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"Gut, so lange in Auschwitz!"

Christen hatten zu außergewöhnlicher Reise eingeladen

Halle/Auschwitz (eb) - „Erinnern für die Gegenwart" stand über einer Studienreise, die Christen aus dem Bistum Magdeburg im August nach Auschwitz und Krakau unternommen haben. Veranstalter waren die Katholische Erwachsenenbildung mit Sabina Lenow, die Katholische Studentengemeinde Halle mit Pfarrer Marco Vogler, Pax Christi und Monika Lazar im Auftrag der Pfarrei St. Franziskus Halle. Im Folgenden gibt Frau Lazar, von der die Initiative für die Reise ausging, einige Ihrer Eindrücke wieder.

überdimensionaler Stuhl auf Krakauer PlatzUm es gleich vorweg zu sagen: Wir erlebten eine so nicht erwartete intensive und sehr bewegende Woche. Trotz der unterschiedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es eine gute und schwer beschreibbare Zeit. Da wir vier Tage im Zentrum für Dialog und Gebet in Auschwitz verbracht hatten, waren wir ganz nah dran an dem, was sich mit Auschwitz verbindet. Wie ein trockener Schwamm das Wasser aufsaugt, so nahmen wir die vielen Informationen unserer polnischen Führerin auf. Da uns der Vizepräsident von Pax Christi Deutschland, Johannes Schnettler, begleitete und er sich vor Ort sehr gut auskennt, war manches möglich, was Gruppen zwangsläufig vorenthalten bleibt. Die Seele konnte hinterher kommen. Ich selbst kam mir in der Woche wie ohne Zeit und Raum, irgendwie außerhalb des normalen Lebens, vor. Es ist schwer in Worte zu fassen.

Das Ausmaß der Vernichtung, die ganze Maschinerie, die Einzelschicksale - wir konnten auch einen überlebenden Roma sprechen -, das ist einfach unfassbar. Vor der Todeszelle von Pater Maximilian Kolbe zu stehen, oder vor den Resten des Weißen Hauses wo Edith Stein umgebracht wurde, bleibt sicher ein Leben lang haften.

Die Gruppe konnte gut mit der Be- und Getroffenheit Einzelner umgehen, sie auffangen oder stehen lassen. Wir sind durch das Konzentrationslager Birkenau sogar zweimal gegangen: Einmal wurden wir geführt, ein andermal beteten wir einen Kreuzweg, den der Leiter des Zentrums, Pfarrer Dr. Manfred Deselaers herausgegeben hat. Dabei kamen Information und persönliches Einfühlen ergänzend zusammen. Johannes Schnettler meinte, wir wären seine erste Gruppe, mit der er so den ganzen Kreuzweg unter Mitbeteiligung von allen, gehen konnte, und er sei bestimmt schon zwölf Mal in Auschwitz gewesen..

Unsere Morgengebete und der ökumenische Gottesdienst gingen sehr nahe. Wir waren auf Besinnungsfahrt. Allen, die uns im Vorfeld gesagt haben: „So lange dort in Auschwitz!", können wir nur sagen: Gut, so lange in Auschwitz! Wir haben ja nicht „in den Baracken" gewohnt, wie einer meinte. Wir hatten im Zentrum eine sehr ansprechende Unterkunft, gutes Essen; in Pfarrer Deselaers und Johannes Schnettler kompetente Gesprächspartner. Da konnten wir auch trotz des vergangenen Leids, mit dem wir konfrontiert wurden, am Abend gesellig zusammen sein.

Gruppe betet den Kreuzweg vor GedenksteinenDarin besteht die Spannung: Aushalten, das Schlimme, was damals passiert ist und auf der anderen Seite versuchen, unser Leben gut zu leben, eintreten, damit so etwas nicht wieder passiert, aufmerksam sein. Auch die Menschen, die hier wohnen, wollen leben, erklärte uns Max, ein Jugendlicher der für Pax Christi in Auschwitz einen Freiwilligendienst leistet,. Fünf Jahre Lager dürften schließlich nicht 800 geschichtsträchtige Jahre Oswiecim kaputt machen.

Dann die zwei Tage in Krakau. Sie standen unter dem Thema: Stadtgeschichte und jüdisches Leben. Charmant geführt von Joanna, erkundeten wir die Stadt. Im ehemaligen jüdischen Ghetto, erinnerten uns riesengroße Stühle an das maßlose Leid der Juden; sie hatte damals gehofft, beim Abtransport in die Lager, ihr Hab und Gut mitnehmen zu können. Daran erinnern die überdimensionalen Stühle auf der Straße.

Junge, gut bewachte israelische Schüler begegneten uns auf dem Weg durch das Ghetto. Viele davon waren auf den Spuren Ihrer getöteten Angehörigen unterwegs. Am letzten Abend im Klezmerhaus des jüdischen Stadtviertels Kazimierz konnten wir uns von Klezmermusik tragen lassen.

Wie gehen wir um mit der Erinnerung an Auschwitz und die anderen Stätten des Grauens? Was wird sein, wenn die Überlebenden bald nicht mehr Zeugnis geben können? Diese Fragen gehen meines Erachtens jeden an. Und wer die Diskussion über „Auschwitz dancing" verfolgt hat, dem können wir nach der Fahrt sagen: Ein Überlebender darf und kann in Auschwitz tanzen!

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