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Kirche St. Maria in Köthen
Kirche St. Maria in Köthen
Bildrechte / Quelle: Georg Heeg

Predigt von Bischof Feige in Köthen"Glaube braucht Wandel"

„Glaube ist kein Museumsstück“, sagt Bischof Feige. Und mahnt, sich nicht in Nostalgie zu flüchten, sondern mutig neue Wege zu gehen. Bei einem Jubiläum in Köthen machte er deutlich, was Kirche heute braucht.

Erscheinungsdatum: 23. Oktober 2025

Bereitschaft zur Veränderung ist nach Ansicht von Bischof Gerhard Feige elementar für die Zukunft des Christentums. „Christlicher Glaube ist ja kein Museumsstück, sondern muss wachsen, reifen und sich immer wieder bewähren. Dabei bringt es uns nicht weiter, an Äußerlichkeiten festzuhalten. Das kann sogar hart und unbarmherzig machen und uns schließlich von Gott und voneinander entfremden“, sagte er am Sonntag, dem 19. Oktober 2025, bei einem Gottesdienst in Köthen.

Ein Flüchten in die Vergangenheit und „scheinbar gute alte Zeiten“ als Ideal erschwerten es, sich auf das einzulassen, was jetzt von Christen gefordert sei. „Das Feuer des Glaubens am Brennen zu halten, verlangt vielmehr, sich auf das Wesentliche zu besinnen und daraus Konsequenzen zu ziehen“, so Feige weiter. Er rief die Christen dazu auf, zugleich menschenfreundlich und gottverbunden, weltoffen und tiefgläubig, mutig und gelassen, kritisch und zuversichtlich zu sein.
Mit solch einer Mischung aus Überzeugung und Begeisterung „bräuchten wir uns um die Lebendigkeit und die Zukunft unserer Gemeinden nicht zu sorgen“.

Bedeutende Konversion vor 200 Jahren

Anlass des Gottesdienstes war der 200. Jahrestag des Übertritts von Herzog Ferdinand von Köthen und seiner Frau Julie zum katholischen Glauben. Das sorgte seinerzeit noch weit über die Region hinaus für Aufsehen. Bemerkenswerterweise hatte die Konversion des Herrschers nicht zur Folge, dass auch die Untertanen des Herzogtums vom evangelischen zum katholischen Glauben wechseln mussten. Gemeinhin galt seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 im Heiligen Römischen Reich der Grundsatz «cuius regio, eius religio» - wer im jeweiligen Gebiet die Herrschaft innehatte, bestimmte auch die Konfession.

Predigt zum Gedenken an 200 Jahre Konversion des Köthener Fürstenpaares am 19. Oktober 2025
(Ex 17, 8-13 / 2 Tim 3,14-4,2 / Lk 18, 1-8)

1.
„Zukunft braucht Herkunft.“ Mit diesen wenigen Worten bringt der Philosoph Odo Marquart eine tiefe menschliche Wahrheit zum Ausdruck. Wir müssen wissen, wo wir herkommen und wo unsere Wurzeln sind. Die Erinnerung gehört zu unserem Leben und stiftet Identität. Eine Gesellschaft, die ihre Vergangenheit vergisst, verfälscht oder überbetont, wird krank, immer leichter manipulierbar und letztlich unfähig, sich zukunftsträchtig zu erneuern. Das deutet auch Erich Kästner in einem seiner Gedichte recht unverblümt an: „Die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet die Menschen um. Wer das, was schön war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm.“ Für uns Christen heißt das über die ganz persönlichen und die allgemein gesellschaftlichen Erfahrungen hinaus, sich ebenso der universalen und lokalen Kirchengeschichte bewusst zu bleiben, nichts zu verdrängen, aber auch nichts zu beschönigen. Und dazu gehört eben hier vor Ort in besonderer Weise die folgenreiche Konversion des Herzogs Ferdinand von Köthen und seiner Frau Julie im Jahr 1825. Interessanterweise kam dadurch der seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 geltende Grundsatz „cuius regio, eius religio“ – d.h. wer im jeweiligen Gebiet die Macht innehat, bestimmt auch die Weltanschauung – nicht zur Anwendung. Als unumschränkt regierender Herrscher nahm Herzog Ferdinand zwar weiterhin seine „oberbischöflichen Rechte“ über die evangelische Landeskirche wahr, alle protestantischen Untertanen konnten aber bei ihrem Bekenntnis bleiben. War die katholische Seelsorge zuvor in Anhalt nur spärlich entwickelt gewesen, bekam sie nun einen kräftigen Anschub. Aus der kleinen Missionsstation Köthen wurde 1826 eine eigene Pfarrei für das ganze Herzogtum Anhalt-Köthen. Zunächst dem Apostolischen Vikariat des Nordens und dann dem Nuntius in München unterstellt, wurde die Pfarrei schließlich zusammen mit anderen inzwischen in Anhalt gegründeten Pfarreien 1868 dem Bischof von Paderborn übertragen. Für Köthen selbst brachte die Konversion des Herzogspaares mit sich, dass – von diesem veranlasst – zunächst Jesuitenpatres die Seelsorge übernahmen, die Pfarrei zwei landwirtschaftliche Güter übertragen bekam, ein katholischer Friedhof entstand und sowohl eine katholische Volksschule als auch eine sogenannte Kommunikantenanstalt errichtet wurde, die Kinder aus dem Umland auf die erste heilige Kommunion vorbereiten sollte. Auch die Kirche, in der wir uns heute befinden, ein spätklassizistischer Zentralbau, stammt aus dieser Zeit. Nach dem Tode von Herzog Ferdinand und Herzogin Julie wurde der katholische Glaube zwar weiterhin toleriert, kam der Protestantismus aber wieder zur uneingeschränkten Geltung.

2.
Damals war Ökumene weithin noch ein Fremd- oder Unwort und das Verhältnis der Konfessionen angespannt, bestenfalls kalt, oft genug feindlich. Für die katholische Kirche galten alle anderen Christen als von ihr abgefallene Schismatiker oder Häretiker. Nichtkatholische Kirchen und erst recht deren Gottesdienste sollten gemieden werden. Daran kann ich mich sogar noch aus meiner Kindheit erinnern, ebenfalls an einen Witz, worin ein katholischer Christ bei der Beichte als Sünde bekennt: „Ich habe evangelisches Glockengeläut mehrmals mit Wohlgefallen angehört.“ Und im Blick auf die Einheit des Christentums herrschte katholischerseits die Auffassung, dass die anderen zu unserer Kirche zurückzukehren hätten. Mit dem II. Vatikanischen Konzil in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts aber trat auch unsere Kirche offiziell in die ökumenische Bewegung ein und bemüht sich seitdem in „Dialogen der Liebe und der Wahrheit“ zusammen mit den anderen Christen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, Erinnerung zu heilen und – der Bitte und dem Auftrag Jesu entsprechend – auf dem Weg zu einer größeren Einheit voranzukommen. Inzwischen versteht sich dabei unsere römisch-katholische Kirche nicht mehr ausschließlich als die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ des Glaubensbekenntnisses, sondern erkennt auch die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften durchaus als „Mittel des Heils“ (UR 3) an. Statt des Trennenden suchen wir jetzt vor allem mehr die Gemeinsamkeiten und die je eigenen besonderen Gaben, mit denen wir uns gegenseitig bereichern und ergänzen können. Damit hat sich ein schwerwiegender Paradigmenwechsel vollzogen: von zunächst kriegerischen Auseinandersetzungen, ängstlicher Abgrenzung und polemischer Verteidigung zu einer aufrichtigen Wahrnehmung, konstruktiven Begegnungen und versöhnten Beziehungen. Diese positive Sicht betrifft auch die einzelnen Christen und bedeutet, dass wir alle – egal welcher Kirche wir angehören – durch Glauben und Taufe „in Verehrung und Liebe“ Brüder und Schwestern sind, denen „die Schuld der Trennung nicht zur Last gelegt werden“ darf (UR 3). Daraus ergibt sich, dass eine Konversion einzelner als persönliche Gewissensentscheidung zwar nach wie vor möglich ist, von der katholischen Kirche aber nicht mehr programmatisch angestrebt wird. Andere Gläubige unlauter abzuwerben oder ihnen den eigenen Glauben aufzudrängen – was man als Proselytismus bezeichnet – gehört also nicht mehr zu den Methoden und dem Ziel unserer Verkündigung und Evangelisation. Auch wenn das vor 200 Jahren noch nicht so galt, ist doch bemerkenswert, dass es sich bei der Konversion des Köthener Fürstenpaares um eine sehr persönliche Angelegenheit handelte und nicht um taktische Erwägungen oder das Ergebnis äußeren Drucks. Das zeigt sich auch in der dann geübten Toleranz gegenüber den protestantischen Untertanen, gewissermaßen schon einem Schritt aus dem konfessionalistischen Gegeneinander zu einem erträglichen Miteinander.

 

3.

Und was bedeutet das nun für uns heute? Jubeln wir nostalgisch oder selbstgefällig lediglich ein historisches Ereignis hoch? Oder stellen wir uns selbstkritisch auch unserer kirchlichen Situation vor Ort und unserem persönlichen Christsein?

Wie schnell kann es doch dazu kommen, dass man aus der Gegenwart flüchtet und sich an die Vergangenheit klammert. Die scheinbar „gute alte Zeit“ erscheint dann als Ideal – im Gegensatz zu den heutigen Verhältnissen. Eine solche Sicht erschwert es aber, sich auf das einzulassen, was jetzt von uns gefordert ist. „Tradition heißt nicht, die Asche aufzubewahren, sondern das Feuer zu hüten“. Wenn Paulus an Timotheus schreibt (2.Tim 3,14): „Bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast“, meint er genau das: an den gelebten Glauben derer anzuknüpfen, die uns den Weg bereitet haben, und ihn kreativ und fantasievoll weiterzugeben. Christlicher Glaube ist ja kein Museumsstück, sondern muss wachsen, reifen und sich immer wieder bewähren. Dabei bringt es uns nicht weiter, an Äußerlichkeiten festzuhalten. Das kann sogar hart und unbarmherzig machen und uns schließlich von Gott und voneinander entfremden. Das Feuer des Glaubens am Brennen zu halten, verlangt vielmehr, sich auf das Wesentliche zu besinnen und daraus Konsequenzen zu ziehen.

Keine Frage: Wir leben heute in einem anderen Kontext als Herzog Ferdinand und seine Frau Julie, haben die Aufklärung hinter uns und buchstabieren gerade den Begriff „Postmoderne“. Und doch glaube ich, dass immer noch gilt: „Nur wer brennt, entflammt auch andere!“ Nur Bekehrte, Überzeugte und Begeisterte können wirklich etwas bewegen! Wenn solche Christen unter uns wären, die zugleich menschenfreundlich und gottverbunden, weltoffen und tiefgläubig, mutig und gelassen, kritisch und zuversichtlich sind, bräuchten wir uns um die Lebendigkeit und die Zukunft unserer Gemeinden nicht zu sorgen. Wenn viele aber müde und lau würden, nur rückwärtsgewandt oder oberflächlich dahinlebten und sich aus Furcht oder Gleichgültigkeit der Welt anpassten oder sich aus ihr zurückzögen, hätten wir – innerweltlich betrachtet – nur wenig Chancen, als Christen wahr- und ernstgenommen zu werden.

In diesem Sinn bedeutet, aus dem christlichen Glauben heraus zu leben und ihn zu bezeugen, nicht: ein Programm umzusetzen und einen Plan zu erfüllen, sondern sich erst einmal intensiver auf Christus zuzubewegen, sich von ihm ergreifen und neu begeistern zu lassen – und alles andere ist dann die Folge einer solchen zündenden Begegnung und tiefen Erfahrung. Dabei bildet das beharrliche Gebet die verheißungsvollste Form, innerlicher Leere zu entgehen sowie Trost, Kraft und Zuversicht zu finden. Wirkliche Fortschritte sind nicht ohne Umkehr der Herzen möglich. Wo aber tatsächlich Bekehrung erfolgt, strahlt das auch unweigerlich aus und bewirkt etwas, was wir nicht im Griff haben und auch nicht immer mitbekommen.

Jede Zeit hat ihre Schwierigkeiten und Chancen und ist zugleich Bewährungs- und Heilszeit. In jeder Zeit wird das Evangelium die Geister scheiden und auf Ablehnung oder Annahme stoßen. „Jede Zeit ist dem Evangelium gleich nah beziehungsweise gleich fern“ (Bischof Joachim Wanke). Stellen wir uns also – bestärkt durch das Beispiel unserer christlichen Vorfahren – den gegenwärtigen Herausforderungen, bleiben wir mutig und fantasievoll und vertrauen wir darauf, dass der auferstandene Herr auch weiterhin mit uns und den Christen der anderen Kirchen auf dem Weg ist.

Die Predigt als PDF

Quelle: Katholische Nachrichtenagentur KNA; Bistum Magdeburg, Pressestelle, presse@bistum-magdeburg.de, 0391-5961134


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