
Gedenken in Magdeburg80 Jahre Atombombenabwurf auf Hiroshima
Vor 80 Jahren wurden die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki durch Atombomben im Zweiten Weltkrieg zerstört. Am 9. August 2025 ist an der Stele der Völkerfreundschaft auf dem Lukashügel in Magdeburg an die Opfer erinnert und ein Zeichen des Friedens gesetzt worden. Bischof Feige sprach ein Grußwort.
Erscheinungsdatum: 13. August 2025
von Bischof Gerhard Feige
„Sehr geehrte Damen und Herren,
zum überschaubaren Bücherbestand meiner Eltern gehörte ein Buch von Paul Takashi Nagai mit dem Titel „Die Glocken von Nagasaki“. Es war 1949 zunächst in Japanisch erschienen und dann auch ins Deutsche übersetzt worden. Meinen Eltern, die den II. Weltkrieg erlebt hatten und dessen Schrecken bis zu ihrem Tod nicht vergessen konnten, bedeutete es viel. Auch wenn ich es selbst nicht gelesen habe, ist mir doch in Erinnerung, welche Betroffenheit es bei anderen auslöste. Darin beschreibt der Autor anschaulich seine Erfahrungen als Überlebender des Atombombenabwurfs auf Nagasaki. Bezogen ist der Titel auf die Glocken der Urakami-Kathedrale. Über sie heißt es: „Dies sind die Glocken, die nach der Katastrophe wochen- oder monatelang nicht läuteten. Möge es nie eine Zeit geben, in der sie nicht läuten! Mögen sie diese Botschaft des Friedens bis zum Morgen des Tages verkünden, an dem die Welt untergeht.“
80 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki erinnern wir an diese Katastrophe nicht nur als historische Zäsur, sondern als Mahnung an uns alle – an eine Menschheit, die weiterhin mit nuklearer Bedrohung lebt, mit ihr heute sogar wieder neu konfrontiert ist. Deshalb darf ein solches Gedenken auch nicht zur bloßen Gedankenroutine werden. Es ist ein Ruf zur Verantwortung und Umkehr.

Die atomare Vernichtungskraft, die damals entfesselt wurde, hat nicht nur unschuldige Leben gekostet und Städte zerstört, dieses neue Ausmaß einer Zerstörungskraft hat das Weltgewissen erschüttert. Der Schrei der Menschen, so formulierte es Papst Franziskus bei seiner Rede am Friedensdenkmal in Hiroshima 2019, hallt bis heute nach. „Einer der tiefsten Wünsche des menschlichen Herzens“ – so sein deutlicher Appell – „ist der nach Frieden und Stabilität. Der Besitz von Atomwaffen und anderer Massenvernichtungswaffen ist nicht die geeignete Antwort auf diesen Wunsch; vielmehr scheinen diese ihn ständig auf die Probe zu stellen. […] Der Frieden und die internationale Stabilität sind unvereinbar mit jedwedem Versuch, sie auf der Angst gegenseitiger Zerstörung oder auf der Bedrohung einer gänzlichen Auslöschung aufzubauen; sie sind nur möglich im Anschluss an eine globale Ethik der Solidarität und Zusammenarbeit im Dienst an einer Zukunft, die von der Interdependenz und Mitverantwortlichkeit innerhalb der ganzen Menschheitsfamilie von heute und morgen gestaltet wird.“
Angesichts der atomaren Bedrohung muss der Mensch ein neuer Mensch werden – ein Mensch des Friedens. Davon war der Jesuit Hugo Makibi Enomiya Lassalle, der zur Zeit des Bombenabwurfs in Hiroshima lebte und schwer verletzt überlebte, überzeugt. Militärische Abschreckung aber kann diesen Frieden weder garantieren noch eröffnet sie einen Weg zum Frieden. „Friede entsteht durch Begegnung, Dialog und dem verständnisvollen Respekt voreinander – nicht durch Angst vor der militärischen Vernichtung.“ („Friede diesem Haus“, Friedenswort der deutschen Bischöfe 2024, 13.) Darauf weisen kirchliche Stimmen und Dokumente immer wieder hin: Abschreckung ist keine Garantie für Frieden.
Richten wir uns also nicht in einer Welt der Angst ein. Schaffen wir Friedensorte: Schulen des Dialoges, Räume der Versöhnung, Orte der Stille, in denen der Mensch neu auf die Welt hören kann, die ihn umgibt. Es braucht Orte wie den Lukashügel: Orte des Gedenkens und des Widerstandes gegen das Vergessen, Orte, an denen wir lernen, dass technisches Können moralische Bildung und Macht Demut braucht – und dass christlicher Glaube nicht Weltflucht bedeutet, sondern Weltverantwortung.
Was unser je eigener Beitrag dazu sein kann, drückt sich in dem Friedensgebet des Heiligen Franziskus aus:
Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glaubens bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
Wer sich selbst vergisst, der findet;
Wer verzeiht, dem wird verziehen;
Und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.“
Hintergrund
Als finalen Schlag, der den Zweiten Weltkrieg beenden sollte, setzten die USA erstmals in der Weltgeschichte Atombomben ein, die am 6. und 9. August 1945 die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki vollständig zerstörten. Über hunderttausend Menschen starben sofort oder an den Folgen des Kernwaffeneinsatzes, der auch eine Katastrophe für die Umwelt bedeutete und sich bis heute auf die Gesundheit der Menschen auswirkt.
Alle 5 Jahre findet die Magdeburger Stadtgesellschaft für ein zentrales Gedenken an der Stele der Völkerfreundschaft zusammen, um an die Opfer und die Zerstörung der Atombombenabwürfe von 1945 zu erinnern. Die Gedenkstele stellt einen Lebensbaum dar, an dem 20 Figuren den Gedanken der Völkerfreundschaft auf verschiedene Weise zum Ausdruck bringen. Neben dem Denkmal befindet sich eine Steinkapsel, die einen Trümmerrest der Stadt Nagasaki beherbergt.
Quelle: Landeshauptstadt Magdeburg, Pressestelle; Alter Markt 6, 39104 Magdeburg, Tel.: 0391 540-2891; Bistum Magdeburg, Pressestelle, presse@bistum-magdeburg.de, 0391-5961134