map_simpleBistumskarteJetzt spenden
Im Vordergrund ein Notenständer, im Hintergrund die Gemeinde beim Gottesdienst
Bildrechte / Quelle: Johanna Marin

Bischof-Weskamm-Haus Magdeburg„Wir sind die Spätlese“

Seit 20 Jahren hält Pfarrer Peter Bogdan im Caritas Altenpflegeheim Bischof-Weskamm-Haus in Magdeburg jeden Freitag die heilige Messe. Seine Gemeinde wächst – nicht zuletzt, weil der 90-Jährige sich stets die Freude am Leben behalten hat.

Erscheinungsdatum: 17. Juli 2025

von Johanna Marin, Tag des Herrn

Unter seiner Albe lugen weiße Turnschuhe hervor, als er durch die kleine, lichtdurchflutete Kapelle zum Altar geht. Er läuft an den Damen und Herren im Rollstuhl vorbei, die auf der linken Seite im Halbkreis sitzen, und an denen auf der anderen Seite, die ihre Rollatoren vor sich geparkt haben. In zweiter und dritter Reihe haben diejenigen platzgenommen, die keine Gehhilfe benötigen.

Seit 20 Jahren hält Pfarrer Peter Bogdan die heilige Messe im Bischof-Weskamm-Haus, dem Altenpflegeheim der Caritas in Magdeburg, in dessen Nähe er nach dem Eintritt in den Ruhestand zog. Inzwischen ist er selbst 90 Jahre alt. „Wir sind die Spätlese“, eröffnet er den Gottesdienst, „wir feiern Fronleichnam an einem Freitag um 10:30 Uhr. Denn der Gottesdienst ist für die Menschen da.“ Jeden Freitag feiert er hier eine Sonntagsmesse mit einer wachsenden Gemeinschaft. Die, die noch singen können, tun das kräftig und aus vollem Hals. Die anderen wippen mit den Füßen im Takt. Viele können nicht mehr allein in die Kapelle kommen, brauchen Ehrenamtliche und Pfleger, die schieben oder den Weg weisen. Doch sonntags ist weniger Personal da. Unter der Woche ist es leichter, an helfende Hände zu kommen.

 

Im Ruhestand viel freier.

„Es ist schön, dass Peter nach seinem Ruhestand weitergemacht hat“, sagt Bernhard Beier, ehemaliger Hausmeister des Hundertwasserhauses in Magdeburg und einer der Ehrenamtlichen, „er kann das jetzt viel freier machen und muss nicht mehr auf Bischöfe hören.“ Deshalb kann Peter Bogdan zum Beispiel freitags den Sonntag feiern. Auch Frauen dürften seiner Meinung nach gern am Altar stehen, sagt er: „Wenn das Herz an der richtigen Stelle ist, kann jeder hier vorne stehen. Aber es muss echter Glaube und ehrliche Überzeugung sein.“ Peter Bogdans eigener Glaube wird in der Messe sichtbar: Als ihm eine Hostie runterfällt, beugt er seine 90-jährigen Knie, um sie behutsam wieder aufzuheben. 

Die Gottesdienste hält Peter Bogdan nicht allein: Initiiert hat sie Margitta Diehl. Sie ist „Zeitstifterin“ in der Diehl-Ziesewitz-Stiftung, die ihr Mann Norbert ins Leben gerufen hat. Er wollte einen Ort schaffen, an dem Menschen sich begegnen, die es sonst schwer haben: Alte, Menschen mit Behinderung, Geflüchtete. Dafür haben die Diehls ein großes, rollstuhlgerechtes Haus gebaut. Auch die Kreuzkapelle des Bischof-Weskamm-Hauses wollte Margitta Diehl wieder mit Leben füllen. „Und dann ist Peter vor 20 Jahren hier in die Nähe gezogen“, betont sie. Er feierte die Messen, sie lud die Menschen aus dem Heim ein. Heute hält sie die Predigt. Sie spricht vom Hunger nach dem Brot des Lebens. „Ich kenne echten Hunger nicht mehr“, sagt sie, „aber einige, die hier in der Kapelle sitzen, schon – aus Zeiten nach dem Krieg.“

Auch Peter Bogdan hat noch echten Hunger erlebt: Er stibitzte Kartoffelschalen aus dem Karnickelstall, nachdem er auf offenen Güterzügen aus Dresden nach Groß Ammensleben floh, kurz vor der Bombardierung im Februar 1945. „Als der Krieg vorbei war, haben die Leute in der Kirche Gemeinschaft gefunden“, erzählt er. Das, so vermutet der Priester, ist der Grund, wieso die alte Generation in der Kirche bleibt – und seine Gemeinde hier in der Kreuzkapelle wächst.
 

Dienst am Altar statt in der Eisenbahn.

„Und dann kam die doofe DDR und wollte uns sagen, was wir tun sollen und dürfen – das konnte ich nicht!“, erzählt Peter Bogdan. Nach seinem Abitur 1954 hatte er ein Studium als Eisenbahner in Erfurt begonnen. Umgeben war er von Kommilitonen, die vom Sozialismus überzeugt waren. Der damalige Student hingegen feierte jeden Tag den Gottesdienst im Erfurter Dom mit und entschied sich, Priester zu werden: „Ich habe einen Schritt gewagt, von dem ich gar nicht wusste, ob ich das durchhalte.“

Bald nach seiner Weihe 1964 trat Peter Bogdan eine Stelle in Zeitz an. Ganz in der Nähe, in Droyßig, befand sich eine Parteischule der SED. Eine dort eingeschriebene Studentin hatte Pfarrer Bogdan Fragen zum Glauben gestellt, er lieh ihr Bücher. Daraufhin exmatrikulierte der Schulleiter sie, drangsalierte den Pfarrer mit nächtlichen Anrufen. „Also habe ich ihn aufgesucht und gesagt: Ich möchte gerne die Bücher, die Sie gestohlen haben“, erinnert er sich. Er bekam sie. Später wurde er Seelsorger für politische Gefangene. „So schlimm das alles war – die DDR stand mir bis zum Hals“, sagt er, „aber als die Wende kam, da war ich so happy! Ich habe mit Freunden in Roßbach Wein getrunken und wir haben im Gras gelegen und gefeiert!“ Bei der Erinnerung breitet Peter Bogdan die Arme aus und lacht. 

Er lacht viel, auch bei der Erinnerung an eine Reise mit seinen Priesterkollegen. Sie waren auf der Suche nach einem Exerzitien-Haus und fragten einen Herrn an einer Bushaltestelle nach dem Weg. „Und wissen Sie, was der verstanden hat?“, Peter Bogdan lacht laut los: „‘Wo ist denn das Exorzisten-Haus?‘ Da hätte ich ihm gerne geantwortet, dass er das vielleicht selber brauche.“ 
Den Menschen zugewandt

„Peter hat unsere Herzen aufgeschlossen“, sagt Margitta Diehl vor der Freitagsgemeinde, die sich in der Kreuzkapelle versammelt hat. Vielleicht kommen die vierzig bis fünfzig Gottesdienstbesucher hier jede Woche, weil die Menschen Kirche wirklich noch als Gemeinschaft erlebt haben, wie Peter Bogdan sagte. Vielleicht liegt es aber auch ein kleines bisschen daran, dass Pfarrer Bogdan den Menschen zugewandt ist. Bevor er in das Auto steigt, das ihn nach Hause bringen soll, öffnet der 90-jährige den anderen Mitfahrern die Tür und sieht zu, dass alle sicher sitzen.

 

Quelle: "Tag des Herrn", katholische Kirchenzeitung für die Ostbistümer; j.marin@st-benno.de; Tel: 0341 / 46 77 78 869
 


Themen und Partnerportale