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Weltkirchen zu Gast in Karlsruhe

Erstmals tagt der ökumenische Weltkirchenrat in Deutschland

Wie Frieden schaffen? Wie das Klima retten? 4.000 Christen von allen Kontinenten stellen sich in Karlsruhe auf der Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) diesen großen Zeitfragen. Bundespräsident Steinmeier verurteilte in starken Worten den russischen Krieg. 

Sprachengewirr im Karlsruher Kongresszentrum. Afrikanische Pfarrerinnen in bunten Gewändern und orthodoxe Würdenträger mit schweren Goldkreuzen. Chinesinnen, die trotz Pekings strikter Covid-Politik ausreisen konnten. Die 11. Vollversammlung des ökumenischen Weltkirchenrats bringt die christliche Welt zusammen. Das Ziel: gemeinsame Positionen und konkretes Handeln für die kommenden Jahre abzusprechen. Denn die Vollversammlung tagt nur alle acht Jahre - und seit der ÖRK-Gründung 1948 erstmals in Deutschland.

Der Ökumenebischof Dr. Gerhard Feige hat sich fasziniert von Vielfalt und Dialog auf der Vollversammlung des Weltkirchenrats gezeigt. „Die kulturelle Vielfalt und Internationalität mit Christinnen und Christen aus mehr als 100 Staaten begeistert. Ich hoffe, der Versammlung gelingt es, gemeinsame Antworten auf die gewaltigen aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel, Krieg und Rassismus zu finden. Es liegt eine große Spannung über der Vollversammlung“, sagte Feige am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auch im Blick auf das Aufeinandertreffen von Delegierten aus Russland und aus der Ukraine.

ÖRK-Generalsekretär Ioan Sauca forderte zum Auftakt des Kongresses mehr Anstrengungen, um Umweltzerstörung und Klimawandel zu stoppen. „Es ist unsere spirituelle Pflicht, für Klima und Natur zu kämpfen, sonst wird unsere Welt die nächsten 50 Jahre nicht überleben“, so Sauca. Der religiös begründete Umweltschutz ist ein Schwerpunktthema in Karlsruhe. Gefeiert wird ein Tag der Schöpfung, um ein Umdenken zu fordern - passend zum gerade vorgestellten neuen Club of Rome-Bericht. Delegierte aus schon jetzt besonders stark vom Klimawandel betroffenen Staaten berichten der Versammlung. 

ÖRK-Hauptausschussvorsitzende Agnes Abuom mahnte die Politik, stärker auf das Wissen von indigenen Gruppen zu setzen, die im Einklang mit der Natur leben. Abuom setzte auch einen einfühlsamen Ton, wie die Versammlung auf globale Ungerechtigkeiten und Kriege reagieren solle: „Es ist an uns Christen, mit allen leidenden Menschen mitzufühlen, mit allen Kriegsopfern weltweit, sei es in der Ukraine oder anderswo.“ Sauca nannte den Ukraine-Krieg eine „klaffende Wunde in unserer Welt von heute“. 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legte dann in bemerkenswerter Deutlichkeit den Finger in diese Wunde: Er warf der russisch-orthodoxen Kirche, die mit einer großen Delegation in Karlsruhe vertreten ist, vor, den russischen Angriffskrieg religiös-ideologisch zu rechtfertigen. Die Moskauer Kirchenführer, so Steinmeier, lenkten ihre Gläubigen „auf einen schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg“ und rechtfertigten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine - „gegen ihre eigenen, gegen unsere eigenen Brüder und Schwestern im Glauben“. 

Diese „Propaganda gegen die freien Rechte der Bürgerinnen und Bürger eines anderen Landes, dieser Nationalismus, der willkürlich Gottes Willen für die imperialen Herrschaftsträume einer Diktatur in Anspruch nimmt“, müsse Widerspruch finden, auch in Karlsruhe, sagte er unter Applaus. Ein Dialog, der sich nur auf fromme Wünsche beschränke, so Steinmeier, werde „schlimmstenfalls zur Bühne für Rechtfertigung und Propaganda“. 

Ein weiteres Konfliktfeld eröffnet ein von südafrikanischen Kirchen formulierte Antrag, die ÖRK-Vollversammlung solle Israel wegen seiner Palästinenserpolitik als „Apartheid-Staat“ verurteilen. Sauca rief zu umsichtigen Entscheidungen auf. Bei seinen jüngsten Besuchen in Israel und in den Palästinsergebieten hätten ihm die christlichen Gruppen dort von schwierigen Situationen berichtet - und ihm mitgegeben, es brauche mehr Solidarität. „Zugleich haben sie deutlich gemacht, dass wir nichts beschließen dürfen, was ihre Zukunft im Heiligen Land weiter gefährdet.“ Entschieden wird über eine etwaige Resolution erst in der kommenden Woche. 

Der Bundespräsident rief die Kirchen auf, dem Antisemitismus zu widersprechen. „Antisemitismus kann viele Formen annehmen. Doch immer bleibt er eine Hassideologie mit Vernichtungsgeschichte.“ 

Im Namen der gastgebenden Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber, Karlsruhe könne wichtige Impulse auf dem Weg zur Einheit der weltweiten Christenheit geben. Gewalt, Krieg, Ausbeutung und „alle furchtbaren Entstellungen unserer Zeit“ könnten nur gemeinsam mit den christlichen Kirchen und Gemeinschaften beendet werden. 

Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, erhofft sich von Karlsruhe Impulse auf dem Weg der christlichen Einheit. Dabei ist die katholische Kirche nur Gast, kein Vollmitglied des ÖRK. Bischof Dr. Gerhard Feige sprach sich für eine weitere enge Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit dem ÖRK aus. „Auch ekklesiologisch, also im Bezug auf das Kirchenbild, sehe ich da keine Hindernisse mehr“, so der Bischof. Die katholische Kirche ist kein Mitglied im 1948 gegründeten Dachverband von protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen, aber in mehreren Kommissionen und Arbeitsgruppen des ÖRK als Gast engagiert.

 

(Volker Hasenauer; Foto: KNA)

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