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Themenabend Katar

Pressefreiheit als zuverlässiger Gradmesser der Einhaltung universell gültiger Menschenrechte

Der vorbereitete Raum im Jugendbüro M13 in der Max-Josef-Metzger-Straße in Magdeburg wirkte auf die eintreffenten Gäste angenehm und offen. Die Atmosphäre des Raumes lud interessierte Personen des Abends zum Verweilen und zum Austausch ein.

Die Organisatorinnen des Themenabends zu Katar - Frau Christine Böckmann, die Geschäftsführerin der katholischen Erwachsenen Bildung (KEB) und Frau Rasa Hinz, missio-Referentin im Bistum Magdeburg – begrüßten herzlichst die gekommenen Gäste. Die Teilnehmenden waren auf den angekündigten Vortrag zur Lage der Pressefreiheit und der Situation der Journalistinnen am Persischen Golf und insbesondere in Katar sehr gespannt.

Der Referent des Abends, Herr Christopher Resch, von der Organisation „Reporter ohne Grenzen Berlin e. V.“ begann seinen Vortrag mit Hilfe einer Power-Point-Präsentation mit der Aussage „Keine Freiheit ohne Pressefreiheit“ und stellte zuerst seine Organisation und ihre Arbeit vor.

Mit dem Motto „Recherchieren, Anklagen, Unterstützen“ dokumentiert „Reporter ohne Grenzen“ Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit weltweit und alarmiert die Öffentlichkeit, wenn Journalistinnen und Journalisten in Gefahr sind. Die Organisation setzt sich für mehr Sicherheit und besseren Schutz ihrer Kolleginnen und Kollegen ein. „Reporter ohne Grenzen“ kämpft gegen Zensur und gegen restriktive Mediengesetze.

„Pressefreiheit ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft“, - setzte Resch seinen Vortrag fort. „Wo Medien nicht über Unrecht, Machtmissbrauch oder Korruption berichten können, findet auch keine öffentliche Kontrolle statt, keine freie Meinungsbildung und kein friedlicher Ausgleich von Interessen.“

Resch stellte den Zuhörerinnen und Zuhörern die Rangliste der Pressefreiheit vor, die durch „Reporter ohne Grenzen“ jedes Jahr erfasst, aufgearbeitet und veröffentlicht wird. Er lenkte die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf die Bewertung der Lage der Pressefreiheit in den Staaten am Persischen Golf und im Nahost. Staaten wie Oman, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Kuwait, Irak und Iran belegten die unteren Plätze von insgesamt 180 Plätzen der eingeblendeten Rangliste (die oberen Plätze der Rangliste bewerten die Lage der Pressefreiheit in den Ländern „als sehr gut / gut“ und die unteren Plätze – als „schlecht, sehr schlecht“).

Kuwait war auf Platz 154 zu finden, Oman – auf 155, Irak – auf 167, Saudi-Arabien - auf 170, Bahrain – auf 171 und Iran – auf 177.

Das einzige Land am Persischen Golf, in dem sich die Lage der Pressefreiheit in den letzten Jahren verbessert hat, ist Katar. Es belegt den Platz 105 in der Rangliste der Pressefreiheit (Verbesserung um 14 Plätze). Einerseits liegt es am Vorhaben des Herrscher-Hauses (Emir von Katar), das Land zu reformieren und zu modernisieren, und anderseits an der Vorbereitung und Ausführung der Fußballweltmeisterschaft.

Im weiteren Verlauf des Vortrages machte Resch einen Exkurs in die Geschichte von Katar. Er berichtete über seine rasante Entwicklung von einem armen Wüstenstaat zum reichen Erdölland. Resch wies auf die steigende internationale Rolle des Landes hin. Katar ist heute einer der reichsten Staaten der Welt mit bedeutenden Erdöl- und Erdgasvorkommen.

Katars wirtschaftliche Modernisierung ist eng mit der Anwerbung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus anderen arabischen Ländern, Afrika und Asien verknüpft. Nach der Entdeckung der umfangreichen Öl- und Gasressourcen erfuhr Katar einen wirtschaftlichen Aufschwung, der den Bedarf an Arbeitsmigrantinnen und -migranten drastisch anstiegen ließ. In Katar leben momentan etwa 2,8 Millionen Menschen, davon besitzen über 2,2 Millionen nicht die katarische Staatsangehörigkeit. Somit beträgt der Anteil an Migrantinnen und Migranten ca. 78 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Katar stammen aus Indien, Nepal, den Philippinen, Ägypten, Bangladesch und Pakistan. Der Großteil arbeitet im Niedriglohnsektor im Baugewerbe oder im Dienstleistungsbereich sowie als Hausangestellte im Privatsektor.

Resch berichtete über die strukturelle Gewalt und Missbrauch von Migrantinnen und Migranten. Die Grundlage dieser strukturellen Ausbeutung ist das sogenannte Kafala-System („Bürgschaftssystem“). Strukturelle Gewalt beginnt bereits in den Heimatländern der Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Die meisten Arbeitssuchenden wenden sich an oftmals kriminelle Rekrutierunsagenturen, die sie an ihre neuen Arbeitgeber (kafil, „Bürgen“) vermitteln. Diese Agenturen sind auch für Visavergabe zuständig. Sie verlangen für ihre Dienstleistungen sehr hohe Gebühren, die die Migrantinnen und Migranten in die Verschuldung treiben.

Außerdem schließen die Agenten mit der Mehrzahl der interessierten Menschen bereits vor ihrer Ausreise Arbeitsverträge ab, in denen ihnen unterdurchschnittliche Gehälter angeboten werden, was von den meisten aufgrund mangelnder Sprach- oder Lesekenntnisse nicht erkannt wird.

In Katar vor Ort sind die Arbeitsmigrantinnen und -migranten von ihrem neuen Arbeitgeber „Kafil“ abhängig – die Pässe werden einbehalten; die Menschen leben unter schlimmen Bedingungen, sie werden missbraucht und ausgebeutet.

„Können die einheimischen Journalistinnen und Journalisten über solche Missstände berichten?“ - stellte Resch diese Frage in den Raum. Wohl kaum! Es ist überhaupt sehr schwer, Zahlen zur Anzahl der Journalistinnen und deren Arbeit in Katar zu bekommen. Laut der staatlichen katarischen Nachrichtenagentur (QNA) arbeiten im Jahr 2021 70 Journalistinnen in Katar.

Woran liegt es, dass nur wenige Frauen diesen Beruf ausüben? Der Grund ist in der konservativen und patriarchalen Gesellschaft Katars zu finden. Das diskriminierende System der männlichen Vormundschaft (vor allem Vater, Ehemann, Bruder oder Onkel) verwehrt Frauen das Recht, zahlreiche wichtige Entscheidungen über ihr Leben zu treffen. Die männliche Vormundschaft schränkt die Frauen ein, ein erfülltes und unabhängiges Leben zu führen.

Die Frauen in Katar müssen die Erlaubnis ihres männlichen Vormunds einholen, um zu heiraten, im Ausland zu studieren, in vielen öffentlichen Stellen zu arbeiten, gemischtgeschlechtliche Universitäten in Katar zu besuchen usw.

Dieses System hindert die Frauen bestimmte Studiengänge, z. B. Journalismus, aufzunehmen und erlernte Berufe auszuüben. Viele Uniabsolventinnen gehen in die Bereiche Public Relation und Marketing.

Es gibt keine Wertschätzung und kein Verständnis für die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten in Katar. Visavergabe und Akkreditierung für ausländische Journalistinnen und Journalisten gestaltet sich auch schwierig – es besteht Zustimmungszwang zu problematischen Regelungen oder entsprechende Formulierungen sind vage.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind verschärft worden. Im Januar 2020 wurde das sogenannte Fake-News-Gesetz verabschiedet. In Folge dessen droht den Pressemitarbeitern für die Verbreitung von „Fake News“ bis zu 5 Jahren Haft.
Der katarische Staat setzt auf digitale Überwachung von Journalisten (Kauf und Nutzung von Spyware Evident, FinFishe).

Die Medienlandschaft in Katar ist sehr homogen. Redaktionen sind eng mit dem politischen Klima verknüpft. Sie unterstützen die Ziele des Herrscherhauses. Einer der einflussreichsten Nachrichtensender der arabischen Welt al-Dschasira ist auch auf Regierungslinie. Der Sender ignoriert die Lage der Menschenrechte. Die Kritik an der Situation der Gastarbeiter gibt es, wenn überhaupt, nur im englischsprachigen Programm.

Im Anschluss an den Vortrag benannte Resch einige positive Beispiele, u. a. Al-Dschasira-Moderatorinnen.

Die Organisatorin des Abends, Frau Böckmann, dankte Herrn Resch für einen interessanten und aufschlussreichen Vortrag und öffnete eine Frage-Antwort-Runde, die von den Teilnehmenden sehr gut angenommen wurde. Es entstand ein reger Austausch. Der gelungene Themenabend endete in einem gemütlichen Beisammensein bei orientalischem Tee und Gebäck.

Weitere Informationen, insbesondere zur missio-Petition „Frauen schützen in Katar“:

https://www.missio-hilft.de/mitmachen/aktion-schutzengel/moderne-sklaverei/katar/

https://aktion.missio-hilft.de/schutzengel-petition-katar/

Text und Foto: Rasa Hinz

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