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Neugier und Neuland – Religiöse Bildung für religiös ungebundene Erzieherinnen

Bischof Feige hält die extreme Diasporasituation nicht für ein Missgeschick oder Unglücksfall der Kirchengeschichte, sondern eigentlich für den Normalfall des Christentums mit entsprechenden Gefahren und Chancen, vor allem aber auch als heilsame Herausforderung und das gilt auch für Kindertageseinrichtungen in katholischer Trägerschaft.

In Sachsen-Anhalt gibt es knapp 1.800 Kindertageseinrichtungen und 34 davon sind auf dem Gebiet des Bistums Magdeburg in katholischer bzw. drei in ökumenischer Trägerschaft. Der Anteil an katholischen Kindertageseinrichtungen liegt in Sachsen-Anhalt bei zwei Prozent. Etwa 3.000 Kinder aus unterschiedlichen Milieus und Kulturen, viele ohne Konfessionszugehörigkeit besuchen die kirchlichen Kindertageseinrichtungen sowie etwa 300 pädagogische Fachkräfte engagieren sich für die Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder.

Die Anforderungen an Fachlichkeit und Fachkräfte sowie die Herausforderungen der Finanzierung haben in den letzten Jahren zugenommen. Die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen bedeutet mehr als Spielen und Beaufsichtigen. Ein realistischer Blick in die Kindertagesstätten macht deutlich: hier leisten – vor allem Frauen – enorme Grundlagenarbeit und begleiten junge Menschen ins Leben.
 
Katholische Kindertageseinrichtungen sind pastorale Orte. Pastoral bedeutet aber nicht, dass hier ausschließlich oder vorrangig die Kinder der Katholiken betreut oder der Mangel an Gläubigen sowie die Überalterung der Kirchengemeinden – als quasi Recruitingstrategie – ausgeglichen werden. Pastoral – im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils und mit den Beschlüssen des Pastoralen Zukunftsgesprächs des Bistums Magdeburg konkretisiert – bedeutet, dass die Kirche ihre ehrliche und aufrichtige Mitarbeit zum Wohl der Gesellschaft anbietet. Und Kinderbetreuung ist in Sachsen-Anhalt ein zentrales gesellschaftliches Anliegen. In gleichem Maße bieten pastorale Orte die Möglichkeit, über die Verkündigung in Gottesdienst, Religionsunterricht und Katechese hinaus, die Botschaft Jesu, sein Leben und Wirken, sein Bild von Gott und vom Menschen sowie seine lebensförderliche Gegenwart zur Sprache zu bringen und dafür, z.B. in Kindertagesstätten, Erfahrungsräume zu anzubieten.
 
Religionspädagogik für religiös ungebundene Erzieherinnen

Konfessionslosigkeit ist dabei eine zentrale Herausforderung der Religionspädagogik. Als Theorie kirchlicher, christlicher und religiöser Erziehung, Bildung und Sozialisation stellt die Religionspädagogik unter anderem die herkömmlichen Tradierungswege und Lernorte des christlichen Glaubens auf den Prüfstand. Der Kontext der Konfessionslosigkeit ist dabei durchaus eine Chance für die Religionspädagogik. In den katholischen Kitas auf dem Gebiet des Bistums Magdeburg sind gegenwärtig etwa 70 % der Eltern konfessionslos. Beim Personal sind etwa ein Drittel der pädagogischen Fachkräfte konfessionslos.
 
Die Fortbildung „Religionspädagogik für Einsteiger*innen“ bietet deshalb erstmalig in Kooperation mit dem Fachbereich Pastoral in Kirche und Gesellschaft, dem Fachreferat Kindertageseinrichtungen des Caritasverbandes für das Bistum Magdeburg und der Heimvolkshochschule Roncalli-Haus Magdeburg eine religionspädagogische Fortbildung für konfessionslose Erzieherinnen in katholischen Kindertageseinrichtungen an. Sie umfasst viermal zwei Seminartage mit den Modulen: (1) das Christentum und seine religionspädagogisch relevanten Kernthemen, (2) religiöse Bildung und Religionspädagogik und (3) die Weltreligionen im Überblick – interreligiöses Lernen. Konkret geht es u.a. um Jesus von Nazareth und seine Botschaft von Gott, um die Bibel sowie Gottesdienste und Feste im Kirchenjahr, aber auch um die Frage nach der religiösen Entwicklung von Kindern im Elementarbereich, die Möglichkeit des Philosophierens und Theologisierens mit Kindern und die Grundlagen der Religionspädagogik mit Kindern.
 
Religionspädagogik und Religionslosigkeit

Kann man religionspädagogisch arbeiten, ohne selbst religiös zu sein? Man kann, das jedenfalls zeigt die Praxis im Osten Deutschlands.
Wichtig sind dabei Religionswissen und die Klärung des eigenen Standpunktes in Bezug auf Religion und im Spezialfall in Bezug auf das Christentum in seiner römisch-katholischen "Geschmacksrichtung". Die aktuelle Erfahrung lehrt, dass die meisten der teilnehmenden Erzieher*innen in Bezug auf die Gottesfrage keine Atheist*innen sind, sondern auf die Frage, ob es Gott gibt, mit einem entschiedenen: „Ich weiß es nicht“ antworten und damit religionsphilosophisch Agnostiker*innen sind. Die Chance von Einrichtungen in katholischer Trägerschaft, also Kindertagesstätten, aber auch Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Schulen, Beratungsdiensten usw. ist, dass die Fragen nach der Religion und dem eigenen Standpunkt dazu nicht unter den Teppich gekehrt werden. Sie sind Teil der Fachlichkeit von religiös gebundenen und religiös ungebundenen Mitarbeitenden. Mitarbeitende in Einrichtungen und Diensten in katholischer Trägerschaft dürfen sich – in ihrer Arbeitszeit als Teil ihrer Fachlichkeit – religiös entwickeln. Egal wo sie stehen. Das bieten wenige Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt.
 
Ökumene der dritten Art: Neugier und Neuland

Die aktuelle religionspädagogische Fortbildung für Einsteiger*innen ist in dieser Form absolutes Neuland und stellt die Verantwortlichen vor Herausforderungen. Es geht darum, sich mit vorsichtiger Neugier auf die Perspektiven von religiös ungebundenen Menschen einzulassen und die Kernthemen des Christentums aus säkularer Logik heraus zu erschließen, statt Kircheninterna zu verhandeln. Dabei taugen weder traditionelles Katechismuswissen, noch moderne Glaubenskurse. Und wichtig ist, dass die Arbeit absichtslos, mit fachlich hoher Qualität, aus der Logik der religiös ungebundenen Menschen, d.h. in ihrer Sprache und Denkwelt, in Freiheit und ohne arbeitsrechtliche Sanktionen geschieht, ganz im Sinne einer Ökumene der dritten Art.

 
Dr. Daniela Bethge
Ökumene der dritten Art
Ökumene der dritten Art ist ein theologischer Fachbegriff. Er überträgt die Prinzipien der Ökumene der ersten Art (Dialog und Zusammenarbeit der verschiedenen christlichen Kirchen) und die Ökumene der zweiten Art (interreligiöser Dialog) auf das Gespräch und die Begegnung mit konfessionslosen Menschen, wie sie im Osten Deutschlands zu finden sind. Der Religionsphilosoph Eberhard Tiefensee hat hierzu die theoretischen und theologischen Grundlagen erarbeitet.
Dr. Daniela Bethge TKG
ist 1982 in Magdeburg geboren. Die Diplom-theologin und Diplom-Sozialarbeiterin (FH) ist derzeit tätig als Projektleiterin „Ökumene-3-Praxis in Kirchengemeinden, kirchlichen Einrichtungen und Erwachsenenbildung“ in der Heimvolkshochschule Roncalli-Haus Magdeburg. Sie ist Ordenschristin der Teresianischen Karmel-Gemeinschaft und Begleiterin von karmelitanischen Exerzitien im Karmelitenkloster St. Teresa Birkenwerder.
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MOMENT. Pastoral-Magazin aus dem Bistum Magdeburg.

Herausgeber: Fachbereich Pastoral in Kirche und Gesellschaft
im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg
(Ausgabe April 2019)

 
Bildnachweise:
Titelbild "Steine": © 
CC0 congerdesign via pixabay;
Bild "Kreuz am Glas": © CC0 MabelAmber via
pixabay;
Portrait: © privat
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