Kirche als konfessionell-konfessionsfreies Kooperationsprojekt

Die gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen der vergangenen Zeit führen dazu, dass in konfessionellen Einrichtungen im Bistum Magdeburg, wie etwa einer Schule oder einer Kindertageseinrichtung, zunehmend konfessionsfreie und konfessionelle Mitarbeitende zusammenwirken. Konkret: Das Kollegium einer Konfessionsschule hat konfessionsfreie Mitglieder, die genauso für das christliche Profil der Einrichtung einstehen (müssen). Diese Zusammenarbeit führt zu einer Veränderung von Kirchenbildern, die der folgende Beitrag anfanghaft reflektiert.

Ein Wesensmerkmal von Kirche ist ihre Sendung, Zeugin des Reiches Gottes zu sein. Zugleich arbeitet sie an der Verwirklichung des Reiches Gottes mit. In diesem Zusammenhang erweist sich Kirche als Sakrament (vgl. das Zweite Vatikanische Konzil in Lumen gentium 1 und 48 in Verbindung mit Gaudium et spes 3) – Zeichen und Werkzeug. Diese Sendung stellt sich in allen ihren vier Grunddimensionen dar: Martyria, Diakonia, Leiturgia und Koinonia.

Auch wenn alle vier Grunddimensionen sich in einem gegenseitigen Bezug gemeinsam darstellen, so wirkt doch insbesondere die Dimension der Diakonia über den Bereich des Eigenen hinaus, in das Umfeld hinein. Dieses Umfeld ist für die katholische Kirche im Bistum Magdeburg und im Osten Deutschlands allgemein durch eine konfessionsfreie Mehrheitsgesellschaft geprägt. Diese Wirklichkeit bleibt nicht ohne Folgen für die Ausübung der Sendung: Gerade in den gesellschaftlich besonders wirksamen Vollzügen wie Schule und Caritas ist die kirchliche Gemeinschaft auf die Mitarbeit konfessionsfreier Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Ein großer Anteil (etwa ein Drittel in den Schulen der Edith-Stein-Schulstiftung im Bistum Magdeburg) oder die Mehrheit (70% im Caritasverband) der Mitarbeitenden sind konfessionsfrei. Um es auf den Punkt zu bringen: Ohne die Mitarbeit der Konfessionsfreien wäre eine konkrete Ortskirche, wie exemplarisch die Magdeburger, wohl nur schwer in der Lage, ihren Sendungsauftrag gerecht zu werden. Da es sich mit Bildung und Caritas um sehr originäre Vollzüge der diakonischen Grunddimension von Kirche handelt, wäre hier noch einmal zuzuspitzen: Die konfessionsfreien Mitarbeitenden nehmen an der sakramentalen Sendung der Kirche teil.
Um hier nicht in eine Tendenz der Vereinnahmung hineinzugeraten, ist es wichtig, die Andersheit der konfessionsfreien Mitarbeitenden ernst zu nehmen und im Blick zu behalten. Auch wenn es eine Übereinstimmung mit bestimmten Grundwerten gibt, die sich etwa im Leitbild einer Einrichtung niederschlagen, so sind die Begründungen für diese Grundwerte zwischen den Konfessionellen und den Konfessionsfreien unter Umständen unterschiedliche. So steht etwa die Frage, inwieweit dabei die Dimension des Glaubens als Grundlage herangezogen wird oder eine andere Quelle eine Bedeutung hat. Im Idealfall stehen Mitarbeitende in den Einrichtungen über ihre Motivationen miteinander im Gespräch und haben diese etwa in Leitbildprozessen miteinander abgeglichen. Ich würde sogar noch weiter gehen: Dieser Abgleich zwischen den Konfessionellen und Konfessionsfreien ist wesentlich für das Profil einer christlichen Einrichtung. Die intensive Profilarbeit, die vielerorts stattfindet, weist auf diesen Zusammenhang hin.

Jedoch sollte uns bewusst sein, dass diese Profilarbeit zwischen Konfessionellen und Konfessionsfreien das Selbstverständnis der Einrichtungen und die Begründung des dort stattfindenden Handelns verändert. Gewissermaßen wird dabei etwas in der Wahrnehmung eingeholt, was sich in dem konkreten Vollzug bereits darstellt. Nämlich: Dass das gemeinschaftliche Handeln sich in einer einzigen komplexen, nicht sinnvoll trennbaren Wirklichkeit darstellt, in der konfessionelles und konfessionsfreies Engagement miteinander verflochten sind. Dieser komplexe Charakter ist Kirche immer eigen (vgl. dazu das Zweite Vatikanische Konzil in Lumen gentium 8), doch führt die Paarung konfessionell/konfessionsfrei zu einer eigenen Verbindung. Die Erfüllung der sakramentalen Sendung ist in dieser Verbindung auf Kooperation angelegt.

Die Arbeit am Profil der Einrichtung kann zu Tage fördern, wie sehr die jeweiligen Teile des Engagements die gemeinsame Handlung jeweils prägen und aus welchen Quellen sich dieses gemeinsame Handeln speist. Letztlich kann sie zu einer Vergewisserung des gemeinsamen Projektes führen. Uns sollte dabei sehr bewusst sein, dass Arbeit am Profil ein Aushandlungsprozess ist, wie sich das konfessionell-konfessionsfreie Kooperationsprojekt Schule oder Sozialstation konkret in einer als christlich oder katholisch etikettierten Einrichtung darstellt. In diesen Aushandlungsprozessen sind gerade die konfessionellen Teile sehr gefordert, ihr Handeln im Licht des Evangeliums zu deuten. Im Sinne eines christlichen Profils oder einer christlichen Unternehmenskultur sind nicht zuletzt die Träger gefordert, diesen hoch kommunikativen Prozessen Raum und Förderung einzuräumen.

Theologisch gesprochen sind diese Prozesse Ausdruck einer Inkulturation des Evangeliums in eine konfessionsfreie Mehrheitsgesellschaft, die zu einer eigenen Art des christlichen Wirkens führt. Es wird in den nächsten Jahren eine Frage sein, inwieweit sich die katholische Kirche hier im Osten Deutschlands als Diasporakirche vor der Erfahrung der Kleinheit selbst beschränkt oder sie sich in dieses konfessionell-konfessionsfreie Kooperationsprojekt hineingibt. In letzterem dürfte sich der Sendungscharakter von Kirche, der ihr ja eigen ist, deutlicher ausprägen. Warten wir’s ab.
Dr. Thomas Pogoda
Begriff "konfessionsfrei"

Der Beitrag verwendet konsequent den Begriff „konfessionsfrei“, um den Bekenntnisstatus zu beschreiben. Dieser Begriff verzichtet auf eine Defizitbeschreibung, wie sie etwa der Begriff „konfessionslos“ suggerieren könnte. „Konfessionsfrei“ stellt dabei über die Begrifflichkeit eine Einübung in einen wertschätzenden Diskurs dar, der zwischen christlich Konfessionellen und konfessionell Anderen zu führen ist.
Thomas Pogoda
ist 1977 in Quedlinburg geboren. Als Direktor der Fachakademie für Gemeindepastoral führt er im Auftrag der Edith-Stein-Schulstiftung Seminare für konfessionsfreie Lehrkräfte durch. Der ehrenamtliche Diakon arbeitet regelmäßig im mehrheitlich konfessionsfreien Team der Magdeburger Bahnhofsmission mit.
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MOMENT. Pastoral-Magazin aus dem Bistum Magdeburg.

Herausgeber: Fachbereich Pastoral in Kirche und Gesellschaft
im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg
(
Ausgabe 23 | März 2023)

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Bild "Bunt": © CC0 Alexander Grey auf pexels;
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