Michael Burkner
Papst Leo XIV. hat als Augustiner 31 Mitbrüder in Deutschland – darunter ist Pater Jeremias Kiesl, der in Erfurt lebt. Bei einem Gesprächsabend der Katholischen Akademie Berlin teilte er seine persönliche Sicht auf den neuen Papst.
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„Bob“ nennt er ihn und muss dabei dann doch ein wenig schmunzeln. Denn dieser „Bob“, von dem Pater Jeremias Kiesl, Augustiner aus Erfurt, gerade spricht, ist nicht etwa sein bester Schulfreund. Es ist Robert „Bob“ Francis Prevost, besser: Papst Leo XIV., das neue Oberhaupt der katholischen Kirche. „Wir sprechen uns im Orden mit Vornamen an. Man könnte sagen, Papst Leo ist der erste Papst, den ich duze“, erklärt Pater Jeremias. Die beiden, „Bob“ und er, kennen sich persönlich aus der Zeit, in der Prevost Generalprior der Augustiner, also der weltweite Leiter der Ordensgemeinschaft, war. Pater Jeremias erinnert sich an einen damaligen Deutschlandbesuch, bei dem Prevost auch in Erfurt und Wittenberg Station gemacht hat, interessiert an den Orten, an denen ein berühmter Erfurter Augustiner wirkte: Martin Luther.
Doch natürlich wollen die über 100 Teilnehmer des Gesprächsabends von Pater Jeremias besonders wissen: Wie ist der neue Papst denn nun persönlich? „Einfach ein Gentleman“, findet der Erfurter und erzählt eine Anekdote: Beim Weltjugendtag in Brasilien wollte er, Pater Jeremias, bei einer Messe statt der weißen Priester-Albe sein schwarzes Ordensgewand tragen, um nicht zu sehr als Priester herauszustechen. Prevost kam damals zu ihm und erklärte ihm ruhig, dass er lieber die weiße Albe anziehen solle. Denn die Farbe Schwarz werde in Brasilien mit dem Tod assoziiert. Pater Jeremias war beeindruckt: „Prevost hat mir nicht einfach vorgeschrieben, Weiß zu tragen. Er hat mir den Grund ganz sachlich erklärt.“
Pater Jeremias Kiesl aus Erfurt erzählte von seinen Erinnerungen an Papst Leo XIV..Foto: Bistum Erfurt
Leo könnte also ein Papst werden, der das Gespräch sucht, statt vorzuschreiben. Dazu passt sein Verhalten bei einem deutschen Provinzkapitel, also einem Treffen aller Augustiner des Landes, vor 15 Jahren. Diesem stand Prevost vor und es wurde heiß diskutiert, ob die Augustiner eine Gemeinschaft in Erfurt gründen sollten. Prevost fand die Idee gut, doch die Diskussion war verfahren. „Ich habe immer darauf gewartet, dass er sagt: ‚Macht das jetzt! Geht nach Erfurt!‘“, erinnert sich Pater Jeremias. Doch das Machtwort blieb aus und der spätere Papst erklärte ihm in der Pause: „Ich werde das nicht befehlen, du brauchst die Unterstützung deiner Brüder.“ Am Ende entschied sich die Versammlung gegen den Standort in Erfurt. Prevost nahm die Entscheidung hin und riet doch zum Abschluss: „Traut euch, außerhalb der Box zu denken.“ Das taten die Augustiner und gründeten eine Kommission, die zwei Jahre später dann entschied: Die Gemeinschaft in Erfurt kann entstehen. Seither leben Pater Jeremias und sein Mitbruder Pius Wegscheid dort – Bob Prevost hat seinen Teil dazu beigetragen. Pater Jeremias weiß: „Prevost hatte Sympathie für Erfurt und doch wird er Ostdeutschland nicht explizit in den Blick nehmen. Er vertraut darauf, dass wir vor Ort das tun, was zu tun ist.“
Und welche Erwartungen hat der Erfurter an den neuen Papst? „Ich wünsche mir, dass er seinem Weg als guter Zuhörer und als Einer, der auf Vielfalt vertraut, treu bleibt“, sagt Pater Jeremias zum Abschluss des Abends über seinen Mitbruder, über Papst Leo XIV., über Robert Francis Prevost, über „Bob“.
Augustiner Jeremias Kiesl spricht über Begegnungen mit Papst Leo XIV.
Michael Burkner
Foto: Michael Burkner
Frank Seibel auf der Frauenempore der Synagoge. Der Leiter des Kulturforums Görlitzer Synagoge ist Katholik und fühlt sich wohl im ehemaligen jüdischen Gotteshaus.
Frank Seibel ist Leiter des Kulturforums Görlitzer Synagoge: Ein Mann, der von West nach Ost wanderte, Religionsgrenzen überschritt und die Erinnerungskultur an die NS-Zeit pflegt – in einer Stadt, in der nahezu die Hälfte der Bevölkerung die AfD wählt.
„Gehen wir auf die Chorempore der Synagoge, da gefällt es mir besonders gut“, sagt Frank Seibel und läuft mit beschwingten Schritten die gebogene Treppe hinauf. Dort oben, hinter dem Ziergitter, das die Empore vom prunkvoll in Gold gestalteten Gottesdienstraum abtrennt, sangen früher zu Fest- und Feiertagen auch christliche Chorsänger. Damals stand hier eine Orgel, nach den Novemberprogromen von 1938 musste die jüdische Gemeinde sie an die katholische Kirche St. Bonifatius im heutigen Zgorzelec verkaufen. Juden und Katholiken waren sich einst ganz nahe in Görlitz, das beweist auch ein Blick aus den Fenstern der Synagoge auf die katholische Pfarrkirche Heilig Kreuz in direkter Nachbarschaft. Im Fenster des Pfarrhauses steht ein siebenarmiger Leuchter der jüdischen Tradition. Katholisch-jüdische Verbundenheit – das gefällt dem Katholiken Seibel, der seit 2022 Leiter des Kulturforums Görlitzer Synagoge ist. Das merkt man, wenn er von seiner Arbeit, der Synagoge und der Geschichte der Görlitzer Juden erzählt und sich dabei ganz selbstverständlich mit dynamischen Schritten durch das ehemalige Gotteshaus bewegt – als wäre es seine eigene religiöse und geografische Heimat.
Der Westdeutsche im Osten
Dabei ist Frank Seibel weder Jude, noch gebürtiger Görlitzer. Er wurde 1965 in einer katholischen Familie in Frankfurt am Main geboren, seine Eltern stammten aus dem brandenburgischen Falkensee. Mit dem Katholizismus seiner Kindheit verbindet Frank Seibel bis heute etwas Dunkles und Strafendes: „Meine Großeltern haben mich streng katholisch geprägt, die Sünde war ein Schlüsselbegriff ihres Glaubens. Er war immer etwas Bedrohliches für mich, zum Beispiel, wenn sich meine Großmutter betont fromm vor ihr Bett kniete und betete, als wäre dies ein Akt der Buße, nicht des vertrauten Zwiegesprächs mit Gott.“ Zu schüchtern zum Ministrieren fand Frank Seibel erst in der katholischen Jugend seinen eigenen Platz im Gemeindeleben, wo er dem Konservatismus seiner Großeltern die Ideen der Befreiungstheologie, der Öko- und der Friedensbewegung entgegenstellte. „Das waren sehr intensive Jahre. Atomkraft und der Kalte Krieg waren damals präsent und ein linker katholischer Ansatz gefiel mir“, erinnert er sich heute. Mit Mitstreitern gründete er eine progressive Jugendzeitung, bis die Ankunft eines neuen, konservativen Kaplans den Aktivismus Anfang der 1980er-Jahre jäh beendete. In der Folge blieben christliche Überzeugungen und Werte zwar bestehen, doch der katholische Glauben verschwand aus Seibels Alltag.
Nach dem Studium begleitete Frank Seibel seine Frau nach Sachsen, wurde Volontär bei der Sächsischen Zeitung und später Redaktionsleiter in Görlitz und Reporter in der Lausitz. Als Westdeutscher, der „eigentlich nie nach Sachsen ziehen wollte“, arbeitete er im ostdeutschen Lokaljournalismus beständig gegen den Vorwurf, Medien würden nur das Negative berichten: „Meine Grundhaltung war immer: Ein großes ‚JA‘, ein kleines ‚aber‘. Mir war es ein Anliegen, die Lebensqualität und die vielen guten Leute der Region sichtbar zu machen.“ In der Wahlheimat Görlitz brachten Schlüsselerlebnisse nach und nach auch den katholischen Glauben zurück, besonders mit der Erstkommunion der Tochter. „In dem Jahr habe ich eine Einladung unseres Pfarrers erhalten, mir am Gründonnerstag symbolisch die Füße waschen zu lassen. Da dachte ich erst: Was mache ich denn jetzt?“, erinnert sich Seibel. Seine fehlende Verwurzelung im katholischen Görlitz bereitete ihm Sorge, nach einem Gespräch mit dem Pfarrer entschied er sich dann aber doch zur Fußwaschung. Eine weitere Annäherung brachte ein Projekt, das Seibel mit drei Görlitzer Mitkatholiken umsetzte: Zehn Jahre lang organisierten sie einen der ersten „lebendigen Adventskalender“ in Deutschland.
2019 war Schluss mit Journalismus und Frank Seibel übernahm die Leitung des St.-Wenzeslaus-Stifts in Jauernick, das er stärker als Bildungshaus profilieren wollte. Die Corona-Pandemie verschaffte ihm „Beinfreiheit für Neuerungen“, als mangelnde finanzielle Ressourcen aber die gesamte Umstrukturierung in Frage stellten, verließ Frank Seibel Jauernick wieder. „Ich passte in diese Struktur nicht mehr hinein.“
Entwicklungshelfer für schwach entwickelte Erinnerungskultur
So wechselte Frank Seibel, der Katholik, der sich inzwischen im kirchlichen Leben in Görlitz eingenistet hatte, vom christlichen Bildungshaus ins Kulturzentrum der Synagoge. Erfahrung in der Gedenkarbeit brachte er mit: Seit 2013 ist er Präsident des Meetingpoint Memory Messiaen, einem deutsch-polnischen Gedenkprojekt, das die Erinnerung an das Kriegsgefangenenlager im heutigen Zgorzelec pflegt. Im Kulturforum der Görlitzer Synagoge, das dem Gotteshaus mit Ausstellungen und Veranstaltungen neues Leben einhaucht, wurde diese Gedenkarbeit nun zu Seibels Beruf – keine einfache Aufgabe in Görlitz: „Es gibt hier eine nur schwach entwickelte Erinnerungskultur. Die breite öffentliche Erinnerung endet in den 1920er-Jahren. Nur Teilen der Stadtgesellschaft sind die NS-Zeit und die DDR bewusst“, nimmt Seibel wahr und berichtet: „Mittlerweile kommt es vor, dass Schulführungen ausfallen, weil Eltern es aus ideologischen Gründen ablehnen, dass ihre Kinder eine ehemalige Synagoge besuchen.“ Seibel sieht in seiner Arbeit noch immer, wie sehr die Gesellschaft von der mangelnden politischen Bildung in der DDR-Zeit geprägt ist, und hat dabei auch Verständnis: „Die Wende war natürlich ein riesiger Umbruch, der die Menschen voll auslastete. Sie hatten einfach keine Kapazität, sich im Alltag mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.“ Nicht nur Schul-, sondern auch Erwachsenenbildung bräuchte es heute. Dass die Fördermittel dafür schmal sind, bereitet ihm Sorge.
Mit dem 7. Oktober 2023 kamen weitere Herausforderungen hinzu: Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel bewacht die Görlitzer Polizei ununterbrochen die Synagoge, der aufflammende Krieg in Nahost und das Vorgehen Israels in Gaza bringt Seibel dabei aber nicht in einen moralischen Konflikt: „Die Situation in der Ukraine beschäftigt mich sogar mehr“, gibt er zu. „Die Politik der Netanjahu-Regierung und die Art der Kriegsführung sehe ich kritisch. Trotzdem steht ein Existenzrecht Israels für mich außer Frage.“ Da ist sie wieder, seine Verbundenheit mit der jüdischen Religion, denn der Katholik Frank Seibel fühlt sich wohl in diesem früheren Gotteshaus.
Kulturforum Görlitzer Synagoge
tdh
Foto: kna/Harald Oppitz
Kirchliche Großveranstaltungen ziehen viele Menschen an – doch was bleibt, wenn die Gassen der Städte wieder leerer und die Gäste wieder heimgekehrt sind? Ein Jahr nach dem Katholikentag in Erfurt mit rund 20 000 Besuchern blicken wir zurück: auf das, was war, und auf das, was bis heute trägt.
Ulrich Neymeyr, Bischof von Erfurt:Auch ein Jahr nach dem Katholikentag höre ich noch immer viele Erlebnisse von Teilnehmern. Es gab ja eigentlich 25 000 verschiedene Katholikentage, weil jeder die Tage anders erlebt hat. Ich werde oft von Menschen außerhalb des Bistums, aber auch von Erfurterinnen und Erfurtern angesprochen, die beeindruckt waren von diesen Tagen.
Es hat unserem kleinen Bistum Erfurt gutgetan, Gastgeber für dieses Ereignis zu sein, denn wir sind schon ein wenig stolz, dass wir uns so gut den Gästen aus Deutschland und aller Welt, aber auch der Erfurter Bevölkerung präsentieren konnten.
Das Leitwort des Katholikentags „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ aus Psalm 37 wird mich für den Rest meines Lebens begleiten. Es war mir wichtig, dass das Leitwort des Erfurter Katholikentags ein Bibelwort ist, denn Erfurt wird immer mit dem Namen Martin Luther verbunden, der die Bibel ins Deutsche übersetzt hat und es war mir ebenso wichtig, dass es ein Wort ist, das auch Menschen verstehen können, die nicht religiös geprägt sind. Darüber hinaus ist es natürlich ein Satz, der zum Nachdenken anregt.
Florian Jaster, Musiker, Erzieher:Ich habe viel vom Katholikentag erlebt, sowohl als Musiker, als auch mit der Kindergartengruppe, deren Erzieher ich bin. Ich habe mit den Kindern den Eröffnungsgottesdienst besucht und wir waren auf dem Domplatz unterwegs. Das war spannend für die Kinder und schön für mich, zum Beispiel, als ich den Kaplan meines Heimat-Bistums Dresden-Meißen wiedergesehen habe. Er hat vor elf Jahren meine Jugendzeit mitgestaltet, deshalb war es eine tolle Begegnung.
Bei dem Programm gab es so vielfältige Sachen! Das sieht man schon an meinen Auftritten: Ich hatte mit dem „Downtown Gospel“-Chor in der Schottenkirche einen Auftritt. Meine Band „Thomas-Keller-Kapelle“ macht christlichen Rock und Pop und mit der stand ich auf der Bühne am Anger. An gleicher Stelle bin ich auch mit meinem Soloprojekt „Waffellobby“ aufgetreten – das gehört in den Bereich deutschsprachige Singer-Songwriter.
Der Katholikentag war für mich als Musiker und als Besucher ein komplettes Rundum-Paket. Die Stadt war voll und wie fröhlich die Menschen waren! Ich habe den Katholikentag als sehr positive Veranstaltung wahrgenommen und viele schöne Erinnerungen daran.
Ulrich Born, Präses der Synode des evangelischen Kirchenkreises Erfurt:Als Teil des Trägervereins des 103. Katholikentags war ich mit der Veranstaltung von Anfang an befasst. In der Entwicklung gab es in der Stadt einige kritische Stimmen und innerhalb des Vereins auch Tiefen. Aber all das war wie weggeblasen, als der Katholikentag begann. Die Besucher fühlten sich willkommen. Ich erlebte es mehrmals, dass jemand sein Handy aus der Tasche nahm und suchend darauf schaute, um an einen Ort zu gelangen – sofort wurde die Person von Erfurtern angesprochen, ob sie helfen könnten.
Für mich war es eine großartige Veranstaltung. Die heitere, aufgelockerte Stimmung empfand ich als bemerkenswert. Auch, dass sich die Stände kompakt durch die Stadt zogen, war schön und für die Besucher sicher angenehm. Das kann man in größeren Städten gar nicht umsetzen.
Für mich gingen vom Katholikentag in Erfurt auch Impulse aus, die bis heute wirken. Gerade die Ökumene hat – einerseits durch ihre lange Geschichte in Erfurt, andererseits durch das gemeinsame Auftreten – noch mal einen starken Impuls erhalten.
Julia Reinard, Journalistin:Im Vorfeld hatte ich vom Katholikentag aus der Zeitung mitbekommen. Als es dann los ging, fand ich den Umfang der Veranstaltung beeindruckend. Selbst im Brühler Garten standen Informationsstände! Und die umfassten Themen, an die ich zuvor nicht gedacht hatte, zum Beispiel verschiedene christliche Reiseanbieter. Als Erfurterin empfand ich die Stimmung in der Stadt als sehr angenehm und wohlwollend.
Während der Veranstaltung hatte ich einen Übernachtungsgast: Ruth Weinhold-Heße. Sie moderierte eine vom Tag des Herrn organisierte Diskussion, die ich deshalb auch besuchte. Dadurch erlebte ich auch, was den Katholikentag ausmacht: der Austausch der Menschen untereinander. Ich denke oft an ein Ehepaar aus einem kleinen sächsischen Ort, das dankbar war für die Bestärkung im Glauben durch das Magazin und dieses Treffen.
Außerdem habe ich bei der Diskussion Dorothee Wanzek kennengelernt, was die spätere Zusammenarbeit erleichterte. Ja, im Grunde war es diese Begegnung, die zu meiner Tätigkeit für den Tag des Herrn entscheidend beigetragen hat. Es ist also für mich viel geblieben vom Katholikentag in Erfurt.
Katrin Göring-Eckardt, Mitglied des Deutschen Bundestages:In Erfurt erinnert man sich gern an eine lebendige Stadt voll freundlicher Menschen.
Erfurt war eine gute Gastgeberin: Mitten in Deutschland war ganz Deutschland zu Gast. Trotz Regenwolken und die meiste Zeit dann doch ohne Regen. Aber selbst darauf waren alle vorbereitet. Ein super Team!
Erfurt war ein ökumenischer Katholikentag: Erfurt ist katholisch mit Dom und Severi, dem Bistum, der katholischen Fakultät und vielen Glaubensgeschwistern. Und zugleich ist Erfurt evangelisch. Viele evangelische Orte standen selbstverständlich offen und wurden geschwisterlich geteilt. Im evangelischen Augustinerkloster habe ich zusammen mit dem orthodoxen Bischof über einen jüdischen Propheten nachgedacht. Gemeinsam mit vielen eine sehr fröhliche Sache!
Erfurt ist aber auch eine Stadt mit jüdischer Geschichte – und Gegenwart! Ganz besonders war für mich deshalb die Verlegung des Stolpersteins direkt vor der Edith-Stein-Schule.
Wenn man in Erfurt fragt, wie es war, dann sagen eigentlich alle: Das war gut, die dürfen gern wiederkommen. Find ich auch!
Katholikentag 2024 in Erfurt
Thomas Marin
Vor zehn Jahren fand die erste Pfingstnacht der Jugend in der romanischen Basilika St. Nikolai in Brandenburg an der Havel, der ältesten Kirche des Erzbistums Berlin, statt. Basis war und ist die Jugendpastoral in den Ortsgemeinden der Region.
Die Pfingstnacht der Jugend findet in der romanischen Basilika St. Nikolai in Brandenburg an der Havel, der ältesten Kirche des Erzbistums Berlin, statt.Fotos: Thomas Marin
„Ich war sofort fasziniert von diesem Kirchenraum. Das Raumgefühl führt einen augenblicklich in eine andächtige Stimmung und ich dachte mir: Das ist etwas für Jugendliche.“ Benedikt Bederna steht in der ältesten Kirche des Erzbistums Berlin und ist auch nach über zehn Jahren begeistert von der romanischen Basilika St. Nikolai. Mit seinem Cousin Jonas Bunzel hatte er sich 2014 zu einem Besuch bei Matthias Patzelt nach Brandenburg an der Havel aufgemacht. Der wurde kurz zuvor von der Heimatgemeinde der beiden Jugendlichen in Potsdam-Babelsberg als Pfarrer in die Domstadt versetzt.
„Im Nachhinein wirkt es so, als müsste das alles so sein, wie es dann geworden ist. Das war aber von Anfang an gar nicht so klar.“ Benedikt Bederna erinnert sich an mehrere Konzeptideen und vor allem an die Frage nach dem Termin. „Ich war schon immer ein großer Fan vom Dekanatstag am Pfingstmontag im Kloster Lehnin. Und so sind wir auf die Idee gekommen, ein spirituelles Angebot für Jugendliche mit diesem Format zu kombinieren.“ Es traf sich, dass der Vorläufer der heutigen Märkischen Katholikentage wegen der Bundesgartenschau 2015 in Brandenburg stattfinden sollte.
„Wenn man etwas für Jugendliche machen will, muss man es abends machen. Der Dekanatstag findet aber nun mal morgens statt, am helllichten Tag. Und nach dem Dekanatstag, am Pfingstmontag nachmittags zu starten, war von Anfang an keine Option“, erinnert sich Bederna. So blieb nur der Abend des Pfingstsonntags und die Nacht vor dem Treffen der damaligen Dekanate Brandenburg und Potsdam-Luckenwalde, um Jugendliche zu einer Gebetsnacht in die 850 Jahre alte Nikolaikirche einzuladen.
Das Konzept bauten die Initiatoren auf drei Säulen auf. „Die erste ist, einen Raum für Jugendliche zu schaffen, der ihnen ermöglicht, Gott leichter erfahren zu können als im Alltag oder in einer normalen Sonntagsmesse.“ Den Raum mit Farbe und Licht, vor allem aber mit Musik, mit einem durchgehenden Klangteppich zu gestalten, habe man auch von Taizé oder Nightfever gelernt. Dass der Ort, die mittelalterliche Kirche, auch Jugendliche schon von sich aus zu einem geistlichen Tun einlädt, sieht Benedikt Bederna als zentral an. „Jugendliche fangen ja mit ihren ganz persönlichen Herausforderungen, Fragen und Problemen an und entdecken oft darüber dieses Dialogische zwischen ihnen und Christus. Und da ist es wichtig, dass man eine gewisse kontemplative Atmosphäre hat.“
Die zweite Säule bildet das Erleben des Miteinanders mit anderen Jugendlichen. „Niemand glaubt allein, man braucht immer eine Form von Gemeinschaft. Deshalb ist es gut, wenn sich verschiedene Jugendliche, unterschiedliche Pfarrjugendgruppen kennenlernen und so der Austausch zwischen den jungen Christen gefördert wird.“ Drittes Element ist die Verbindung zu den Kirchengemeinden vor Ort, aus denen die Jugendlichen stammen und in die sie ihre hier gemachte Erfahrung mitnehmen. Auch dafür war die Anbindung an den Dekanatstag hilfreich.
Benedikt Bederna bringt das Plakat für die diesjährige Pfingstnacht im Schaukasten an.
Die Gemeinschaftserfahrung entsteht nicht erst bei einer Veranstaltung wie der Pfingstnacht, sie lebt von der lebendigen Jugendpastoral in den Gemeinden vor Ort. Nach drei Jahren mit begeisternden und gut besuchten Pfingstnächten, bröckelten die Teilnehmerzahlen. Benedikt Bederna, der die Entwicklung aufmerksam protokolliert hat, erinnert sich: „2018 fiel die Pfingstnacht in eine Zeit, in der die Jugendgruppen in den Gemeinden gerade überall sehr schlecht liefen. Wir haben in diesem Jahr vor allem Jugendliche gesehen, die wiedergekommen sind, aber kaum neue. Aus der Pfingstnacht kann man da auch lernen, dass zentrale Veranstaltungen notwendig sind, sie basieren aber auf einer erfolgreichen lokalen Arbeit. Das ist vielleicht auch in den kirchlichen Schrumpfungsprozessen zu sehen. Man sucht sein Heil oft in der zentralen Struktur, denn da kann man vielleicht eher noch etwas aufrechterhalten. Aber meine Erfahrung ist, dass sich die zentralen Veranstaltungen aus der erfolgreichen lokalen Jugendarbeit speisen.“
„Entweder ist es eine gute Veranstaltung oder lieber gar keine Veranstaltung. Eine Veranstaltung, die nicht begeistert und mitreißt, besuchen Jugendliche kein zweites Mal,“ ist Bederna noch heute überzeugt. So wurde die Pfingstnacht im nächsten Jahr abgesagt. Der lähmenden Pandemiezeit folgte jedoch ein Revival der Pfingstnacht. Eine neue Dynamik in den Jugendgruppen mancher Gemeinden der Region und die Vorbereitung auf den Weltjugendtag in Lissabon 2023 machten einen Neustart möglich. Im vergangenen Jahr kamen bereits mehr als 80 junge Christen nach Brandenburg.
Natürlich ist die Pfingstnacht auch anstrengend, für Organisatoren wie Teilnehmer. „Das hat ja auch ein bisschen etwas Verrücktes an sich,“ findet Benedikt Bederna. Aber: „Um so verrückter, desto besser kann man sich erinnern. Es zieht sich ja weit in die Nacht. Im letzten Jahr haben Jugendliche sich sogar nach dem Abschluss in St. Nikolai die Nacht aufgeteilt und in der Pfarrkirche bis zum Morgen weitergebetet. Die Rückmeldungen der Jugendlichen waren durchweg unglaublich positiv. Und sie bezogen sich vor allem, das ist vielleicht für den Blick auf katholische Jugendarbeit interessant, auf die Stunden in der Kirche, nicht auf das Drumherum.“
Pfingstnacht der Jugend in Brandenburg an der Havel
Lissy Eichert
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Ach herrje! Unser Koch fällt aus. Ich spüre schon die Schlange der Armen und Bedürftigen, die heute Mittag zur Essensausgabe kommen, im Nacken. Jetzt hilft nur noch Improvisation. Die Kartoffeln liegen geschält in der Gemeindeküche. Und da ist noch eine Spende von der Berliner Tafel: Ostereier. Super, denke ich: Kartoffelsuppe mit Ei.
Lissy EichertPastoralreferentin in Berlin
Bei Hundswetter wird die Pforte geöffnet. Hungrige Gäste strömen herein. Ein Gast ist auf Krawall gebürstet. „Hey, euer Laden hat mich zu einem Bier eingeladen. Das wusstet Ihr vielleicht nicht.“ Der Mann scheint hackedicht und riskiert damit den Rauswurf. „Hier gibts Kartoffelsuppe. Mit Ei“, kontere ich. Ein Freiwilliger serviert ihm den Teller. „Oh, wie krass, ein Ei! Darf ich das sofort essen?“ Seine Stimme ist nun ganz sanft. Mit einem „Happs“ verschwindet das Ei im Mund. Naja, nicht ganz. Ein paar Reste des Eigelbs krümeln in seinen Mundwinkeln. Dann trifft uns sein dankbarer Blick: „Wie heißt Ihr? Soll ich mal für euch beten?“
Wir „Leute von der Kirche“ haben bei unseren Gästen einen ganz guten Stand. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sie das Gebet suchen und von uns annehmen. Heute ist es aber umgekehrt: Der Mann breitet seine straßenverschmutzten Hände über uns aus, schließt die Augen und spricht seine Segensworte. Worte voller Liebe und Sanftmut, die mitten in unsere Herzen strömen. Für mich wirkt hier Gottes Heiliger Geist.
„Machts gut!“ Immer noch haftet Eigelb an seinen Mundwinkeln. „Du auch“, erwidern wir: „Und danke fürs Gebet!“ Das Ei ist im Christentum Symbol für die Auferstehung. Wenn wir doch in Krisenzeiten alle solche Eigelbkrümel mit uns tragen. Er zieht weiter. Ein gewandelter Mensch. Ich bleibe staunend zurück. Im Strom heiliger Geistkraft können wir unser Leben erneuern. Sogar Krawallbürsten werden zu Aposteln!
Anstoß 12/2025
Foto: kna/Lola Gomez/CNS photo
Die katholische Weltkirche hat einen neuen Papst. Auch die Bischöfe der fünf ostdeutschen (Erz-)Diözesen freuen sich über die Wahl des Heiligen Vaters und knüpfen auch einige Hoffnungen an sein Pontifikat.
Bischof Gerhard Feige, Bistum Magdeburg:
Für mich ist Leo XIV. der siebte Papst in meinem Leben und jeder neue war eine Überraschung mit einem besonderen Profil und einer eigenen Ausstrahlung. Immer zeigte sich auch Kontinuität und Erneuerung.
Ich bin erfreut, dass die Wahl so schnell gegangen ist. Das zeigt doch wohl eine große Übereinstimmung der meisten Kardinäle.
Mir hat bei seinem Erscheinen auf der Loggia mehreres imponiert: einmal sein Gruß „Der Friede sei mit euch!“, dann aber auch das Zitat des Gründers seines Ordens, Augustinus: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof“. Das weist darauf hin, dass er in der Linie von Papst Franziskus weiter wirken wird. Außerdem hat er von einer synodalen Kirche gesprochen und von Barmherzigkeit – alles Begriffe, die für Papst Franziskus enorm wichtig waren.
Wenn ich auf seinen Namen schaue und seinen Vorgänger Leo XIII. betrachte, dann ist dieser Papst als „Arbeiterpapst“ und „der Soziale“ in die Geschichte eingegangen. Er war ein politischer Papst und hat sich darum bemüht, die Kirche aus ihrer selbstgewählten Isolation gegenüber den neuzeitlichen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen herauszuführen. Also gewissermaßen die Kirche mit der Kultur zu versöhnen.
Von daher bin ich voller Hoffnung, dass mit ihm der eingeschlagene Weg der Kirche gut weitergeht. Beten wir gemeinsam für Papst Leo XIV. um die dafür nötige Kraft und den Segen Gottes.
Bischof Heinrich Timmerevers, Bistum Dresden-Meißen:
Mit der Wahl von Papst Leo XIV. beginnt ein neues Kapitel für die Weltkirche – und eines, das bereits im Namen verheißungsvoll klingt. Denn Leo – das erinnert nicht nur an den großen Kirchenvater Leo den Großen, sondern auch an Bruder Leo, den engsten Gefährten des heiligen Franziskus von Assisi. Diese Verbindung berührt mich: Der Papst, der auf Franziskus folgt, wählt den Namen seines treuesten Weggefährten. Das ist mehr als ein schönes Bild – es ist ein geistliches Zeichen.
Bruder Leo war derjenige, dem Franziskus seine tiefsten Gedanken anvertraute. Er war mit ihm in den einsamsten Stunden, schrieb seine Worte nieder, lebte seine Einfachheit und war Zeuge jener radikalen Liebe zu Christus, die Franziskus auszeichnete. Wenn der neue Papst sich in diese Spur stellt, dann klingt darin das Versprechen mit: Auch künftig will die Kirche eine Hörende sein, eine Dienende, eine, die bei den Menschen bleibt.
Zugleich stellt sich Papst Leo XIV. mit seinem Namen in eine bedeutungsvolle Linie zur katholischen Soziallehre. Leo XIII. war es, der mit der Enzyklika Rerum Novarum im Jahr 1891 einen neuen Blick auf soziale Gerechtigkeit, auf die Rechte der Arbeitenden und auf die Verantwortung für das Gemeinwohl eröffnete. Diese Orientierung angesichts einer Zeit globaler Ungleichgewichte und wachsender sozialer Spannungen ist heute aktueller denn je. Ich bin überzeugt: Papst Leo XIV. wird in dieser Tradition synodal Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit suchen.
Bischof Wolfgang Ipolt, Bistum Görlitz:
Mit allen Schwestern und Brüdern in unserem Bistum freue ich mich über die so schnell erfolgte Wahl eines neuen Papstes. In seinen ersten Worten grüßte er uns mit dem österlichen Gruß des auferstandenen Herrn „Der Friede sei mit euch!“ und wünschte der ganzen Welt Frieden und Gerechtigkeit. Da der neue Papst aus dem Augustiner-Orden kommt, lag es nahe, an das berühmte Wort seines Ordensvaters, des heiligen Augustinus, zu erinnern: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof!“ Er betonte, dass es darauf ankommt, Christus, der immer vorangeht, zu folgen und dabei gemeinsam unterwegs zu sein. Am Ende seiner kurzen Ansprache vertraute er sich dem Schutz der Gottesmutter an und lud die Gläubigen auf dem Petersplatz ein, mit ihm das „Gegrüßet seist du, Maria“ zu beten – ein schönes Zeichen für einen gemeinsamen Glaubensweg, den wir alle mit dem neuen Papst gehen werden. Möge der Heilige Geist für ihn in seinem Dienst am Volk Gottes ein guter Ratgeber und Helfer sein. Das wünsche ich unserem neuen Heiligen Vater auch im Namen der Gläubigen unseres Bistums. Gott segne Papst Leo XIV.!
Bischof Ulrich Neymeyr, Bistum Erfurt:
Ich bin über die Wahl des Kardinals Robert Francis Prevost zum Papst sehr erfreut. Zum einen freue ich mich, dass Leo XIV. das Anliegen seines Vorgängers fortsetzt, dass nicht die Bischöfe allein über den Weg der Kirche entscheiden. Er postuliert eine synodale Kirche, die unterwegs ist und die sich in besonderer Weise den Leidenden zuwendet. Auch darin führt er die Linie Franziskus’ weiter. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Die Wahl seines Papstnamens lässt erwarten, dass Leo XIV. auch ein politischer Papst sein wird. Die Ansprachen und Predigten in den ersten Tagen nach seiner Wahl zeigen bereits deutlich seinen Willen, sich aktiv für Frieden und Versöhnung einzusetzen. Das ist ein wichtiges Hoffnungszeichen für die Vielen, die an Orten der Erde leben, die von Krieg und Gewalt erschüttert sind.
Und nicht zuletzt ruft er uns alle auf, eine missionarische Kirche zu sein, die ihre Zugehörigkeit zu Christus durch Wort und Tat bezeugt. Dies ist eine Ermutigung für unsere Kirche hier in Mitteldeutschland, wo der größte Teil der Bevölkerung schon seit Generationen keinen persönlichen Bezug mehr zum christlichen Glauben hat.
Erzbischof Heiner Koch, Erzbistum Berlin:
„Der Friede sei mit euch allen!“, die ersten Worte des neu gewählten Papstes konnte ich gar nicht live hören. Zur gleichen Zeit erinnerten wir ökumenisch in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche an das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945. Diese Sehnsucht nach Beendigung der Kriege, nach einem echten Frieden, verbindet uns in Berlin in besonderer Weise mit dem neuen Heiligen Vater und der ganzen römisch-katholischen Weltkirche. Ich verstehe seinen Friedensappell als einen geistlichen und einen politischen. In diesem Jahr war der 8. Mai in Berlin ein gesetzlicher Feiertag, für uns wird er – als Jahrestag der Papstwahl – noch viel mehr zu einem Gedenktag für den Frieden werden.
Aus seiner ersten Ansprache von der Loggia des Petersdoms habe ich für mich und das Erzbistum Berlin vor allem den Gedanken einer missionarischen Kirche herausgehört. Robert Francis Prevost hat selbst als Missionar die befreiende frohe Botschaft verbreitet. Er ist uns Vorbild, auch hier auf alle Menschen zuzugehen und ihnen von der Hoffnung zu erzählen, die uns trägt.
Genau wahrgenommen habe ich auch den Namen, den sich der neue Papst gegeben hat: Er stellt sich in die Tradition von Leo XIII. und der katholischen Soziallehre. In einer Zeit der zunehmenden Spaltung zwischen arm und reich, ein Signal, für das ich dankbar bin.
Und schließlich: Wer wäre besser geeignet, die Spaltung unserer Welt in Nord und Süd zu überwinden, als ein Nordamerikaner, der in Südamerika mit den Ärmsten gelebt hat.
Wir gratulieren Papst Leo XIV. zur Wahl und beten für ihn, denn es stehen allergrößte Herausforderungen bevor.
Die ostdeutschen Bischöfe würdigen Papst Leo XIV.
Johanna Marin
Foto: Eckhard Pohl
Matthäus Ruby (links) wird am 7. Juni, 10 Uhr in der Kathedrale St. Sebastian in Magdeburg. Primiz ist am 9. Juni, 14 Uhr, in Burg und am 15. Juni, 10.30 Uhr, in Aschersleben. – Johannes Ehme (Mitte) wird am 7. Juni, 10 Uhr, in der Kathedrale St. Jakobus in Görlitz geweiht. Primiz ist am 8. Juni, 10 Uhr, in Hoyerswerda und am 9. Juni, 10 Uhr, in St. Jakobus in Görlitz. – Roland Pisarek (rechts) wird am 7. Juni, 10 Uhr, in der Kathedrale St. Jakobus in Görlitz geweiht. Primiz ist am 8. Juni, 10 Uhr, in St. Marien in Cottbus und am 9. Juni, 10 Uhr, in St. Jakobus in Görlitz sowie am 15. Juni, 10 Uhr, in St. Walburga in Nürnberg.
Am Pfingstwochenende werden in den Bistümern Görlitz und Magdeburg drei neue Priester geweiht: Roland Pisarek, Johannes Ehme und Matthäus Ruby hatten ganz normale Berufe, bevor sie sich entschieden, Priester zu werden. Überrascht wurden sie von ihrer Berufung dennoch nicht.
„Ich bin und bleibe Mensch“
„Mir macht der Glaube der Jugendlichen in unserer Gemeinde Mut“, sagt Roland Pisarek. Mit jungen Menschen arbeite er besonders gern, gehe mit ihnen auch mal Eislaufen oder Bowlen, so der angehende Priester. Angesichts der kleinen Zahl treibt den 30-Jährigen aber die Frage um: „Wie und womit kann man Jugendliche begeistern?“ Und: „Wie überhaupt wird sich die Kirche künftig entwickeln?“
Roland Pisarek wollte von Kindheit an Priester werden. „Ich hatte eine Kinderbibel, in der ich mir viel die Bilder angeschaut und versucht habe, damit zu beten“, sagt er. Seit langem sei ihm schon das Abendgebet sehr wichtig. „Inzwischen schätze ich besonders die Psalmen, die sehr oft zur Situation passen, in der man gerade ist.“
Pisarek ist mit seiner Schwester in Nürnberg aufgewachsen. In den Ferien sei er oft mit seinen Eltern zur Großmutter nach Polen gefahren. Bei ihr und in Gottesdiensten habe er die polnisch-volkskirchliche Praxis erlebt. Nach der zehnten Klasse wurde Pisarek Chemiekant und später Chemielaborant. Anschließend bereitete er sich im österreichischen Heiligenkreuz im Wienerwald auf das Theologiestudium vor und bestand die Berechtigungsprüfung. Von 2016 bis 22 studierte er dann an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz. Schließlich bewarb sich Pisarek, der auch gut polnisch kann, im Bistum Görlitz um Aufnahme als Priesterkandidat und kam 2022 in die Pfarrei „Heiliger Wenzel“ nach Görlitz. Nach der Diakonweihe wechselte er nach Cottbus.
Die Pfarrei „Zum Guten Hirten“ sei musikalisch sehr gut aufgestellt, schwärmt Pisarek. Überhaupt gebe es in der Gemeinde, zu der fünf Kirchorte gehören, eine große Vielfalt an Angeboten. Um so mehr bleibe er gern noch ein Jahr als Kaplan dort.
Pisarek schätzt es, in seiner Freizeit selbst zu kochen. Er fährt gern mit Inlineskates (einspurige Rollschuhe), geht schwimmen, trifft gern Freunde.
Für Pisarek ist die Feier der Liturgie zentral und er hat einen Wunsch: „Es wäre ein starkes Bild nach außen, wenn unsere Kirche im Blick auf die Liturgie einiger wäre“, ist er überzeugt und schließt dabei die Feier von Gottesdiensten im tridentinischen Ritus mit ein.
Als künftiger Kaplan wünscht er sich wenigstens zehn Jugendliche und möchte ein Treffen junger Erwachsener ins Leben rufen. Zudem erhofft er sich viel Feedback von der Gemeinde. „Schließlich bin und bleibe ich Mensch“, sagt Pisarek.
Als Primizspruch hat sich der Seelsorger Verse aus Kapitel 8 des Römerbriefs ausgesucht, wo es heißt: „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht ...“
„Ein Suchen ist geblieben“
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal mit Leidenschaft Firmkatechesen vorbereiten und halten würde. Das macht mir große Freude“, sagt Johannes Ehme. Der Seelsorger wirkt derzeit in der Pfarrei Heilige Familie in Hoyerswerda und steht vor der Weihe zum Priester.
Der 32-Jährige wuchs in St. Johannes und St. Franziskus in Görlitz-Weinhübel auf. „Sobald man laufen konnte, gehörte es dazu, sich am Krippenspiel zu beteiligen“, erinnert er sich. Ehme war Ministrant, gestaltete kleine Andachten, fragte sich, ob der priesterliche Dienst etwas für ihn sein könnte. „Ich habe einen gleichaltrigen jungen Menschen begleitet, der getauft werden wollte“, erinnert sich Ehme. „Ich hatte das Gefühl: Er hat eine Entscheidung getroffen, ich nicht.“
Nach der zehnten Klasse wurde Ehme Metallbauer und war danach ein Jahr deutschlandweit als Zeitarbeiter unterwegs. „Das war nicht leicht, aber als junger Mensch trotzdem ganz interessant.“ Im Anschluss absolvierte er eine Fachschulausbildung zum staatlich geprüften Maschinenbau-Techniker.
Vom Gemeindereferenten wurde er ermutigt, Theologie zu studieren, und bat beim Bistum Görlitz um Annahme als Priesterkandidat. Da das Land Hessen seinen Fachschulabschluss als Zugangsberechtigung anerkannte, konnte Ehme in Frankfurt bei den Jesuiten in St. Georgen studieren. Dort habe er sich gut aufgehoben gefühlt, sagt Ehme. Insgesamt frage er sich aber, ob die Priesterausbildung statt im Seminar nicht viel näher an der Lebenswirklichkeit der Menschen dran sein müsste.
Seit Herbst 2023 ist er in der Pfarrei Hoyerswerda eingesetzt und absolvierte den Pastoralkurs. Am Ende dieser Zeit stellt er fest: „Ein Suchen ist geblieben. Zugleich fühlt sich der Weg für mich als richtig an. Dass ich angenommen bin, spüre ich in der Pfarrei.“ Sorge machen ihm die immer kleiner werdenden Gemeinden.
„Mit der Übernahme des Zölibats bleibt eine Leerstelle zurück“, sagt Ehme. „Eine Familie hätte ich schon gern gehabt. Ich hoffe, dass ich Zeiten erlebe, in denen dieser leere Platz von anderen guten Erfahrungen gefüllt ist.“ Um so wichtiger seien Freundschaften, auch mit Frauen.
Theologisch beschäftigt ihn etwa die Frage, wie die verschiedenen Religionen gemeinsam dazu beitragen können, Gottes Wahrheit näherzukommen. Gleichzeitig gelte: „Es gibt trennende Vorstellungen, aber zusammen beten kann man immer.“
Als Leitgedanken für seinen Dienst hat er sich einen Vers aus Psalm 86 gewählt: „Richte mein Herz darauf hin, allein deinen Namen zu fürchten.“ In Hoyerswerda habe er eine kleine Jugendgruppe aufgebaut und freue sich, nun als Kaplan kontinuierlich vor Ort sein zu können.
„Ich könnte das doch gar nicht!“
„Bevor ich auf die Idee kam, Priester zu werden, habe ich was Vernünftiges gemacht“, Matthäus Ruby lacht. Seine Weihe steht bevor – und obwohl er schon mit fünf Jahren dachte, dass er Priester werden will, hat sein Leben ihn doch über Umwege hierhergeführt. Bevor er Theologie studierte, arbeitete der 33-jährige in der Waschmittelindustrie und war für mehrere Mitarbeiter zuständig. Nach der Entscheidung, Priester zu werden, änderte sich das. „Plötzlich saß ich wieder auf der anderen Seite des Tisches, dem Regens gegenüber, der für mich verantwortlich war. Davor habe ich alles selbst entschieden – bei einem Leben in Gemeinschaft ist das nur begrenzt möglich“, sagt der Diakon. Doch er sei zufrieden gewesen und ist im Rückblick auf seine Seminar- und Studienzeit dankbar.
Als Kind wuchs er in Burg bei Magdeburg auf, bewunderte den Priester am Altar und legte dann die „klassische Sakristeikarriere“ hin – Ministrant, Küster, Pfarrgemeinderat. Das Verständnis für den sakramentalen Wert der Weihe wuchs mit der Zeit. Dass der Priester nicht nur vorne am Altar steht, sondern vor allem hinter Christus zurücktritt, wurde ihm in der Beichte bewusst: „Da spürte ich deutlich, dass nicht der Priester handelt, sondern Christus selbst.“
Zu wissen, dass er als Priester nur die Brücke zwischen Mensch und Gott schlägt, empfindet er als befreiend: „Sünden vergeben – das könnte ich selbst doch gar nicht“, sagt er. Stattdessen glaubt er, dass Sakramente die Schnittstelle sind, an der Gott mit den Menschen in Berührung kommt. Das als Priester begleiten zu können, darauf freut er sich. Kraft schöpft er dabei aus der eucharistischen Anbetung. „Wer vorm Herrn knien kann, braucht vor den Menschen nicht zu zittern“, sagt er.
Dabei hat Matthäus Ruby selbst gezittert, als er 2018 die Kündigung seines Jobs unterschrieb. Viele Jahre lang hatte ihn die Frage umgetrieben, was er vom Leben möchte – und was Gott von ihm will. Als er sich entschied, tatsächlich Priester zu werden, waren Freunde und Familie nicht überrascht. „Da hab ich gedacht: ‚Leute, wieso habt ihr das nicht mal früher gesagt?‘“, erzählt er und lacht noch mal. Seit September 2023 ist er nun in der Pfarrei St. Michael in Aschersleben tätig – und freut sich, wenn dort in der Sonntagsmesse Lebensfreude spürbar wird.
Priesterkandidaten 2025 in den Bistümern Görlitz und Magdeburg
Michael Burkner
Foto: Michael Burkner
Markus Winzer aus Wittichenau ist seit einigen Monaten Kaplan in Görlitz. Im Interview spricht er über Generation Z in der Kirche, Heimatgefühle in Rom und das Bundesverdienstkreuz.
Kaplan Winzer, Sie kommen aus Wittichenau, sind in Hoyerswerda zur Schule gegangen, haben dann unter anderem in Meißen, Bautzen, Dresden und Cottbus gelebt – jetzt sind Sie hier in Görlitz. Man hat den Eindruck, diese ganze Region ist ein bisschen Ihre Heimat. Aber wo fühlen Sie sich denn besonders heimisch?
Ich bin dankbar, dass ich in Görlitz von der Gemeinde so freundlich und herzlich aufgenommen wurde, das hilft dabei, hier heimisch zu werden. Zu Hause bin ich aber besonders da, wo meine Wurzeln sind, in Wittichenau also. Ich versuche, Kontakt zu meiner Familie und zu meinen Freunden zu halten, und nach Hause zu fahren, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Ich stelle aber auch fest, dass ich als Priester in der ganzen Welt zu Hause bin. Ich fahre nach Rom, stehe auf dem Petersplatz und treffe alte Freunde wieder. Es ist schön, Teil dieser großen Weltkirche zu sein.
Vor Ihrer Priesterweihe 2022 haben sie uns von einem Erlebnis berichtet, das auch ziemlich weit weg war, nämlich in Brasilien. Auf dem Weltjugendtag hat der Papst dazu aufgerufen, missionarisch tätig zu sein. Das hat Sie sehr geprägt. Was ist denn jetzt hier in Görlitz Ihre ganz persönliche „Mission“?
Ich versuche, Menschen zusammenzuführen, um Christus herum. Die Mitte der Gemeinde ist nicht der Ort, in dem wir zur Kirche gehen. Die Mitte ist Christus, um den wir uns als Kirche versammeln. Darin sehe ich meine Aufgabe.
Besonders Jugendliche möchten Sie um Christus versammeln. Deren Generation, Gen Z genannt, wird häufig als „kirchenfremd“ oder „ungläubig“ bezeichnet. Teilen Sie diese Beobachtungen?
Ich mache zwei total entgegengesetzte Beobachtungen. Einerseits gibt es viele Jugendliche, die mit Kirche nur zu den Sakramenten in Kontakt kommen und ansonsten ihr Leben gut ohne Glauben, Gott und Kirche leben. Es sind keine schlechten Menschen, aber ihnen genügt das offensichtlich. Und es gibt andererseits Jugendliche, die sich ganz intensiv mit Fragen des Glaubens beschäftigen und wie ein Schwamm alles aufsaugen wollen. Die immer tiefer erfahren wollen, was der Glaube mit ihrem konkreten Leben zu tun hat. Die dann unvermittelt anrufen und irgendwelche Fragen haben. Manchmal sitze ich im Auto und telefoniere über das Fegefeuer.
Warum gehen die einen Jugendlichen den einen Weg und andere Jugendliche einen ganz anderen?
Ich habe mir darüber letztens auch Gedanken gemacht. Ich war mit den Firmlingen ein Wochenende unterwegs und wir haben über Sakramente gesprochen. Mein Eindruck war, dass viele Jugendliche Symbole nicht mehr verstehen. Sie sehen allein das als wirklich an, was man sehen, hören und spüren kann. Der Blick auf das Transzendente ist verloren gegangen. Aber auch die Flüchtigkeit dieser Welt spielt eine Rolle. Viele rennen ihrem eigenen Leben hinterher und haben gar keine Ruhe und Muße, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. Mir kommt unsere Gesellschaft sehr gehetzt vor. Vielleicht ist es die Ursache, aber es ist erstmal nur eine These, ich habe das noch nicht empirisch untersucht. (lacht)
Ist es Ihr Anliegen als Seelsorger, diese Ruhe wieder in das Leben gerade der Jugendlichen zu bringen?
Das sollte schon unser Anliegen als Kirche sein. Wir müssen den Menschen diese Möglichkeit eröffnen, durch das, was wir tun, wie wir Eucharistie feiern, aber auch durch spirituelle Angebote. Ich war zum Beispiel mit Jugendlichen im Sommer zehn Tage in den Alpen unterwegs, als Gruppe allein mit Gott und der Natur. Es hilft den Jugendlichen, diese Schönheit der Natur, ebenso wie die Gefahren der Berge zu spüren. Aber auch die Jugendstunden jede Woche sind für sie wie eine Oase. Sie können mit den großen Fragen des Lebens kommen, ihre Gedanken ein bisschen sortieren und einfach mal innehalten. Die Jugendstunden sind immer mittwochs, mitten in der Woche. Sie sollen die Woche unterbrechen und einen Impuls für das Leben geben.
Was sind das für Themen, mit denen die Jugendlichen gerade zu Ihnen als Seelsorger kommen?
Das ist ganz breit gestreut. Wir haben schon heftig über anstehende Wahlen diskutiert. Das war sehr intensiv und moralisch tiefgängig. Aber auch Liebeskummer oder Fragen der eigenen Berufung kommen auf: Was mache ich mit meinem Leben? Manche Jugendlichen kommen nach der Jugendstunde schwer nach Hause, weil sie weit auswärts wohnen. Ich fahre sie dann und diese Gespräche im Auto sind immer sehr wertvoll. Manchmal stehen wir schon vor der Haustür und müssen noch 20 Minuten zu Ende sprechen.
Kommen wir noch einmal auf Ihren Lebensweg zu sprechen. Ihr Theologiestudium hat Sie aus der Region herausgeführt, Sie waren unter anderem in Bamberg und Brixen, in Städten, die sehr katholisch geprägt sind. Wünschen Sie sich manchmal diese tiefe Verwurzelung des Katholizismus für Ihre Arbeit hier in Görlitz?
Ich kenne beides, das ist das Schöne. In Wittichenau habe ich volkskirchliche Elemente erlebt. In der Grundschule war es für mich normal, dass alle Welt katholisch ist. Dann bin ich nach Hoyerswerda in die Schule gekommen und plötzlich war ich der einzige Katholik. Erst da ging mir auf, dass es auch Menschen gibt, die nicht katholisch sind. Das Schöne an der Volkskirche ist, dass sie wie ein Netz ist, das dich auffängt, wenn du selber schwach bist. Hier in der Diaspora passiert dafür eine tiefere Reflexion und ich denke viel intensiver darüber nach, was ich tue. Das finde ich sehr heilsam, weil mein Glaube auf einem festeren Fundament steht, wenn ich ihn intellektuell durchdrungen habe. Ich möchte beides nicht missen.
Zum Abschluss eine kleine Schnellfeuerrunde: Ich stelle kurze Fragen, Sie geben mir kurze Antworten. Wie schalten Sie am liebsten vom stressigen Priesteralltag ab?
Am liebsten hole ich meine Nichte vom Kindergarten ab.
In welcher fernen Stadt würden Sie gerne zumindest eine Zeit lang leben?
Rom. Oder Reykjavik, aber eher wegen der Natur dort, weniger wegen der Stadt.
Zurück nach Görlitz: Wenn Sie hier in der Stadt eine konkrete Sache verändern könnten, was wäre es?
(überlegt lange) Das ist jetzt kein Schnellfeuer mehr. (lacht und überlegt weiter) Auf jeden Fall würde ich unsere Sekretärin fürs Bundesverdienstkreuz vorschlagen. (lacht wieder)
Kirchliche Angebote für die Generation Z
Foto: Jörg Farys/Erzbistum Berlin
Heidrun (links) und Bettina Klinkmann feiern mit der Familienbuchhandlung Sonnenhaus deren 100-jähriges Bestehen.
Eine katholische Buchhandlung im „Babylon Berlin“ der 1920er Jahre zu gründen, dazu gehörte schon ein gewisses Selbstbewusstsein. Aber der Mut hat sich gelohnt: Das Sonnenhaus blickt auf 100 Jahre zurück.
1925: Der Jesuitenorden gründete das Canisius-Kolleg, Carl Sonnenschein engagierte sich publizistisch und sozial, Bernhard Lichtenberg gründete neue Pfarreien und der gerade mal 26-jährige Rudolf Ziegler mietete im Heinrich-Heine-Viertel in Berlin-Mitte einen Laden mit sechs Schaufenstern – mit Galerie! – für das „Sonnenhaus“, seine erste Buchhandlung. Diese hatte den Krieg nicht überlebt, nach einer Episode in der eigenen Wohnung in Bohnsdorf, etablierte sich das Sonnenhaus mit Rudolf Ziegler und seiner Frau Elisabeth am Hackeschen Markt. Der Journalist und Autor Andreas Ulrich erinnert sich: „Als Kind hat mich der besondere Duft beeindruckt – ob es Weihrauch war? In den 80er Jahren war ich regelmäßig in der Buchhandlung, denn es gab da Bücher, die anderswo schwer zu haben waren.“ Ein wenig Glück und vor allem die Sympathie des Buchhändlers brauchte es aber auch, so Bettina Klinkmann, die als Enkelin die Buchhandlung in dritter Generation führt: „Es passierte immer wieder, dass Kunden mit Büchern rausgegangen sind, die sie gar nicht kaufen wollten. Oder aber man musste bei Opa eine Art Prüfung bestehen, um das Buch kaufen zu dürfen.“
Ganz einfach war es nie für das Sonnenhaus, ob es um die Genehmigung für eine katholische Buchhandlung in „Berlin – Hauptstadt der DDR“ oder aber um steigende Mieten oder den Versandbuchhandel ging. Aus der Linienstraße 100 will Bettina Klinkmann aber nie wieder weg. Das liegt auch am Vermieter, der Pfarrei Bernhard Lichtenberg – die Buchhandlung liegt am Hintereingang der St. Adalbert-Kirche. Die Bücher stehen dicht an dicht, auch auf Stapeln „und nur die beiden Buchhändlerinnen haben den Überblick. Das ist eine Bücherhöhle im besten Sinne“, so Andreas Ulrich.
Erfunden hatte Sonnenhaus-Gründer Rudolf Ziegler die Büchertische als Ergänzung zur Buchhandlung. In der Anfangszeit ist er mit dem Zug, Rucksack und zwei Kisten in die Gemeinden und zu Wallfahrten gefahren, und Tochter Heidrun musste immer mit: „Am schlimmsten waren Büchertische in Chorin, das ist so weit zu laufen vom Bahnhof bis zum Kloster.“ Heidrun und Bettina Klinkmann führen diese Tradition der Büchertische weiter – inzwischen aber mit dem Auto. Los gehts rund um die Erstkommunion, besonders intensiv ist die „Open Air-Saison“ mit Wallfahrten und anderen Großveranstaltungen. Nach der Sommerpause steigt die Nachfrage zum Advent wieder an, nach Büchertischen in den Gemeinden.
Dass das Sonnenhaus seit 100 Jahren ganz bewusst als eine katholische Buchhandlung geführt wird, sieht man nicht, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Bestseller und manche persönliche Leseempfehlung von Heidrun und Bettina Klinkmann prägen das Schaufenster. Als Bettina Klinkmann die Buchhandlung übernahm, wollte sie am liebsten die ganzen christlichen Bücher, Kerzen und Devotionalien ganz rausnehmen. „Aber das wäre das Ende als Buchhandlung gewesen. Die christliche Nische – beziehungsweise unser christliches Profil ist unsere Rettung, sonst wären wir schon lange weg vom Fenster.“ Denn auch wenn die Katholiken im Erzbistum Berlin weniger werden, Kinderbibeln zur Geburt oder Einschulung, Gotteslob zur Erstkommunion, das wird weiterhin gebraucht. Und weiterhin ist es Ehrensache für viele Pfarrer, dass sie ihren Bedarf an Fachliteratur, aber auch an liturgischen Büchern, über das Sonnenhaus decken.
Stefan Förner
Berlins katholische Buchhandlung Sonnenhaus wird 100
Christina Innemann
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Langsam erreiche ich anscheinend ein Alter, in dem ich im Fleischereifachgeschäft mit „junge Frau“ angesprochen werde und man sich beim Bäcker erkundigt, ob die Brötchen eher knackig oder doch weich sein sollen.
Christina InnemannKatholische Polizeiseelsorgerin in Mecklenburg-Vorpommern
Ich versuche das mit Anfang 40 mit Humor zu nehmen. Älter zu werden, bringt auch Vorteile mit sich: So kann ich etwa mit einigen Situationen entspannter umgehen als noch vor zehn oder 20 Jahren.
Je älter ich werde, desto bewusster wird mir, wie wichtig die Älteren in meinem Umfeld sind. Ich erinnere mich häufiger an Aussprüche meiner über 90-jährigen Großmutter, an schlaue Sätze meiner Eltern. Vor kurzem habe ich erfahren, dass ein alter Herr, den ich 2015 in der Flüchtlingsarbeit kennenlernte, gestorben ist. Da ploppten Erinnerungen an Gespräche auf, an die ich lange nicht mehr dachte. Mir wurde bewusst, wie sehr mich die kurze Begegnung geprägt hat und wie viel davon ich seitdem in meinem Leben versuche, umzusetzen.
Das Vermächtnis alter Menschen ist wichtig für unsere Gesellschaft, für unsere Kirche und für unsere Familien. Das bedeutet nicht, dass wir alles unkritisch übernehmen sollten. Aber es lohnt sich, jahrzehntelange Erfahrungen in Ruhe anzuhören. Bei Levitikus heißt es: „Vor ergrautem Haar sollst du aufstehen und einen Alten sollst du ehren.“ Ich finde, das ist ein schöner Satz. Bewusst wurde mir das auch bei der Wahl des neuen Papstes. In den Medien wurde im Vorfeld über das Alter möglicher Kandidaten spekuliert. Ich schaue positiv auf den 69-jährigen Leo XIV. und wünsche mir, dass seine Lebenserfahrung das Ausfüllen seines neuen Amtes erleichtert. Ich hoffe auf Weisheit und eine innere Freiheit des neuen Papstes, mit den Herausforderungen der Weltkirche klug umzugehen.
Anstoß 11/2025