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Tausch: Harte Faust gegen Disziplin und Teamgeist

Im Don Bosco Zentrum finden Jugendliche Anker zum normalen Leben

Magdeburg (pbm) - Mehr als 7000 Kinder und Jugendliche haben in den vergangenen 14 Jahren das Don Bosco Zentrum in Magdeburg besucht. Über 400 kommen regelmäßig, um die sportlichen und geselligen Angebote des offenen Kinder- und Jugendtreffs in der Gemeinde St. Mechthild zu nutzen. Sie alle verbindet ein Ziel: ein ganz normales Leben – abseits von Drogen, Alkohol, Arbeitslosigkeit und Prügelei, weg von den Problemen auf der Straße. „Über zwei Drittel der Jugendlichen haben das Gefühl, nicht gebraucht zu werden“, sagt Schwester Lydia Kaps. Die 44-Jährige leitet den Jugendclub am Milchweg 29. Ihr „Rezept“ gegen Gewalt, Kriminalität und Hoffnungslosigkeit: der Sport.



Schwester Lydia Kaps und ihr Mitarbeiter Gerald Martikke (Mitte) setzen bei der Arbeit mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen voll auf den Sport. Das Don Bosco Zentrum Magdeburg hat inzwischen fünf Fußball-, drei Volleyball- und zwei Basketballmannschaften.

Mit viel Gefühl zwirbelt Marc den Ball aus der hintersten Ecke der Sporthalle zurück in den Strafraum, umdribbelt seinen Gegenspieler und zieht ab. Tor! Der 17-jährige Torjäger im schwarz-gelben Trikot reckt die Faust in die Luft und lässt sich von seinen Teamkollegen umarmen und feiern. Auf der Bank feuert Sr. Lydia Kaps ihre Jungs an, gibt Anweisungen, lacht und klatscht begeistert. Trainingsalltag in der Sporthalle der Reuterschule im Norden Magdeburgs. Hier, unweit des Don Bosco Zentrums am Milchweg, zwischen Plattenbauten und klotzigen Industriekomplexen, hat der Jugendclub in Kooperation mit dem Sportverein Stahl- Nord mehrmals pro Woche die Sporthalle angemietet. Fünf Fußball-, drei Volleyball- und zwei Basketballmannschaften trainie ren regelmäßig, richten eigene Turniere aus und vertreten die Farben Don Boscos bei auswärtigen Wettkämpfen. „Letztes Jahr haben wir sogar das Dekanats-Turnier im Fußball gewonnen. Don Boscos Sportler sind in Magdeburg und Umgebung geliebt und gefürchtet“, erzählt die sportbegeisterte Don Bosco Schwester und lacht zufrieden.

Zwischen sportlichen Erfolgen
und persönlichem Schicksal


Hinter den Erfolgen und der Anerkennung der letzten Jahre stecken mehr als zehn Jahre harte Jugendarbeit. Magdeburg, kurz nach der Wende: Die Arbeiterstadt an der Elbe gilt als ehemalige Hochburg des Ostens, ist noch stark vom kommunistischen System der damaligen DDR gekennzeichnet. Über 20 Prozent der Menschen sind schon länger arbeitslos oder haben gerade ihren Job verloren. Vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit drückt auf die Stimmung. Die Jugendlichen verbringen ihre Freizeit zum Teil auf der Straße, trinken Alkohol, nehmen Drogen oder skandieren rechtsradikale Parolen. Familien brechen auseinander. Zusammenhalt fehlt.

Schwester Lydia, gelernte Erzieherin, kam vor 14 Jahren nach Magdeburg, um zusammen mit ihren Mitschwestern eine offene Kinder- und Jugendarbeit aufzubauen und nicht zuletzt auch, um christliche Werte zu vermitteln. Die Situation im Don Bosco Zentrum war angespannt. In der einen Ecke eine Gruppe mit Drogen- oder Alkoholproblemen, in einer anderen Jugendliche, die gerne mal gewalttätig oder kriminell wurden. Dazwischen vereinzelt die Pfarrjugend von St. Mechthild und Schüler von Gymnasium oder Realschule. „Eine explosive Mischung“, erinnert sich Sr. Lydia. Selbst im Gefängnis musste sie den einen oder anderen besuchen. „Das waren Chaoten, die nur Mist im Kopf hatten, ohne Selbstwertgefühl und Motivation. Manche hatten eine Bierdose lieber als alles andere“, erzählt Sr. Lydia Kaps. Resignation, Hoffnungslosigkeit und fehlende Motivation machten sich breit, dazu kam die schwierige Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Sport verbindet alle
gesellschaftlichen Schichten


Um eine gute Jugendarbeit aufzubauen, habe man damals nach einem Instrument gesucht, das alle Gruppierungen verbindet. Der Sport bot sich als ideales Mittel an. Werte wie Disziplin und Teamgeist werden dabei gefordert, nicht zuletzt auch Leistungsbereitschaft und eine gesunde Portion Ehrgeiz. „Wer sich bewegt, kommt von den negativen Gedanken weg“, bringt Gerald Martikke sein Konzept auf den Punkt. Der 53-jährige Mitarbeiter und ehemalige Boxer arbeitet seit zwölf Jahren im Don Bosco Zentrum. Zusammen mit Sr. Lydia organisiert er das Training der Mannschaften sowie Turniere und Wettkämpfe.

Über 70 Pokale haben die Jugendlichen seitdem gesammelt. Weit mehr als 100 Urkunden schmücken die Wände der Jugendräume im Keller der Pfarrei St. Mechthild. Jede einzelne ist mit den Namen der Jugendlichen versehen. „Die Namen sind ganz wichtig. Ein Jugendlicher, der sich sonst als nutzlos empfindet und angeschlagen ist, erfährt so Anerkennung und fühlt sich angenommen. Sein Name zeigt, dass auch er für diese Leistung wertvoll war“, erklärt Sr. Lydia Kaps. Wer Leistung bringt, hat auch Erfolg. Beim 1. Magdeburger Volleyball-Cup im Herbst vergangenen Jahres übernahm erstmals ein Jugendlicher die alleinige Turnierleitung. Andere Mädchen und Jungen des Jugendclubs agierten als Schiedsrichter. Sr. Lydia und Gerald Martikke halfen im Hintergrund.

„So entwickeln die Jugendlichen über den Sport hinaus auch ganz andere Fähigkeiten, die sie später im Berufsleben gut gebrauchen können“, sagt Sr. Lydia. Der Sport als Anker zum normalen Leben, als Mittel, um Drogen, Alkohol und Kriminalität erfolgreich entgegenzutreten. „Viele wussten früher nicht mal wie ein Fußball aussieht – die Faust im Gesicht, die kannten sie aber“, so Sr. Lydia. Das hat sich geändert. Mit Problemen wie Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst haben die Jugendlichen zwar weiter zu kämpfen, durch die positiven Erlebnisse im Sport und in der Gemeinschaft treten sie ihnen aber selbstbewusster entgegen.

Katharina Hennecke

aus: Don Bosco Magazin 3/06

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