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Tag des Herrn

Johanna Marin Marlen Bunzel und Weronika Vogel haben ein Buch über Theologinnen in der DDR veröffentlicht. In einem Staat, in dem nicht jeder selbst über sein Studium entscheiden durfte, konnten diese Frauen einen ungewöhnlichen Weg gehen. Marlen Bunzel, Weronika Vogel: Frauenporträts – Katholische Theologinnen aus der DDR erinnern sich; Echter Verlag; ISBN 978-3-429-06756-4; 19,90 Euro „Heute ist die Welt weiter, größer. Damals waren wir an die Begrenztheit gewöhnt“, sagte Maria Geburek – eine von 56 Frauen, die in der DDR in Erfurt Theologie studierten. Selbstverständlich war das nicht. In dem Buch „Frauenporträts – Katholische Theologinnen aus der DDR erinnern sich“ haben Exegetin Marlen Bunzel und Theologiestudentin Weronika Vogel die Geschichten ebenjener Frauen gesammelt. Mit der Grenze zwischen DDR und BRD wurde es zunehmend schwierig, theologisch qualifiziertes Personal zu finden, sagt Weronika Vogel: „Die Kirche stellte fest, dass sie theologisch gebildete Frauen für diözesane Aufgaben im Osten braucht.“ Der DDR-Staat hatte das Studium der Theologie jedoch ausschließlich zur Ausbildung von Priestern zugelassen. Ein katholisches Theologiestudium für Frauen durfte es nicht geben, heißt es in dem Buch. So entstand das Edith-Stein-Seminar. Offiziell nur als Gasthörer nahmen die Frauen an den Vorlesungen teil. Anders als die Priesteramtskandidaten, die neun Semester lang studierten, waren für die Frauen nur sechs Semester und weniger Vorlesungen vorgesehen. Sie legten dennoch die regulären Prüfungen ab und erhielten am Ende ihres Studiums statt eines Diploms ein Abschlusszeugnis. Der Staat erkannte diesen Abschluss weder vor noch nach der Wende an. Dass sie nun gemeinsam mit Frauen studierten, gefiel einigen Studenten anfangs nicht, erinnert sich Brigitte Schmeja. Es gab Getuschel und manche ärgerten sich, wenn die Frauen besser abschnitten als die Männer, liest man in ihrem Abschnitt des Buches: „Aber es gab nun mal auch solche, die haben nur stichprobenartig gelernt und sagten sich: ‚Ich bin eben berufen!‘“ Am Ende habe man sich aber aneinander gewöhnt. Viele Freiheiten hatten die Frauen nicht – vom Bischof zum Studium berufen, kamen sie in Erfurt im Ursulinenkloster und bei Franziskanerinnen unter. Dort hatten sie keinen Schlüssel für ihre eigene Unterkunft, mussten sich auch mit Mitte 20 noch abmelden, wenn sie abends ausgehen wollten. Auch, dass die Theologistudentinnen nicht heiraten durften, habe einige belastet. Ein ungeschriebenes Gesetz, das normalerweise für Seelsorgehelferinnen galt und den Frauen nahegelegt wurde. Doch sie fanden sich damit ab. „Ich habe den geistlichen Beruf sehr schätzen gelernt“, heißt es in der Erinnerung von Maria Geburek, „Die Botschaft ist so groß und so toll. Durch die Theologie habe ich das noch ganz anders kennengelernt.“ Wer damals Theologie studierte, tat das aus Überzeugung und mit der Aussicht auf wenig Geld, glaubt auch eine Leserin. „Für die Frauen war dieses Studium ein großes Geschenk“, sagt Marlen Bunzel. Anfangs begleitete Bischof Hugo Aufderbeck die Theologinnen geistlich, lud sie zu sich nach Hause ein. Dabei bezeichnen die Frauen selbst sich nicht als Theologinnen. Marlen Bunzel bedauert das. Mehrere lehnten damals den Ruf ab, als Dozentin Theologie zu lehren. „Sie hatten in einem männerdominierten Feld kein richtiges Diplom. Das macht was mit einem“, sagt die Exegetin. Und sie stellt fest: „Ich bin selbst gerade noch in der DDR geboren und habe in Erfurt Theologie studiert – trotzdem wusste ich bis vor Kurzem nichts von den Frauen, die hier studierten. Theologinnen in der DDR
Thomas Marin Foto: Thomas Marin Der Hamburger Zeitgeschichtler Klaus Große Kracht hielt das Eingangsreferat eines Erich-Klausener-Fachtags, der im Berliner Kronprinzenpalais stattfand. Mit einer Fachtagung knüpfte das Erzbistum Berlin Ende Juni an das Erich-Klausener-Gedenkjahr 2024 an. Für einen umfassenden Blick auf den 1934 ermordeten Katholikenführer braucht es weitere Forschungen. Der 90. Jahrestag der Ermordung des ersten Blutzeugen des Erzbistums Berlin aus der Zeit des Nationalsozialismus war 2024 Anlass für ein ganzes Gedenkjahr mit einer Vielzahl von Veranstaltungen zur Würdigung des ersten Vorsitzenden der Katholischen Aktion im Bistum Berlin. Der Forderung von Erzbischof Heiner Koch nach Schritten zu einer fundierten Biografie Erich Klauseners stellte sich der Verein „Freundeskreis Dr. Erich Klausener“ nun mit einer wissenschaftlichen Fachtagung. Um „Bausteine zu seiner Biografie“ sollte es am 91. Todestag des Katholikenführers und Ministerialbeamten gehen. Geschichtsträchtiger Ort der Tagung war das Kronprinzenpalais Unter den Linden. Im Raum, in dem 1990 der Einigungsvertrag unterzeichnet worden war, boten die Referenten aus unterschiedlichen Blickwinkeln teils kontroverse Sichtweisen auf das Glaubens- und Lebenszeugnis Klauseners. Dass die Organisatoren auch kritische Bewertungen nicht fürchten, zeigte das Eingangsreferat des Hamburger Zeitgeschichtlers Klaus Große Kracht. Schon vor etwa 15 Jahren hatte dieser Klausener die Qualitäten eines Vorbilds für heutiges Christsein abgesprochen und ihm eine zu große ideologische Nähe zu völkischem Denken vorgeworfen. An dieser Sicht meinte Große Kracht auch heute wenig ändern zu können. Laut Befunden aus dem Nachlass des Berliner Prälaten Walter Adolph würden Äußerungen Klauseners statt der allen Menschen geltenden Nächstenliebe die „Volksgemeinschaft“ betonen. Deutlichen Widerspruch erhielt Große Kracht – übrigens in gegenseitig freundschaftlichem Ton und einem vorbildlichen Stil akademischer Streitkultur – unter anderem vom Staatsrechtler Hermann Pünder. Über die Großmutter mit Klausener verwandt, berichtete er aus familiärer Perspektive von der durchgehenden Ablehnung nationalsozialistischen Gedankenguts im gesamten Umfeld Klauseners, lange vor der Machtübernahme der Nazis. Dem Zentrumsmann Klausener eine rechtsnationale Haltung zuzutrauen, hielt Pünder für absurd, die Formulierungen des Katholikenfunktionärs für der Zeit geschuldet. In der Diskussion räumte auch Große Kracht ein, dass Klausener wenigstens bis zum Amtsantritt Hitlers nichts vorzuwerfen sei. Die Ermordung Klauseners im Reichsverkehrsministerium und das Verhältnis zu seinem Vorgesetzten Paul von Eltz-Rübenach beleuchtete dessen Biograf Andreas von Mettenheim, während Stefan Samerski den zeitgeschichtlichen Gesamtzusammenhang herstellte. Hinweise für die weitere Forschung lieferte Elmar Kleinert als stellvertretender Leiter des Diözesanarchivs, der allerdings auch die kriegsbedingt magere Aktenlage feststellte. Der Zeitgeschichtler Peter Longerich empfahl als nächsten Schritt, Klauseners Wirken als Ministerialbeamter zu erforschen, wozu es große Aktenbestände gebe. Scheint der Weg zu einer wissenschaftlichen Gesamtbiografie auch weit, sind hier spannende Erkenntnisse zur geistigen Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Nationalsozialismus zu erwarten. Fachtag zum Leben von Erich Klausener
Julia Reinard Foto: Julia Reinard Einander kennenlernen – das klappt sehr gut beim Essen nach der deutsch-englischen Messe. Hier sprechen die Ukrainerin Diana Dorda und Abraham Montes aus Mexiko mit Bettina Keitel (linke Gruppe), während sich Isaac Quartey aus Ghana und Jeremiah Egbon aus Nigeria mit der Brasilianerin Guiliana Moreira und Gabriela Velasquez-Riehmann unterhalten. Einmal im Monat feiert die Gemeinde St. Helena in Schmalkalden eine zweisprachige Messe mit viel Zuspruch durch Studenten der Fachhochschule. Auch über diesen Gottesdienst hinaus spürt man das ungewöhnliche Miteinander in der eigentlich evangelisch geprägten Kleinstadt. Wenn ein englisches Gospellied den Gottesdienst eröffnet, ist er etwas Besonderes. In der Schmalkaldener Kirche St. Helena passiert das jeden Monat einmal, in der deutsch-englischen Messe. Sie gehört zu einer Handvoll zweisprachiger Gottesdienste, die regelmäßig in Thüringen gefeiert werden. Einige Gemeindemitglieder in Schmalkalden sind ortsansässig, andere stammen aus der ganzen Welt. In der gut gefüllten Kirche sitzen Ende Juni Inder und Mexikaner, Brasilianer und Venezolaner, Menschen aus Ghana, Nigeria und der Ukraine. Früher habe es einen monatlichen englischsprachigen Gottesdienst gegeben, erzählt Pfarrer Stephan Burmeister. Pater Stanley habe ihn ins Leben gerufen und mit einem gemeinsamen Essen verbunden. Als er verabschiedet wurde, hätten sie erstmals eine deutsch-englische Messe mit anschließendem Beisammensein gefeiert. Dabei ist es geblieben: „Man teilt Essen und Zeit und kümmert sich umeinander“, so beschreibt es Pfarrer Burmeister, der seine Predigt selbst übersetzt. Er ist stolz auf seine Gemeinde, von der an diesem heißen Sommertag gut 60 Personen die Kirche besuchen: „Dieses Miteinander ist für mich der Leuchtturm von Schmalkalden“, sagt er und erntet Kopfnicken. Für Giuliana Moreira sind die Gottesdienste in Schmalkalden ihre „essence“, die Gemeinde sei für sie „like a family“ – wie eine Familie. Die Brasilianerin war 2022 für ein Maschinenbaustudium nach Schmalkalden gekommen. Als Katholikin habe sie in St. Helena ihre Heimat gefunden. Diese „Familie“ bedeutet ihr so viel, dass sie von Offenbach, wo sie zur Zeit arbeitet, fünf Stunden nach Schmalkalden fährt, um an der Messe teilzunehmen. Dieses Mal tauft Pfarrer Burmeister auch einen Erwachsenen und wird selbst verabschiedet – mit Seifenblasen vor der Kirchentür. „Bleiben Sie Träumer“, ruft er seiner Gemeinde dort noch zu. Eine Ermutigung an die Gläubigen, die sich um Kirchengelände und Gemeindehaus sorgen. Denn der Kirchortrat hatte die Idee, im Gemeindehaus Wohnungen für Studenten zu schaffen. Dazu heißt es vom Bistum, dass es zwar verschiedene Überlegungen gebe, was zukünftig mit dem Gottes- und dem Gemeindehaus geschehe. Es seien in diesem Prozess bis jetzt aber keine Entscheidungen getroffen worden. Wenn nun der Pfarrer geht, bleibt die Gemeinschaft zusammen – dafür wird Gabriela Velasquez-Riehmann sorgen. Sie kam vor drei Jahren nach Schmalkalden und wurde im März zur Vorsitzenden des Kirchortrats gewählt. Gemeinsam mit ihrer Vorgängerin und aktuellen Stellvertreterin Bettina Keitel organisiert sie das Beisammensein nach der Messe. Im Garten gibt es Bratwürste und Salat, Melone und Thüringer Blechkuchen. Die Band musiziert, Giuliana Moreira und die Ukrainerin Diana Dorda singen. Zu Heiderose Bienat und Tochter Steffi setzt sich Santiago Cedrún Macías aus Mexiko. Der 23-Jährige erzählt auf Deutsch von seinem Studium. Die Bienats schätzen die deutsch-englische Messe. „Die Studenten bereichern unsere Gemeinde“, sagt Heiderose Bienat. Und beim anschließenden Essen kämen alle leicht in Kontakt, auch ohne Englisch zu sprechen. Manch internationaler Student kommt inzwischen auch zur normalen Messe. Integration in Schmalkalden
Guido Erbrich Image Neben mir in der Oper sitzt ein Kritiker. Er hat sein Notizbuch auf den Knien und schreibt eifrig mit. Als am Ende das Theater tobt, bleibt er entspannt sitzen, klatscht artig ein paar Sekunden und verlässt alsbald das Theater. Guido ErbrichSenderbeauftragter der katholischen Kirche beim Mitteldeutschen Rundfunk Zwei Tage später lese ich seine Kritik in der Zeitung und staune. Waren wir eigentlich in der gleichen Vorstellung? Da sprangen doch zum Schluss alle auf, applaudierten und schrien vor Begeisterung. Hätten sie vorher seine Kritik gelesen: Wie unbedarft, ja teilweise naiv gespielt und getanzt wurde, wie grottig die Musik, kurz, was alles passierte, weswegen die Vorstellung überhaupt nichts Besonderes war – kein Mensch wäre aufgestanden und hätte gejubelt. Wer hat nun recht: das begeisterte Publikum oder der Kritiker mit seiner jahrelangen Kunsterfahrung? Beflissen schaut er auf jedes Detail, und wahrscheinlich hat er mit dem, was er schreibt, nicht Unrecht. Aber was nützt das, wenn dadurch das große Ganze aus dem Blick gerät? Ich kann mich vor ein Bild in 20 Zentimeter Abstand stellen und bemerke selbst bei großen Künstlern Stellen, bei denen ich denke: „Das hätte der Künstler aber besser machen können.“ Aber was habe ich eigentlich 20 Zentimeter vor dem Bild zu suchen? Ergibt das noch Sinn? Ich habe schon viele schöne Aufführungen von Laienorchestern, Schultheatern, Kirchenchören erlebt, die waren alles andere als perfekt. Trotzdem haben sie mich ergriffen, weil Begeisterung rüber kam – von Menschen, die einfach Freude an der Kunst haben. Natürlich muss ein Kritiker hier andere Ansprüche anlegen. Und ich finde es ja gar nicht schlecht, dass es Kritiker gibt, die – um auch mal was Positives zu sagen – versuchen, die Latte hoch zu legen und Vergleiche zu ziehen. Für das Erleben von Kunst ist das allerdings zweitrangig. Denn Perfektion gibt es erst im Himmel. Anstoß 15/2025
Ruth Weinhold-Heße Fotos: Ruth Weinhold-Heße Pilgern liegt im Trend – nicht nur bei Christen. Wie man Pilgergruppen begleitet, lernte Silke Maresch unter anderem in der Sächsischen Wander- und Pilgerakademie. Sie bietet als Malteser-Seelsorgerin jährlich einen Pilgerausflug für Mitarbeiter und Ehrenamtliche an. Werbung muss sie dafür nicht machen. Die Gruppe von Pilgern läuft schweigend an der Elbe entlang, das letzte Stück auf dem Ökumenischen Pilgerweg – kurz vor dem heutigen Ziel Pirna. Auf den Rücken sitzt teilweise großes Gepäck mit Schlafsäcken. Trinkflaschen baumeln daran oder in den Händen; an den Füßen tragen die meisten Wanderschuhe. Die Sonne steht schon hoch, der Wind ist kühl, die Vögel singen wild durcheinander – sonst herrscht Stille. Ein ungewöhnlicher Einstieg für eine Reporterin, die eigentlich Fragen stellen soll. Das muss erst einmal warten. Ich reihe mich ein, konzentriere mich auf die Eindrücke aus der Natur, das rhythmische Laufen, die Gedanken, die mir kommen – wann nehme ich mir sonst schon Zeit dafür? Wie eine Schnur reihen sich die Maltesermitarbeiter auf dem schmalen Weg aneinander. Die Pilgergruppe von 20 Menschen ist bunt gemischt: Unter ihnen sind Christen, Atheisten, feste Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Gegenden vom Spreewald bis zur Sächsischen Schweiz, ein Drittel von ihnen sind Ehrenamtliche. Viele pilgern zum ersten Mal, so wie Anja Höhne aus Dresden. Nachdem die Schweigezeit beendet ist, erzählt die 38-Jährige begeistert von dieser neuen Erfahrung: „Das Gehen hat mich sofort entschleunigt. Das ist total wichtig in unserer schnelllebigen Zeit.“ Die Malteser-Verwaltungsmitarbeiterin nennt sich selbst „nicht konfessionell, aber spirituell“. Offen für die geistlichen Impulse sollten die Teilnehmer schon sein, aber Vorwissen wird nicht verlangt. Anja Höhne erlebte das dreitägige Seelsorge-Angebot als eine „wunderbare Gemeinschaft“ mit „Klassenfahrtfeeling“. Beeindruckt ist sie besonders von den einfachen Unterkünften: „Das waren meist Räume von Kirchen und wir waren überall willkommen und sind herzlich empfangen worden – wo hat man das heute schon noch?“ „Die Kirchen sind leer, aber die Pilgerwege sind voll“ Pilgern ist gerade in Mode. Und damit ist nicht nur die praktische Outdoor-Kleidung gemeint, sondern die offensichtliche Sehnsucht vieler Menschen, zu sich zu kommen. Beim Gehen, was an und für sich schon meditativ sein kann, gelingt das vielen anscheinend auch. Die Anzahl der Pilger auf der bekanntesten aller Pilgerrouten, dem spanischen Jakobsweg, ist in den Jahren 2003 bis 2024 stetig gestiegen. Ausnahmen bildeten nur Heilige Jahre (da waren es mehr Pilger) und die Corona-Zeit, wo es besonders wenige waren. Trotzdem ist der Trend deutlich zu erkennen: Von unter 100 000 Pilgern noch vor 20 Jahren ist die Zahl auf beinahe eine halbe Million Pilger 2024 angewachsen. Pilgern ist außerdem ein Angebot von Kirche, bei dem sie automatisch nach außen gehen muss. „Die Kirchen sind leer, aber die Pilgerwege sind voll.“ Dieser Satz aus dem Programm der Ökumenischen Akademie Gera/Altenburg bringt es gut auf den Punkt. Und so sind in den letzten Jahren immer mehr Pilgerherbergen auch in Ostdeutschland entstanden. Wege wurden erschlossen oder wiederbelebt, nicht zuletzt von den Tourismusverbänden unterstützt. In Sachsen wirbt auch Tourismusministerin Barbara Klepsch, selbst Katholikin, für das Pilgern. Zwar machen sich nicht alle Pilger auf den Weg, um Gott zu suchen, aber es ist eine gute Möglichkeit, ihm zu begegnen. Denn dass das Pilgern eine gewisse Faszination ausübt, liegt gerade an dem geistlichen Angebot, das dahinter steckt. Anja Höhne beschreibt ihre Erfahrung so: „Ich war ganz schnell bei mir selbst und konnte auch das sehen, was so am Wegesrand ist. Worüber ich schon bei der Vorbereitung nachdenken musste: Was brauche ich eigentlich dringend, was ist wirklich wichtig? Denn das fängt ja beim Packen schon an.“ Aus der Packliste von Anja Höhne („Das Make Up bleibt zu Hause!“) wurde die Frage nach dem, was wirklich zählt im Leben. Der Gedanke begleitete sie weiter – auch durch die Impulse und die erlebte Gemeinschaft. Am Ende, erzählt sie, genoss sie es auch, dass jemand anderes die Reiseroute plante und sie als Mutter mal keine Verantwortung übernehmen musste, einfach nur mitgehen und sich mit anderen austauschen konnte über ihr Leben. „Das war wie eine gute Therapie für mich.“ Liane Börner aus Dresden beschreibt, wie vor allem das Schweigen sie bereichert hat: „Wir haben in einer Kirche gesungen, bevor wir gestartet sind, und haben die Melodie mit ins Schweigen genommen. Dabei konnte ich besonders gut meinen Gedanken nachgehen.“ In der Danke-Runde am Ende der dreitägigen Pilgertour sagt eine Teilnehmerin noch: „Durch das Schweigen bin ich erst richtig zur Ruhe gekommen und angekommen bei mir.“ Silke Maresch ist Malteser-Seelsorgerin und hat das Mitarbeiterpilgern initiiert. Pilgern in Etappen und kleinen Gruppen Hinter dem Angebot des Mitarbeiterpilgerns der Malteser in den Bistümern Dresden-Meißen und Görlitz steht Silke Maresch. Sie ist Seelsorgerin für über 2000 Mitarbeiter. Die Angestellten in den caritativen Einrichtungen sind längst nicht nur Christen, dazu kommen Ehrenamtliche, wie in der Hospizarbeit. „Der Hintergrund für meine Arbeit ist, dass wir erklären müssen, wer wir sind und dass die Grundintention für unsere Arbeit das christliche Menschenbild ist. Wir erklären, warum wir die Dinge so tun, wie wir sie tun“, so Maresch. Das dreitägige Mitarbeiterpilgern ist eines der Angebote, wo sie das gut kann. In einer kleineren Gruppe kann es eine intensive Erfahrung für alle werden. „Ich habe das aus dem Bauch heraus gemacht, weil ich selber gerne pilgern gehe. Als meine Kinder noch klein waren, bin ich mit Freundinnen in Etappen gepilgert, immer von Donnerstag Abend bis Sonntag“, erzählt sie. Bei den Maltesern ging sie deshalb auch den Ökumenischen Pilgerweg durch Sachsen in Etappen, in diesem Jahr von Großenhain bis Riesa. Bereits zum vierten Mal bot sie das Pilgern für Mitarbeiter an, die ihre Dienstzeit dafür nutzen können. „Ich brauche keine Werbung zu machen, die Plätze sind immer schnell weg. Es durchmischt sich auch immer wieder neu, weil nicht alle, die beim letzten Mal dabei waren, wieder kommen können.“ Wenn es nach den Nachfragen ginge, könnte Silke Maresch noch größere Gruppen voll bekommen. „Die gemeinsame Zeit fördert den Gemeinschaftssinn und ist kein Urlaub“, betont sie. Ab einer gewissen Anzahl an Personen werde es aber schwierig, Unterkünfte zu bekommen. Auch andere Fragen der Organisation werden herausfordender, denn nicht alle können gleich schnell laufen. Was Silke Maresch dabei geholfen hat, mit den Maltesergruppen unterwegs zu sein, ist die Christliche Pilgerbegleiter-Ausbildung der sächsischen Wander- und Pilgerakademie. „Die Ausbildung hat mich vor allem darin bestärkt, dass es prinzipiell richtig ist, was ich mache“, so Maresch. Auf dem Kursprogramm steht natürlich das praktische Planen, Vorbereiten und Durchführen von ein- oder mehrtägige Pilgertouren für Gruppen. „Tricks, wie die richtigen Wege-Apps oder wie ich Unterkünfte finde, habe ich neu gelernt.“ Ein wichtiger Punkt sei auch, wie Pilgerbegleiter mit schwierigen Situationen umgehen, wenn jemand nicht mit der Gruppe mitkommt etwa. Vorerfahrungen in Gruppenarbeit hatte Silke Maresch bereits und als Malteserin hat sie das Glück, eigentlich immer einen Rettungssanitäter in der Gruppe dabei zu haben. „Sehr interessant fand ich aber den Teil der Kirchenpädagogik, wo ich neue Methoden lernen konnte, wie ich Menschen Kirchen nahebringen kann.“ Wenn rund 70 Prozent der Bevölkerung keinen Bezug zu Kirche mehr haben, müsse sie manchen der Mitpilger erklären, wie sie sich in Kirchen verhalten können. Etwas mitnehmen in den Alltag „Neben dem Austausch in der Gruppe ist mir in der Vorbereitung wichtig, Menschen vor Ort zu finden, mit denen wir ins Gespräch kommen können“, sagt Silke Maresch weiter. So habe ihre Gruppe im letzten Jahr mit einer der Zisterzienserinnen aus dem Kloster Marienstern gesprochen, in diesem Jahr besuchten sie die „Pilgeroase JVA Zeithain“, eine Pilgerraststätte mit Begegnungsgarten. Sie ist ein Projekt der Gefängnisseelsorge in Zeithain. Bei einem erfrischenden Getränk können die Pilger Gespräche mit Gefangenen führen, die dadurch ebenfalls bereichert werden. Das habe die Teilnehmer beeindruckt. Am Ende der Pilgerreise bekommen die Teilnehmer noch ein kleines „echt katholisches“ Geschenk von den Verantwortlichen: Eine kleine weiße Dose mit einem Mini-Rosenkranz („Als Zeichen dafür, dass jeder eine kleine Perle in der Gemeinschaft ist.“), einem Fläschchen Weihwasser („Als Symbol dafür, dass wir alles von Gott bekommen werden, was wir brauchen.“) und einem kleinen Kreuz („Zur Erinnerung an Jesus Liebe, weil er für uns am Kreuz gestorben ist.“). Das Döschen lässt sich wie eine Mini-Erste-Hilfe-Schachtel leicht im Gepäck verstauen. „Das Beste wäre natürlich, wenn die Leute das, was sie hier kennengelernt haben, selber weiter machen. Sich mit Freunden zusammenschließen und weiterpilgern“, wünscht sich Silke Maresch. Soweit ist ihr Anliegen auch erfolgreich, denn einige der Teilnehmer haben sich vorgenommen, den Ökumenischen Pilgerweg noch einmal selbst in Görlitz zu beginnen und gen Westen zu pilgern. Für die Malteser steht im nächsten Jahr das letzte sächsische Stück von Riesa nach Leipzig auf dem Plan, danach werden neue Pilgerwege ausprobiert. Pilgertour der sächsischen Malteser
Johanna Marin Foto: Johanna Marin Seit 20 Jahren hält Ruheständler Peter Bogdan im Caritas Altenpflegeheim Bischof-Weskamm-Haus in Magdeburg jeden Freitag die heilige Messe. Seine Gemeinde wächst – nicht zuletzt, weil der 90-Jährige sich stets die Freude am Leben behalten hat. Unter seiner Albe lugen weiße Turnschuhe hervor, als er durch die kleine, lichtdurchflutete Kapelle zum Altar geht. Er läuft an den Damen und Herren im Rollstuhl vorbei, die auf der linken Seite im Halbkreis sitzen, und an denen auf der anderen Seite, die ihre Rollatoren vor sich geparkt haben. In zweiter und dritter Reihe haben diejenigen Platz genommen, die keine Gehhilfe benötigen. Seit 20 Jahren hält Pfarrer Peter Bogdan die heilige Messe im Bischof-Weskamm-Haus, dem Altenpflegeheim der Caritas in Magdeburg, in dessen Nähe er nach dem Eintritt in den Ruhestand zog. Inzwischen ist er selbst 90 Jahre alt. „Wir sind die Spätlese“, eröffnet er den Gottesdienst, „wir feiern Fronleichnam an einem Freitag um 10.30 Uhr. Denn der Gottesdienst ist für die Menschen da.“ Jeden Freitag feiert er hier eine Sonntagsmesse mit einer wachsenden Gemeinschaft. Die, die noch singen können, tun das kräftig und aus vollem Hals. Die anderen wippen mit den Füßen im Takt. Viele können nicht mehr allein in die Kapelle kommen, brauchen Ehrenamtliche und Pfleger, die schieben oder den Weg weisen. Doch sonntags ist weniger Personal da. Unter der Woche ist es leichter, an helfende Hände zu kommen. Im Ruhestand viel freier „Es ist schön, dass Peter nach seinem Ruhestand weitergemacht hat“, sagt Bernhard Beier, ehemaliger Hausmeister des Hundertwasserhauses in Magdeburg und einer der Ehrenamtlichen, „er kann das jetzt viel freier machen und muss nicht mehr auf Bischöfe hören.“ Deshalb kann Peter Bogdan zum Beispiel freitags den Sonntag feiern. Auch Frauen dürften seiner Meinung nach gern am Altar stehen, sagt er: „Wenn das Herz an der richtigen Stelle ist, kann jeder hier vorne stehen. Aber es muss echter Glaube und ehrliche Überzeugung sein.“ Peter Bogdans eigener Glaube wird in der Messe sichtbar: Als ihm eine Hostie runterfällt, beugt er seine 90-jährigen Knie, um sie behutsam wieder aufzuheben. Die Gottesdienste hält Peter Bogdan nicht allein: Initiiert hat sie Margitta Diehl. Sie ist „Zeitstifterin“ in der Diehl-Ziesewitz-Stiftung, die ihr Mann Norbert ins Leben gerufen hat. Er wollte einen Ort schaffen, an dem Menschen sich begegnen, die es sonst schwer haben: Alte, Menschen mit Behinderung, Geflüchtete. Dafür haben die Diehls ein großes, rollstuhlgerechtes Haus gebaut. Auch die Kreuzkapelle des Bischof-Weskamm-Hauses wollte Margitta Diehl wieder mit Leben füllen. „Und dann ist Peter vor 20 Jahren hier in die Nähe gezogen“, betont sie. Er feierte die Messen, sie lud die Menschen aus dem Heim ein. Heute hält sie die Predigt. Sie spricht vom Hunger nach dem Brot des Lebens. „Ich kenne echten Hunger nicht mehr“, sagt sie, „aber einige, die hier in der Kapelle sitzen, schon – aus Zeiten nach dem Krieg.“ Auch Peter Bogdan hat noch echten Hunger erlebt: Er stibitzte Kartoffelschalen aus dem Karnickelstall, nachdem er auf offenen Güterzügen aus Dresden nach Groß Ammensleben floh, kurz vor der Bombardierung im Februar 1945. „Als der Krieg vorbei war, haben die Leute in der Kirche Gemeinschaft gefunden“, erzählt er. Das, so vermutet der Priester, ist der Grund, wieso die alte Generation in der Kirche bleibt – und seine Gemeinde hier in der Kreuzkapelle wächst. Dienst am Altar statt in der Eisenbahn „Und dann kam die doofe DDR und wollte uns sagen, was wir tun sollen und dürfen – das konnte ich nicht!“, erzählt Peter Bogdan. Nach seinem Abitur 1954 hatte er ein Studium als Eisenbahner in Erfurt begonnen. Umgeben war er von Kommilitonen, die vom Sozialismus überzeugt waren. Der damalige Student hingegen feierte jeden Tag den Gottesdienst im Erfurter Dom mit und entschied sich, Priester zu werden: „Ich habe einen Schritt gewagt, von dem ich gar nicht wusste, ob ich das durchhalte.“ Bald nach seiner Weihe 1964 trat Peter Bogdan eine Stelle in Zeitz an. Ganz in der Nähe, in Droyßig, befand sich eine Parteischule der SED. Eine dort eingeschriebene Studentin hatte Pfarrer Bogdan Fragen zum Glauben gestellt, er lieh ihr Bücher. Daraufhin exmatrikulierte der Schulleiter sie, drangsalierte den Pfarrer mit nächtlichen Anrufen. „Also habe ich ihn aufgesucht und gesagt: Ich möchte gerne die Bücher, die Sie gestohlen haben“, erinnert er sich. Er bekam sie. Später wurde er Seelsorger für politische Gefangene. „So schlimm das alles war – die DDR stand mir bis zum Hals“, sagt er, „als die Wende kam, da war ich so happy! Ich habe mit Freunden in Roßbach Wein getrunken und wir haben im Gras gelegen und gefeiert!“ Bei der Erinnerung breitet Peter Bogdan die Arme aus und lacht. Er lacht viel, auch bei der Erinnerung an eine Reise mit seinen Priesterkollegen. Sie waren auf der Suche nach einem Exerzitien-Haus und fragten einen Herrn an einer Bushaltestelle nach dem Weg. „Und wissen Sie, was der verstanden hat?“, Peter Bogdan lacht laut los: „‚Wo ist denn das Exorzisten-Haus?‘ Da hätte ich ihm gerne geantwortet, dass er das vielleicht selber brauche.“ „Peter hat unsere Herzen aufgeschlossen“, sagt Margitta Diehl vor der Freitagsgemeinde, die sich in der Kreuzkapelle versammelt hat. Vielleicht kommen die vierzig bis fünfzig Gottesdienstbesucher hier jede Woche, weil die Menschen Kirche wirklich noch als Gemeinschaft erlebt haben, wie Peter Bogdan sagte. Vielleicht liegt es aber auch ein kleines bisschen daran, dass Pfarrer Bogdan den Menschen zugewandt ist. Bevor er in das Auto steigt, das ihn nach Hause bringen soll, öffnet der 90-Jährige den anderen Mitfahrern die Tür und sieht zu, dass alle sicher sitzen. Ruhestandspriester Peter Bogdan genießt die Freiheiten des Alters
Gregor Mühlhaus Fotos: Gregor Mühlhaus Auch Schülersprecherin Elisa Orlob half bei der Grundsteinlegung. In Leinefelde legte Bischof Ulrich Neymeyr den Grundstein für das katholische Schulzentrum St. Elisabeth. Kritiker befürchten, dass das Projekt zu viel Geld verschlingt. Die Besucher der Grundsteinlegung hingegen freuen sich darauf, dass die Schule in zwei Jahren eröffnen kann – die ersten Eltern haben ihre Kinder bereits angemeldet. Es ist das größte Bauprojekt des Bistums Erfurt in seiner Geschichte. Das neue katholische Schulzentrum in der Leinefelder Südstadt soll zum Beginn des Schuljahres 2027/28 bezugsfertig sein. So jedenfalls sehen es die Planungen vor, die von den Bauverantwortlichen bei der Grundsteinlegung während eines Festakts auf der Baustelle vorgestellt wurden. „Der Neubau des katholischen Schulzentrums St. Elisabeth in Leinefelde stemmt sich gegen die Notwendigkeiten der Zeit. Auch im Bistum Erfurt ist die Zahl der Kirchenmitglieder rückläufig. Trotzdem bauen wir eine neue Schule, es ist die größte Investition in der Geschichte unseres jungen Bistums“, begann Bischof Ulrich Neymeyr seine Festrede. Es ermutige ihn, dass schon jetzt der Zuspruch für das neue Bildungshaus unverkennbar sei. Viele Eltern meldeten ihre Kinder bereits an der Schule an, obwohl das Gebäude erst in gut zwei Jahren bezogen werden könne, sagte Neymeyr. „Für das neue Schuljahr an der bisherigen Bergschule in Heiligenstadt wurden zum ersten Mal so viele Kinder angemeldet, dass wir nicht alle aufnehmen konnten.“  Dann wandte sich der Generalvikar des Bistums, Dominik Trost, den Gästen zu. Als er erfahren habe, dass das Bistum in Leinefelde eine neue Schule bauen wolle, habe sich in ihm große Skepsis und Widerstand geregt. Er habe sich die Frage gestellt: „Wollen wir wirklich so viel Geld in die Hand nehmen“? Schließlich habe sich seine Skepsis gelegt, so Trost. „Eins bleibt aber. Dieses Projekt ist aktuell das heißeste und emotionalste Thema auf meinem Schreibtisch“, so der Generalvikar weiter. Was bleibe sei, ob die Kritiker recht behielten, die die Schule als goldenes Kalb und Millionengrab des Bistums bezeichneten oder ob die Befürworter Recht haben, die meinten, dass das Vorhaben mit Freude und Zustimmung angenommen werde. Er werde alles mit dem Bischof dafür tun, damit letzteres zutreffe, sagte Trost. Schließlich hatte Bischof Neymeyr die Ehre, die Zeitkapsel, die in den Grundstein eingelassen wurde, zu segnen. In der röhrenförmigen Kapsel sind außer Bauplänen und Fotos eine aktuelle Tageszeitung und Münzen. Das noch bestehende Gymnasium „St. Elisabeth“ in Heiligenstadt – die Bergschule – ist von der Größe her an seine Kapazitätsgrenze angelangt. Obendrein gibt es im Heiligenstädter Schulkomplex noch eine Berufsschule und nebenan einen katholischen Kindergarten. Die neue Schule wird 14 000 Quadratmeter umfassen und auch einen Realschulzweig beherbergen. Hans-Peter Kaes, der Direktor des katholischen Gymnasiums sagte, er sei dankbar und beeindruckt. Sein Dank gelte dem Bistum. „Viele Rädchen mussten gedreht werden, um in verantworteter Weise sagen zu können: Wir entscheiden uns gegen den Trend anderer Bistümer. Wir bauen sogar eine Verbundschule. Wir investieren in erheblichem Umfang in dieses Vorhaben.“ Katholisches Schulzentrum „St. Elisabeth“ Leinefelde
Im Juli 2021 fuhr der afghanische Lastwagenfahrer Ibrahim über eine in der Straße vergrabene Bombe. Sein 17-jähriger Begleiter starb bei der Explosion, Ibrahim wurde schwer verletzt. Über Ibrahims Schwager, der in Plauen lebt, erfuhren wir von dem Schicksal und begannen, uns für Ibrahim einzusetzen. So erschien im April 2022 auch im TAG DES HERRN ein Artikel, in dem wir um Spenden für dringend notwendige Operationen baten. Damals hatten wir von Plauen aus versucht, Möglichkeiten für die medizinische Behandlung zu finden, für die Spezialisten notwendig waren. Nach vielen erfolglosen Bemühungen vor Ort in Afghanistan und auch Pakistan schien damals die Operation in Österreich kurz bevorzustehen. Leider war das eine Sackgasse, da Österreich trotz Absicherung aller notwendigen Bedingungen kein Visum erteilte. Wir gaben nicht auf, suchten nach anderen Wegen und Möglichkeiten an verschiedenen Orten in Pakistan, was erfolglos war. Wir versuchten es dann im Iran, wo wir Kontakt zu einem Arzt aufnahmen, der uns mittlerweile ein großer Unterstützer geworden ist. Hier waren die Bemühungen erfolgreich. Ibrahim wurde inzwischen mehrfach operiert. Für seinen verletzten Kiefer wurde kürzlich eine Prothese eingesetzt, die nun einheilen muss. Inzwischen kann Ibrahim wieder eingeschränkt essen und sprechen und mit einfachen Tätigkeiten zum Lebensunterhalt seiner Familie beitragen. Aber weitere Operationen stehen noch bevor: Eine bereits angefertigte Augenprothese soll bald eingesetzt werden. Außerdem müssen ein Ohr und Teile des Gesichts rekonstruiert werden. Dafür ist schätzungsweise eine mittlere vierstellige Summe nötig. Wir bitten sehr herzlich noch einmal um Spenden, damit der noch junge Mann wieder ein ansehnliches Gesicht erhält und der mit allem verbundene seelische Schmerz ein erträgliches Maß erhält. Allen bisherigen Spendern sei an dieser Stelle von Herzen gedankt. Ohne Sie wären die Behandlungen nicht möglich gewesen. Unser Anliegen ist es, Ibrahim wieder ein Gesicht zu geben. Bitte helfen Sie uns dabei. // Christa Ottiger und Barbara Sörgel aus Plauen Solidarisch sein – einem Kriegsopfer helfen
Pater Josef kleine Bornhorst Image Am 29. April durften wir den 100. Geburtstag meiner Mutter feiern. Wir haben mit ihr gefeiert, mit großer Freude und Dankbarkeit für ein langes Leben. Pater Josef kleine Bornhorst    Dominkanerkloster Leipzig Ihr Leben war nicht immer leicht, es gab auch schwere Zeiten, so der Tod meiner Zwillingsschwester mit 16 Jahren. Aber meine Mutter lebt heute mit viel Freude und Gottvertrauen bei relativ guter Gesundheit. An ihrem Geburtstag wurde sie gefragt: „Wie wird man 100 Jahre?“ Ihre schlagkräftige, spontane Antwort: „Immer weiteratmen, nicht aufhören, immer weiteratmen!“ Ja, der Atem, die Atmung, gehört zu uns Menschen. Von der ersten bis zur letzten Sekunde des Lebens atmen wir aus, atmen wir ein, täglich etwa 20 000 Mal. Dabei werden rund zwölf Kubikmeter Luft bewegt. Die Bedeutung der richten Atmung ist wesentlich für die Gesundheit und hilft den Menschen mit Ruhe und mit Balance gut zu leben. Für Sportler, Musiker, Sänger, Schauspieler, Tänzer ist die richtige Atemtechnik die entscheidende Grundlage, ihr Können mit viel Ausdauer durchzuhalten, so dass die körperliche Höchstleistung trotzdem leicht rüberkommt. Die richtige Atmung ist hier das Geheimnis. Sie hilft auch mir und uns Ordensleuten beim Chorgebet, beim Gesang, bei der Predigt, bei der Meditation. Gottes Atem darf in mir fließen und nur so kommt meine Seele bei Gott zur Ruhe. Auch die richtige Atempause zu setzen, ist die Kunst der Rhetorik. Viele fahren in diesen Tagen in die Ferien, machen Urlaub, lassen die Seele baumeln, wandern – atmen gleichmäßig durchs Wasser, kommen außer Atem beim Aufstieg des Berges, genießen mit ihrem Atem die Luft, atmen die Natur ein und schöpfen neue Kraft und spüren: Auch Gottes Atem lebt in mir. Anstoß 14/2025
Andreas Kaiser Foto: imago/Funke Foto Services Sprachunterricht abseits der Koranschulen: Die Ibn-Khaldun-Schulen setzen sich für Freiheit und Toleranz ein. In Berlin-Neukölln gibt es massive Integrationsprobleme. Hudhaifa Al-Mashhadani will als Leiter der Sprachschule Ibn Khaldun gegensteuern. Er wirbt für Toleranz und Demokratie und setzt mit seinem Antisemitismusprojekt dort ein Zeichen gegen Judenhass, wo er besonders verbreitet ist. In Berlin-Neukölln sehen etliche Straßenzüge eher aus wie ein arabisches Viertel in Nahost als wie eine deutsche Metropole. Statt Kuchen gibt es Baklava. In vielen Bekleidungsgeschäften hängen Burkas und Palästinensertücher aus. Das religiöse Leben vieler Zuwanderer wird von Moscheegemeinden bestimmt, „die einem radikalmuslimischen Gedankengut anhängen und es verbreiten“, sagt der deutsch-irakische Politikwissenschaftler Hudhaifa Al-Mashhadani. Vor allem die Muslimbruderschaft und die islamistische Bewegung Hizb ut-Tahrir, die die Errichtung eines globalen Kalifat-Staates postuliert, seien hier aktiv, sagt er: „Denen geht es nicht um Integration, sondern um die Verbreitung einer Ideologie. Sie arbeiten gegen die demokratische Gesellschaft in Deutschland. Über Imame und die sozialen Medien verbreiten sie Hass und Antisemitismus.“ „Ich stehe auf der Todesliste der Hamas“ Al-Mashhadani ist Generalsekretär des Deutsch-Arabischen Rates und Leiter der säkularen Ibn-Khaldun-Sprachschulen mit rund 1000 Schülerinnen und Schülern. Die Schulen mit Standorten in Berlin, Chemnitz, Dortmund und Köln setzen sich bewusst gegen die Bildung von Parallelgesellschaften und für den interkulturellen Austausch ein. Gegründet wurde das Projekt von arabischen Akademikern. Sie wollten damit ihren Kindern einen heimatkundlichen Sprachunterricht abseits der Koranschulen ermöglichen. „Mit unserem Engagement setzen wir außerdem ein starkes Zeichen gegen Terror und Antisemitismus. Wir wollen sozialen Frieden in Neukölln“, sagt Al-Mashhadani. Hudhaifa Al-Mashhadani im Hinterhof seiner Schule. Foto: imago/Funke Foto Services Wie weit sich etliche Zuwanderer Neuköllns vom demokratischen Konsens verabschiedet haben, wurde in der Vergangenheit immer mal wieder deutlich. Etwa am alljährlichen, sogenannten Al-Quds-Tag, an denen Muslime zur Eroberung Jerusalems aufrufen. Früher blieben solche Demonstrationen, auf denen manche arabische Zuwanderer ihren Israel-Hass herausschreien, noch die Ausnahme. Seit dem Massaker der Hamas an israelischen Bürgern und dem nachfolgenden Krieg in Gaza hat sich die Lage in Neukölln jedoch verschärft. Über Monate kam es im Kiez zu pro-palästinensischen Demonstrationen, Juden wurden zusammengeschlagen, Autos gingen in Flammen auf, Polizeibeamte wurden mit Pyrotechnik beschossen.  Stefanie Dietrich. Foto: Malina Ebert Das gefiel Al-Mashhadani, der sich bereits im Irak gegen den Islamismus starkgemacht hatte, überhaupt nicht. Sofort ging er selbst auf die Straße, mischte sich ein, besuchte abends die Familien von gewaltbereiten Jugendlichen. An seiner Schule richtete er mit der Schauspielerin Stefanie Dietrich, der Mutter eines deutsch-arabischen Kindes, das Antisemitismus-Projekt Goom ein. Zudem wurde dort ein Hebräisch-Unterricht etabliert. „Seitdem stehe ich auf der Todesliste der Hamas“, sagt Al-Mashhadani. Die Ibn-Khaldun-Schule wurde mehrfach mit islamistischen Parolen beschmiert. „Einmal flogen sogar Steine ins Klassenzimmer und haben mehre Schülerinnen und Schüler verletzt“, erinnert sich die Ehrenamtlerin Dietrich. Seither steht die Neuköllner Schule unter Polizeischutz. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf. Bislang allerdings erfolglos. Von den Anfeindungen beirren lassen wollten sich Al-Mashhadani und seine 24 Lehrerinnen an der Neuköllner Schule jedoch nicht. Sie machten weiter. Und haben neuerdings sogar vermehrt Zulauf. „Erst neulich sind 70 Mädchen im Alter von 9 bis 13 Jahren auf einmal zu uns gekommen. In einer Koranschule hatte man sie von einem Tag auf den anderen gezwungen, sich ein Kopftuch aufzusetzen“, erinnert sich Dietrich.  Vor gut einem Jahr organisierte Dietrich mit Al-Mashhadani und dem Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) ein Treffen von 120 arabischstämmigen Berliner Jugendlichen mit 40 jungen Israelis. Die Stimmung war rasch ausgelassen. „Man tauschte sich über Berliner Clubs und die besten Strände in Israel aus“, erinnert sich Dietrich. Freundschaften entstanden. „Nach 75 Jahren Krieg in Israel und Nahost möchte ich endlich eine neue Generation haben. Ich möchte, dass David und Mohammed in Zukunft friedlich auf der gleichen Straße spazieren gehen können“, sagt Al-Mashhadani. In den Neuköllner Moscheen jedoch werde das Gegenteil propagiert. „Die Mädchen sollen jung heiraten. Araber sollen unter sich bleiben. Vertraut den Deutschen nicht. Und Judenhass“, so fasst der Politologe in seinem noch etwas gebrochenem Deutsch den Duktus der Koranschulen zusammen. Viele sind zum Wandel bereit Die 18-jährige Scheerin Saadi.Foto: Andreas Kaiser Diese feindselige Grundstimmung ist auch Stefanie Dietrich nicht verborgen geblieben. Sie glaubt jedoch, dass das Gros der arabischen Zuwanderer bereit zum Wandel sei. „Das Problem ist, dass die Radikalen und die Nicht-Integrationsbereiten immer viel lauter agieren. Und viele Araber haben es einfach nicht gelernt haben, öffentlich Position zu beziehen. In ihrer alten Heimat liefen sie Gefahr, dafür erschossen zu werden“, sagt Dietrich.  Finanziert wird die Ibn-Khaldun-Schule ausschließlich über private Mittel. Alle Versuche einer öffentlichen Förderung scheiterten bisher. Rund 3000 Menschen engagieren sich im Elternbeirat und die meisten von ihnen tragen Al-Mashhadanis interkulturellen und interreligiösen Kurs voll mit. Für viele liberale Migrantenkids ist das Schulgebäude in der Uthmannstraße zu einem „Safe-Space, einem sichereren Ort“ geworden, berichtet etwa die 18-jährige Scheerin Saadi. Sie sieht zwar, dass viele arabische Zuwanderer in Sachen Toleranz noch einen langen Weg vor sich hätten. Aber sie sagt: „Allein schon, weil wir hier sind und mit dem, was wir machen, bringen wir andere zum Nachdenken.“ Wie eine Neuköllner Sprachschule Antisemitismus und Islamismus bekämpft

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