt hatten, katholisch geblieben oder wieder dazu geworden sind.

Katholischer Glaube ist aus dem Magdeburger Raum also nie völlig verschwunden. Aus Missionen für Soldaten und Studenten entstanden im 18. Jahrhundert einige neue Pfarreien. Wirtschaftlicher Aufschwung und damit verbundene Zuwanderung führten im 19. Jahrhundert zu weiteren Gemeindegründungen. Am stärksten wuchs die Zahl der Katholiken im Bereich des heutigen Bistums Magdeburg jedoch infolge der durch den II. Weltkrieg ausgelösten Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten an. Inzwischen ist sie wieder auf etwa 100.000 zurückgegangen. Während die wenigen Katholiken Mitteldeutschlands bis ins 19. Jahrhundert hinein dem sogenannten Apostolischen Vikariat der Nordischen Mission unterstanden, übernahm für sie seit 1821 das Bistum – später Erzbistum – Paderborn immer mehr die Verantwortung. Trotz deutsch-deutscher Teilung und einer dadurch bedingten und notwendig gewordenen Entwicklung zu größerer Selbstverantwortung der Magdeburger Kirchenleitung gehörte man territorial und relational bis zur Entscheidung für ein eigenes Bistum im Jahre 1994 dankbar und gern zu Paderborn. Seit nunmehr 11 Jahren selbständig braucht sich das neue Bistum mit seinen Gläubigen und Einrichtungen nicht zu verstecken. Unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen haben wir schon in vielfältiger Weise Erfahrungen gemacht, mit Möglichkeiten und Begrenzungen umzugehen, und hoffen, auch weiterhin zukunftsträchtige Lösungen zu finden.

Was für eine bewegte Geschichte liegt doch hinter uns mit Höhen und Tiefen, Ab- und Aufbrüchen, Erfolgen und Versagen, Anpassung und Widerstand! Mit wie viel Mut und Phantasie ist immer wieder das Evangelium Jesu Christi verkündet und in die Tat umgesetzt worden! Durch welche Nöte und Schwierigkeiten sind die Gemeinden in all den Jahrhunderten, aber auch in den letzten Jahrzehnten hindurchgegangen! Wie viele haben in ihnen Halt, Hoffnung und Zuversicht gefunden! In welchem Maße ist an der „Straße der Romanik“ und im Kernland der lutherischen Reformation aber auch das ökumenische Bewusstsein und die Verbundenheit zwischen den größtenteils zugewanderten Katholiken und den zumeist einheimischen evangelischen Christen gewachsen! Das alles sollte nicht vergessen werden.

Die Erinnerung gehört zu unserem Leben und unserer Identität. Menschen müssen wissen, wo sie herkommen und ihre Wurzeln sind. Eine Gesellschaft ohne Gedächtnis wird krank und kann leichter manipuliert werden. Ein lebendiger Bezug zur Vergangenheit aber stärkt das Selbstbewusstsein und weitet den Horizont, bietet Korrektiv und Trost, lässt auch demütig und dankbar werden und kann sogar dazu bewegen, sich mutig und phantasievoll den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen.

In diesem Sinn begrüße ich die Veröffentlichung der ins Deutsche übersetzten Magdeburger Bischofschronik sehr und wünsche ihren Leserinnen und Lesern erhellende Einblicke in die frühe Kirchengeschichte unserer Region und die Vorstellungswelt mittelalterlicher Chronisten. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Peters, ohne dessen tiefgründigen Spürsinn, leidenschaftlichen Forscherdrang und vorantreibendes Engagement die vorliegende Publikation nicht zustande gekommen wäre. Ich danke aber auch den übrigen Autoren und Korrektoren sehr herzlich für ihren je eigenen gewichtigen Beitrag.

Dr. Gerhard Feige
Bischof von Magdeburg

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