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Kirche, die unbekannte kulturpolitische Macht

Das Magdeburger Ökumenische Neujahrsgespräch

Traditionell zu Beginn des neuen Kirchenjahres laden Evangelische Landeskirche Mitteldeutschland und das Bistum Magdeburg zum Magdeburger Ökumenischen Neujahrsgespräch ein. In diesem Jahr fand der Empfang im Gestaltungsforum statt, einem etablierten Ort ambitionierter Kunst- und Kulturprojekte. Lautete doch das Thema des Abends: Kirche und Kultur: Dialog oder Funkstille?

Kirche und kirchliche Kunst haben eine große Bedeutung für das kulturelle Gedächtnis und Bewusstsein unserer Gesellschaft, auch wenn der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, das nicht immer so sah, wie er in seinem Impulsvortrag erklärte: „In der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ nervte mich mein Mitsachverständiger Thomas Sternberg mit seiner Mahnung, wenn über Kultur in Deutschland gesprochen wird, die Kirchen nicht zu vergessen. Seine Mahnung wurde von mir anfangs etwas belächelt und abgetan. Ich konnte mir bei aller Wertschätzung der Kirchen nicht vorstellen, dass sie eine so große Rolle spielen. Wir haben uns dann geeignet, der Sache auf den Grund zu gehen.“

Und das Ergebnis eines Gutachtens erstaunte viele, „denn die Kirchen setzen etwa 20 Prozent ihrer Kirchensteuern, Zuwendungen und Vermögenserlöse für ihre kulturellen Aktivitäten ein. Die Gutachter gaben einen Wert von etwa 3,5 bis 4,8 Mrd. Euro im Jahr an.“

Und diese Kulturaktivitäten der Kirchen reichen von der Bibliotheksarbeit, den Museen in kirchlicher Trägerschaft, der Kirchenmusik, den Kirchenbauten bis hin zu den Aktivitäten der Kirchen im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. „Insbesondere die Kirchen leisten unverzichtbare Kulturarbeit. Im ländlichen Raum sind sie oft die einzigen Kulturanbieter.“

Bischof Dr. Gerhard Feige machte die Bedeutung von Christenheit und Kultur in seinem Impuls sehr deutlich: „Jesus Christus – vor 2000 Jahren am östlichen Rand des Römischen Reiches als Jude geboren – ist sozusagen der „Ernstfall“ der Inkulturation. In ihm begegnen sich die Frohe Botschaft und die jeweilige menschliche Kultur.“ Über die Jahrhunderte veränderte sich die Wechselwirkung zwischen Kirche und Kultur. „Musste sich die junge Kirche als Minderheit unter mächtigen Kulturen erst noch bewähren, so änderte sich das in der Spätantike und im Mittelalter grundlegend. Ganze Völker wurden christlich. Und so ist die Kirche allmählich zum mächtigsten Faktor des geistigen Lebens und des sozialen Zusammenhalts geworden. Sie hat die Welt beträchtlich geformt und bewirkt, dass die heutige europäische Kultur in fast allen Bereichen auf christliche Anstöße zurückgeht.“

„In der Neuzeit jedoch hat sich diese enge Verbindung zwischen Kirche und Kultur zutiefst verändert. Vieles ist vom modernen Staat übernommen worden. Die verschiedenen Künste haben sich von den kirchlichen Vorgaben emanzipiert. Und umgekehrt hat sich die Kirche von der Kunst distanziert und versucht, einen eigenen Sektor „christliche Kunst“ aufrecht zu erhalten.“

„Vieles deutet inzwischen darauf hin, dass Kirche und Kultur sich längst nicht mehr wie zwei feindliche Blöcke gegenüberstehen. Auffallend oft sucht die Kunst der Gegenwart Themen, die wir als „transzendent“ bezeichnen können. Dabei geht es um die Suche nach Sinn, um Hoffnung und Verzweiflung, um Schuld und Erlösung. Und im öffentlichen Bewusstsein gelten die Kirchen allmählich wieder als größter Kulturträger neben dem Staat und den Kommunen. Sie stehen sozusagen auch für das kulturelle Gedächtnis Europas und stiften in den Umbruchszeiten, in denen wir leben, Identität. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass Klöster wieder Konjunktur haben. Immer mehr Menschen wollen dort auftanken, suchen nach Orientierung und sind von der Kunst und der Geschichte fasziniert.“

Auch Norbert Pohlmann, Geschäftsführer Forum Gestaltung e.V. sieht neben Staat und Kommunen die Kirchen als eine der größten Kulturträger. „Es gibt immer weniger Möglichkeiten, jenseits der konventionellen Räume aufzutreten und auszustellen“, so Pohlmann, „Kirchen und Vereine sind da ein gutes Beispiel, insbesondere in ländlichen Gebieten.“

In diesem Zusammenhang wurde der von Olaf Zimmermann und dem Deutsche Kulturrat eingeworfene Satz „Die Kirchen, die unbekannte kulturpolitische Macht“, als wichtiger Impuls für die Diskussion aufgenommen.

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