umgeschaut

Suchen und fragen, anregen und verwandeln: Pastoral für LehrerInnen am Liborius-Gymnasium Dessau
 
Die Zukunftsbilder des Bistums Magdeburg sehen als wichtiges tragendes Element einer missionarischen und auf Zukunft ausgerichteten Kirche, dass  sie „an anderen Orten“ nicht nur präsent ist, sondern dass sich der Begriff von Kirche- und Gemeinde-Sein löst von der traditionellen Territorial-Gemeinde und sich „an anderen Orten“ konstituiert. Wenn Jesus seine Gemeinden da sieht, „wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“, dann darf diese Zusage für unsere verschärfte Diaspora-Situation der Zukunft heißen, dass Kirche überall da ist, wo sich selbst kleinste Gruppen in seinem Namen zusammenfinden, um sein Wort zu hören, darüber nachzudenken und es zu verkünden, um Gottesdienst zu feiern oder den Menschen zur Seite zu stehen und sie Gottes Liebe durch Zuwendung und Nähe erfahren zu lassen.
 
Nicht jede/r denkt hier gleich an Schulen als solche Orte. Die Schulen der Edith-Stein-Schulstiftung des Bistums Magdeburg wollen aber gemäß des Leitbildes ihres Trägers  „Kirche an anderen Orten“ sein. Viele werden in erster Linie denken, dass hier vor allem die SchülerInnen in den Blick genommen werden. Oft vergessen werden aber die Lehrkräfte an unseren Schulen. Sie sind durch ihr Beispiel, ihr Handeln sowie ihre Dialogbereitschaft zu Fragen des Glaubens stets auch Handelnde der Pastoral. Vergessen wird allzu schnell, dass sie selbst auch durch die Pastoral in den Blick genommen werden müssen.
 
Zum einen sind unsere Lehrkräfte selbst Suchende in ihrer Glaubenserfahrung. Nicht jede Lehrkraft, nicht jeder Mensch, der einst durch die Taufe in die Kirche aufgenommen wurde, hat die durch die Taufe grundgelegte Beziehung zu Christus pflegen können oder stets pflegen wollen. Oft hat er oder sie auch tiefe Enttäuschungen in seiner Kirche oder der durch den Glauben geprägten Familie erlebt, die den Weg zur Beziehungsaufnahme mit Kirche oder Gott versperren. Oder er/sie hat aufgrund seiner Erziehung noch nie einen Schritt der Begegnung mit dem Gott Jesu Christi getan. Was aber alle Lehrkräfte an unseren Schulen eint, ist ein hoher Grad der Identifikation mit dem auf christlichem Menschenbild basierenden Erziehungs- und Bildungskonzept unserer Schulen.
 
Zugleich bedürfen unsere Lehrkräfte der geistlichen Stärkung. Der Lehrerberuf – wie alle Berufe im diakonischen Bereich – zehrt an den emotionalen und spirituellen Reserven derer, die sich Tag für Tag auf andere Menschen einlassen und sie auf ihrem Lebensweg begleiten. Immer wieder werden besonders Lehrkräfte radikal in ihren Werthaltungen und in ihren Normen angefragt und nicht selten auch angefeindet.
 
Schließlich gehen Menschen durch Sinn- und Lebenskrisen. Gerade unter LehrerInnen sind Phänomene wie Burnout und frühe Verrentung besonders verbreitet, was von der hohen Gefahr zeugt, durch den Beruf ausgelaugt zu werden. LehrerInnen bedürfen also verschiedener Angebote, die ihnen helfen, ihre Kraftquellen zu speisen und sich in Gott und in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter geborgen zu wissen.

 
Liborius-Gymnasium Dessau: Raum der Stille
Was heißt diese hier nur angerissene Analyse nun für eine Pastoral für die Lehrenden an unseren Schulen bzw. konkret am Liborius-Gymnasium Dessau?

Unsere Schulpastoral möchte die Menschen, die mit uns am Liborius-Gymnasium leben, mitnehmen, Anregungen geben und verwandeln, d.h. eine kleine spirituelle Bewegung in ihnen auslösen. Dies geschieht ständig im Alltag eines Schuljahres:

Oasentage
 
Zweimal im Jahr bietet der Pädagogische Leiter unserer Schule einer Gruppe von 3-5 Lehrkräften sogenannte „Oasentage“ an. Die Gruppe fährt für anderthalb Tage ins Kloster Mühlberg, um dort eine Zeit der geistlichen Besinnung und Orientierung zu verbringen. Der Begriff der Exerzitien, der die Veranstaltung genauso gut beschreiben würde, wurde hier bewusst nicht gewählt, um das Angebot auch für evangelische und Nicht-Christen attraktiv zu halten.
 
Geistlicher Impuls in der Lehrerkonferenz
 
Jede Lehrerkonferenz hat ein geistliches Element, „Impuls“ genannt. Das kann ein Bibelwort oder ein gemeinsam gesungenes geistliches Lied sein, es kann aber auch eine Geschichte oder ein kleiner Sachtext zum Nachdenken und Innehalten sein.
 
Geistlicher Roter Faden zur jährlichen schulinternen Lehrerfortbildung
 

Einmal jährlich im November fährt das gesamte Kollegium zu einer zweitägigen schulinternen Lehrerfortbildung, in der Regel in ein katholisches Bildungshaus. Begleitend zum Tagungsthema gibt es stets einen geistlichen „Roten Faden“. So haben wir uns auf unserer Tagung zur Prävention begleiten lassen durch
Lk 18,15-17 („Und sie brachten Kinder zu Jesus...“). Die Bibelstelle war durch eine gestellte Egli-Figuren-Gruppe im Plenum stets präsent und wurde an Schnittstellen der Tagung immer wieder neu in den Blick genommen. Sie war zugleich Schrifttext für die Morgenandacht am zweiten Tag.

In größeren Abständen gestalten wir auch einmal eine ganze schulinterne Fortbildung zu einem geistlichen Thema, so zuletzt 2007 zur „Stillung des Sturms auf dem See“. Die nächste ist für dieses Jahr in Planung.
 
Spirituelle Fortbildungen
 
Gemäß dem Fortbildungskonzept der Edith-Stein-Schulstiftung ist jede Lehrkraft verpflichtet, sich nach bestimmten Kriterien regelmäßig fortzubilden. Zu diesen Kriterien gehört auch die spirituelle Fortbildung. Hier zeigt sich eine Scheu vieler KollegInnen, diese Verpflichtung so zu erfüllen, dass sie Angebote echter spiritueller Natur wahrnehmen. Viele KollegInnen nutzen dann lieber ein Vortrags- oder Seminarangebot, das eher intellektueller als spiritueller Natur ist. Es mangelt jedoch sicher nicht an Angeboten. Sowohl das Bistum als auch der Schulträger bieten regelmäßig geeignete und interessante spirituelle Fortbildungen an. Die Schwelle, sich auf solche Fortbildungen einzulassen, ist offenbar für viele KollegInnen noch recht hoch.
 
Pausenkreuzweg
 
In der letzten Fastenzeit haben wir einmal in einer Pause nicht zum Pausengebet für die Schüler eingeladen, sondern gezielt einen Kreuzweg für die KollegInnen mitten im Schultag und mitten im Schulhaus angeboten. Er wurde immerhin von knapp einem Dutzend KollegInnen angenommen.
 
Angebote im Advent
 
Mit seiner jährlich wiederkehrenden besonderen Gestaltung des Schullebens im Advent hat sich das Liborius-Gymnasium Dessau um den Bonifatius-Preis 2017 beworben. Wenn wir auch nicht zu den Preisträgern gehört haben, so werden die Angebote für die gesamte Schulgemeinschaft, für die Kirche des Liborius-Gymnasiums als Beispiele für best practise in die Broschüre zum Bonifatius-Preis Eingang finden. Teil der Angebote zum Advent sind eine auch gottesdienstlich ausgestaltete Adventsfeier oder die Tradition eines täglichen Adventskalender-Elementes im Raum der Stille unserer Schule, das natürlich auch den KollegInnen und MitarbeiterInnen der Schule offensteht und von ihnen auch rege genutzt wird.
Wie prägt das Leben als Minderheit eine christliche Schule in Sachsen-Anhalt? Radio Vatican hat das Liborius-Gymnasium besucht und u.a. erfahren, warum dreimal in der Woche die Schulglocke läutet. Hören Sie hier einen Beitrag dazu.
Am Liborius-Gymnasium wollen wir die KollegInnen nicht nur als (Mit-)Verantwortliche für die Pastoral mit den SchülerInnen in die Pflicht nehmen. Wir sehen sie – und auch uns selbst als Führungskräfte! – stets auch als Menschen, die des Zuspruches und der geistlichen und seelischen Speisung durch Gottes Wort und durch die Begegnung mit Menschen, „die sich unserer hungrigen Seelen annehmen“, bedürfen. Diesen Dienst können wir aneinander tun. Es tut aber auch gut, immer wieder Menschen aus den Territorial-Gemeinden beider Konfessionen und anderen Kirchenorten wie Klöstern und Bildungshäusern an unserer Seite zu wissen, die uns in ihren Worten und mit ihrem Leben von Gott erzählen.
 
Benedikt Kraft
Schulleiter Liborius-Gymnasium Dessau

(Bernd Krüger sei für die Zuarbeit zu diesem Artikel gedankt. Er ist der Pädagogische Leiter unserer Schule und zugleich der Verantwortliche für die Schulpastoral. Einen Schulseelsorger im engeren Sinne hat das Liborius-Gymnasium nicht.)
Benedikt Kraft

ist 1964 in Mönchengladbach geboren. Nach dem Studium der Anglistik, Russistik und Theologie in Bonn und Leverkusen kam er 1994 nach Magdeburg. Seit 2005 leitet er das Liborius-Gymnasium in Dessau.
Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.
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Newsletter des Fachbereichs Pastoral in Kirche und Gesellschaft

im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg

(Ausgabe März 2017)
Himmelsleiter: © Sergey Nivens / Fotolia
alle weiteren Bilder: © Liborius-Gymnasium Dessau

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