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Lebenswirklichkeit von Menschen nicht außer Acht lassen

Offener Brief von elf Generalvikaren zu #Outinchurch und Handlungstext des Synodalen Weges „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“

„Es muss sichergestellt werden, dass es keine arbeitsrechtlichen Sanktionen für das Eingehen einer zivilen gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer zivilen Wiederheirat bei bestehender kirchenrechtlich gültig geschlossener Erstehe mehr gibt.“ Das hat der Generalvikar des Bistums Magdeburg, Dr. Bernhard Scholz, jetzt gefordert. In einem Offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, vom 12. Februar spricht sich Scholz gemeinsam mit zehn weiteren Generalvikaren dafür aus, den bereits eingeschlagenen Weg der Neuformulierung des kirchlichen Arbeitsrechts bis zum Sommer dieses Jahres abzuschließen. Zudem fordern die Generalvikare, ab sofort auf arbeitsrechtliche Sanktionen in Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung zu verzichten. So solle ein Zustand beendet werden, der für viele Mitarbeitende „belastend und erniedrigend“ sei.

Die Generalvikare nehmen in ihrem Offenen Brief Bezug auf die Initiative #OutInChurch und auf die jüngste Synodalversammlung im Rahmen des Synodalen Wegs. Beide hätten dazu beigetragen, das Schweigen zu den unzähligen Leidensgeschichten, die das kirchliche Arbeitsrecht seit Jahrzehnten hervorrufe, zu überwinden. Gleichwohl erlebten Mitarbeitende der Kirche nach wie vor eine „‘Kultur der Angst‘, die belastet, verletzt, diskriminiert und Menschen psychisch oder physisch krank werden lässt.“ Über die Mitarbeitenden hinaus, deren „sexuelle Identität von einer Heteronormativität abweicht“, seien zahlreiche Mitarbeitende betroffen, die nach einer Ehescheidung eine neue standesamtliche Ehe eingegangen sind oder in einer außerehelichen Beziehung leben.  

Vor diesem Hintergrund betonen Generalvikar Scholz und seine Amtskollegen: „Das Arbeitsrecht darf kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen, die derzeit ohnehin zur Diskussion steht und die komplexe Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht  lässt. Unsere Mitarbeitenden müssen unsere Kirche als einen angstfreien Raum erleben und brauchen eine vollständige Rechtssicherheit, dass ihre Lehrerlaubnis und ihr Arbeitsplatz  nicht von ihrer sexuellen Orientierung und ihrem privaten Beziehungsstatus abhängen.“

Generalvikar Scholz und seine Amtskollegen äußern, dass ihnen bewusst ist, wie schwierig es in der Deutschen Bischofskonferenz bei vielen Fragen ist, zu einvernehmlichen Entscheidungen zu kommen: „Deshalb empfehlen wir, dass alle Bischöfe, die zu einer solchen Änderung des Kirchlichen  Arbeitsrechtes bereit sind, gemeinsam und mutig die nötigen Reformen für ihre Zuständigkeitsbereiche voranbringen.“

Neben Generalvikar Scholz haben den Offenen Brief die Generalvikare von Berlin, Essen, Hamburg, Hildesheim, Limburg, Münster, Paderborn, Speyer, Trier sowie vom Militärbischofsamt unterzeichnet.

Der Originaltext des Schreibens finden Sie hier.

 

Betr.: Offener Brief von Generalvikaren zu #Outinchurch und Handlungstext des Synodalen Weges „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“

Sehr geehrter Bischof Bätzing,
lieber Georg,

Die Initiative „#Outinchurch“ bewegt uns Generalvikare sehr. Uns beeindruckt der Mut einer so großen Zahl von kirchlichen Mitarbeitenden, die aufgrund der geltenden Loyalitätsobliegenheiten in der Grundordnung für den kirchlichen Dienst ihre sexuelle Orientierung verbergen, ihre Beziehungen verheimlichen müssen und eine sogenannte Zivilehe nicht eingehen dürfen, um ihren Arbeitsplatz oder ihre kirchliche Lehrerlaubnis nicht zu gefährden. Ihre Lebenszeugnisse offenbaren auf diesem Hintergrund teilweise erschreckende Schicksale, weil Menschen oft über Jahrzehnte hinweg kein freies und selbstbestimmtes Leben führen können.

In der vergangenen Woche hat sich auch der Synodale Weg auf der 3. Sitzung der Vollversammlung in dem Handlungstext „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ mit der Thematik auseinandergesetzt und sich in erster Lesung deutlich für Veränderungen bezüglich der Loyalitätsobliegenheiten (Art. 5) ausgesprochen.

Wir sind sowohl der Initiative #outinchurch als auch dem Synodalen Weg dankbar, weil beide dazu beitragen, dass in unserer Kirche das Schweigen überwunden wird zu den unzähligen Leidensgeschichten, die die Grundordnung für den Kirchlichen Dienst seit Jahrzehnten hervorruft. Über die Mitarbeitenden hinaus, deren sexuelle Identität von einer Heteronormativität abweicht, waren bzw. sind zahlreiche Mitarbeitende davon betroffen, die nach einer Ehescheidung eine neue standesamtliche Ehe eingehen oder in einer außerehelichen Beziehung leben.

Viele von uns Generalvikaren haben in den letzten Jahren auf diesen nicht mehr akzeptablen Zustand hingewiesen, allerdings konnte eine entsprechende Reform des Kirchlichen Arbeitsrechtes nicht erreicht werden. Im Ergebnis gibt es derzeit eine sehr unterschiedliche Praxis in den deutschen (Erz-)Bistümern, um die Grundordnung anzuwenden. Nach wie vor erleben Mitarbeitende in unserer Kirche eine „Kultur der Angst“, die belastet, verletzt, diskriminiert und Menschen psychisch oder physisch krank werden lässt. 

Wir unterstützen ausdrücklich die Initiativen der letzten Woche und greifen vor allem die Forderung nach einer Reform des Kirchlichen Arbeitsrechtes auf. Das Arbeitsrecht darf kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen, die derzeit ohnehin zur Diskussion steht und die komplexe Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht lässt. Unsere Mitarbeitenden müssen unsere Kirche als einen angstfreien Raum erleben und brauchen eine vollständige Rechtssicherheit, dass ihre Lehrerlaubnis und ihr Arbeitsplatz nicht von ihrer sexuellen Orientierung und ihrem privaten Beziehungsstatus abhängen.

Wir bitten alle Bischöfe darum, kurzfristig eine Änderung des Kirchlichen Arbeitsrechtes herbeizuführen und auf alle Bezüge auf die persönliche Lebensführung in der derzeit geltenden Grundordnung, vor allem Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 Nrn. c und d, zu verzichten. Die laufenden Gespräche zur Revision der Grundordnung, die derzeit in den Arbeitszusammenhängen der Deutschen Bischofskonferenz und des Verbandes der Diözesen geführt werden, sollten durch die Bischöfe in ein transparentes Verfahren übergeleitet werden, das zeitnah zu einer Entscheidung führt. Es muss sichergestellt werden, dass es keine arbeitsrechtlichen Sanktionen für das Eingehen einer zivilen gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer zivilen Wiederheirat bei bestehender kirchenrechtlich gültig geschlossener Erstehe mehr gibt. Dies gilt aus unser Sicht für alle Gruppen von kirchlichen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern, auch für die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und diejenigen, die mit einer Missio canonica oder einer besonderen bischöflichen Beauftragung ihren kirchlichen Dienst verrichten. 

Wir ermutigen die Deutsche Bischofskonferenz, den eingeschlagenen Weg zur Neuformulierung der Grundordnung wie nun vorgesehen bis zum Sommer 2022 abzuschließen. Aus unserer Sicht ist jetzt die Zeit, kurzfristig zu handeln und einen für viele Menschen belastenden und erniedrigenden Zustand zu beenden. Darum schlagen wir vor, ab sofort auf arbeitsrechtliche Sanktionen im Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung in den o.g. Zusammenhängen zu verzichten.

Wir unterstützen ausdrücklich alle Reformbemühungen auf dem Synodalen Weg, die diesem Anliegen entsprechen. Zugleich wissen wir um die Schwierigkeit in der Deutschen Bischofskonferenz, in vielen Fragen zu einvernehmlichen Entscheidungen zu kommen. Deshalb empfehlen wir, dass alle Bischöfe, die zu einer solchen Änderung des Kirchlichen Arbeitsrechtes bereit sind, gemeinsam und mutig die nötigen Reformen für ihre Zuständigkeitsbereiche voranzubringen.

 

Mit freundlichen Grüßen und im Namen der unten aufgeführten Generalvikare,

Ulrich von Plettenberg, Trier

Außerdem:

Reinhold Bartmann, Militärbischofsamt
Sascha-Philipp Geißler SAC, Hamburg
Alfons Hardt, Paderborn
Manfred Kollig SSCC, Berlin
Klaus Pfeffer, Essen
Wolfgang Rösch, Limburg
Bernhard Scholz, Magdeburg
Andreas Sturm, Speyer
Martin Wilk, Hildesheim
Klaus Winterkamp, Münster

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