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OR Dr. Annette Schleinzer kommentiert 

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Dr. Annette SchleinzerAls „plötzliche Eingebung des Heiligen Geistes“ beschreibt Papst Johannes XXIII. seinen Entschluss, ein Konzil durchzuführen. Mit einer Dynamik, die man in Rom nicht gewohnt war, stellte er die Sorge um den Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens und Handelns.

Davon ist auch seine berühmte Eröffnungsrede geprägt. Sie ist eine klare Absage an all die „Unglückspropheten“, die davon ausgehen, dass es mit dem Glauben und der Kirche immer mehr bergab geht. Die sich deshalb am liebsten auf eine „Insel der Seligen“ retten möchten, auf der sie den Glauben möglichst unversehrt bewahren können.

Ein solches Verständnis von Glauben und Kirche ist jedoch selbstzerstörerisch. Es widerspricht der Wahrheit des Glaubens. Denn diese ist keine zeitlos-abstrakte Lehre, sondern eine Person: Jesus Christus. Er hat sich auf die Menschen eingelassen, um sie in die Dynamik seines unzerstörbaren Lebens hineinzuziehen.

Jesus Christus ist - im Heiligen Geist - in seiner Kirche weiterhin am Werk. Damit ist ihr Auftrag vorgegeben: Wie Jesus muss sie sich auf die Menschen hin bewegen und darf sich nicht ängstlich oder überheblich von der Welt abschotten.

Für Johannes XXIII. stand deshalb ein „Sprung nach vorn“ an – so die Formulierung in der ursprünglichen italienischen Fassung der Eröffnungsrede. Dieser „Sprung nach vorn“ meint die Weise, wie die Entwicklungen der Gegenwart gedeutet werden; denn sie enthalten „Zeichen der Zeit“, denen sich die Kirche zu stellen hat. Er meint die Weise, wie sich die Kirche in der Welt von heute auf die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (GS 1) aller Menschen einlässt. Und er meint schließlich die Weise, wie sich das kirchliche Lehramt versteht: nicht ausgrenzend und verurteilend, sondern „vorwiegend pastoral“. Das heißt, es muss den Schatz, der ihm anvertraut ist, so vermitteln, dass die Menschen erkennen können, „zu welcher Hoffnung sie berufen sind“. Dafür ist die Kirche da. Ihre Lehre ist vom Leben der Menschen nicht zu trennen, Dogma und Pastoral durchdringen einander.

Papst Johannes XXIII. hat mit seiner Eröffnungsrede das Programm des Konzils vorgegeben. Sie ist der Schlüssel zu seinem Verständnis. Und in diesem Sinne steht nach wie vor eine kreative Aneignung seiner Inhalte an. Uns als kleiner Ortskirche in einem vorwiegend konfessionslosen Umfeld kann dabei die Glaubenszuversicht von Papst Johannes XXIII. eine große Ermutigung sein. Denn auch wir sehen uns dazu gezwungen, einen „Sprung nach vorn“ zu wagen.

Alles andere wäre  - mit Dietrich Bonhoeffer gesprochen - ein „Salto mortale zurück ins Mittelalter“.

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